Die Briten stimmen für den Brexit, eine Erbschaftssteuerreform in Deutschland und Griechenland ist wieder an die Geldversorgung der EZB angeschlossen - das waren die wichtigsten Ereignisse der Woche.
Kein Zweifel: In Deutschland ticken die makroökonomischen Uhren anders als im Rest der Welt. Der Grund dafür ist ein von Walter Eucken entwickeltes Paradigma – das bei genauerer Betrachtung erhebliche Mängel aufweist. Ein Gastbeitrag von Peter Bofinger.
Die britischen Wähler haben sich für den Brexit entschieden. Aber zumindest die Debatte im Vorfeld des Referendums hatte auch etwas Gutes: Sie hat gezeigt, dass die EU ökonomisch funktioniert. Damit der Brexit eine Ausnahme bleibt, muss jetzt dringend der Konflikt zwischen wirtschaftlicher Integration und demokratischer Souveränität gelöst werden.
Die Realwirtschaft in der Eurozone finanziert sich immer noch überwiegend durch Bankkredite. Allerdings ist die Quote in den letzten Jahren in vielen Staaten gesunken.
Donald Trumps Aufholjagd ist endgültig zum Erliegen gekommen: Der Rückstand des designierten republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf Hillary Clinton ist gemessen an den neuesten Umfragen wieder größer geworden. Buchmacher und Finanzmarkt-Trader glauben weniger denn je an einen Trump-Triumph.
Das Bundesverfassungsgericht hat der EZB-Geldpolitik seinen Segen erteilt – so scheint es zumindest. Ein genauerer Blick auf die Entscheidung macht aber deutlich, dass das Gericht sich doch sehr tief in die Belange der Zentralbank einmischt.
USA, Russland, China: Alle drei globalen Großmächte sind zunehmend von einem Populismus befallen, der maßgeblich von den Mittelschichten getragen wird. Die Gründe dafür gehen weit über den Aufstieg einzelner Populisten hinaus. Ein Kommentar von Branko Milanovic.
In wenigen Wochen will der Elektroauto-Hersteller Tesla eine neue Fabrik eröffnen. Die „Gigafactory“ wird dann zu den größten Produktionsstätten der Welt gehören.
Inzwischen nehmen sogar vernünftige und gut informierte Beobachter die EU als dermaßen antidemokratisch wahr, dass für sie ein EU-Austritt die einzige Option ist, um die Demokratie zu reparieren - trotz aller ökonomischer Risiken. Ein Kommentar von Dani Rodrik.
Eine hohe Glaubwürdigkeit ist für die Effektivität der Geldpolitik entscheidend. Aber wie kann diese Glaubwürdigkeit eigentlich gemessen werden? Und ist es den Zentralbanken gelungen, das Vertrauen der Märkte in ihre Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten?
Die London School of Economics hat die größte Spende ihrer Geschichte erhalten. Mit dem Geld soll ein Fellow-Programm zum Thema Ungleichheit geschaffen werden. Die umgerechnet über 80 Millionen Euro kommen von der US-amerikanischen Atlantic Philanthropies-Stiftung – was grundlegende Demokratie-Fragen aufwirft.
Immer wieder wird den Gewerkschaften vorgeworfen, dass sie eine überzogene Lohnzurückhaltung betreiben würden. In der Tat ist die Lohnbildung in Deutschland und vor allem in Europa nicht optimal. Leider ignorieren die Kritiker aber die tarifpolitischen Realitäten. Ein Kommentar von Gustav Horn.
Streikfreudigere Deutsche, ein Stimmungsdämpfer von der Weltbank und die Ölpreise klettern vorübergehend auf ein neues Jahreshoch – das sind die wichtigsten Charts der Woche.
Wenn sich die europäische Politik nicht erheblich ändert, wird Griechenland früher oder später den Euroraum verlassen müssen - die Frage ist nur wann und wie. Ein Kommentar von Frances Coppola.
Hillary Clinton konnte ihre sinkenden Umfragewerte zuletzt etwas stabilisieren. Donald Trump ist bei den Buchmachern und an den Finanzmärkten weiterhin klarer Außenseiter im Rennen um das Weiße Haus.
Die Angst vor Robotern, die menschliche Arbeit ersetzen, mag vielleicht in Mode sein – aber sie ist übertrieben. Denn die Maschinen könnten uns dabei helfen, ein gesünderes und bedeutungsvolleres Leben zu leben.
Mit Zahlen macht man Politik: Diese Binsenweisheit gilt vor allem für die Sozialpolitik. Jüngstes Beispiel dafür ist eine Umstellung der Messmethoden, durch die zahlreiche in Hartz IV-Haushalten lebende Kinder nicht mehr in der amtlichen Statistik auftauchen.
Weitere Verbesserungen am deutschen Arbeitsmarkt, Zweifel am nächsten US-Zinsschritt und Millionen von "modernen Sklaven" - das waren die wichtigsten Charts der Woche.
Das QE-Programm der EZB ist zwar besser als nichts - aber eine echte wirtschaftliche Belebung wird die Liquiditätsschwemme auch nicht hervorrufen können. Sorgen macht vielmehr, dass es in Europa offenbar erste Zeichen für eine Verschlechterung des "Humankapitals" gibt.
Mit seiner Kritik am Neoliberalismus hat der Internationale Währungsfonds in der letzten Woche für viel Aufsehen gesorgt. Bei genauerer Betrachtung fasst der IWF aber nur Positionen zusammen, die er schon seit Jahren vertritt.
Zweifel am Wachstumsglauben, viel Lobbyismus-Kritik und Hollywood knüpft sich mal wieder die Wall Street vor - das sind die Neuerscheinungen des letzten Monats.
Gehen Schwarzmarkthändler oder Diebe einer produktiven Arbeit nach? Eigentlich schon, schließlich verbessern sie die Allokation von Gütern. Tatsächlich ist es sehr schwer zu kategorisieren, was in einer kapitalistischen Volkswirtschaft produktiv und was unproduktiv ist.
Die Bezeichnung QE-Programm (Quantitative Easing) ist nicht die offizielle Bezeichnung des Programms der EZB, sondern bezeichnet lediglich eine geldpolitische Methode, bei der die Zentralbank Schuldtitel kauft, um das Niveau der Marktzinsen nach unten zu drücken. Das QE-Programm heißt im offiziellen EZB-Sprachgebrauch Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) und wurde Anfang 2015 beschlossen. Das APP bestand zunächst aus drei Einzelprogrammen zum Ankauf
gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3, Start Oktober 2014),
forderungsbesicherter Wertpapiere (ABSPP, Start November 2014) und
von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP, Start März 2015).
Im Juni 2016 kam das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) hinzu.
Eine genauere Beschreibung der einzelnen Programme finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Die EZB hat für die einzelnen Programme keine konkreten Kaufvolumina, sondern lediglich monatliche Zielmarken für das gesamte APP festgelegt.
März 2015 bis März 2016: 60 Milliarden Euro
April 2016 bis März 2017: 80 Milliarden Euro
April 2017 bis Dezember 2017: 60 Milliarden Euro
Januar 2018 bis September 2018: 30 Milliarden Euro
Was kauft die EZB genau?
Der Blick auf die pro Monat aufgekauften Wertpapiere zeigt, dass die EZB durchaus die Zusammensetzung ihrer Käufe variiert hat und im Rahmen der einzelnen Programme unterschiedlich aktiv war. Auch lag das monatliche Kaufvolumen nicht immer präzise bei den angekündigten 60 bzw. 80 Milliarden Euro – allerdings hat die EZB während der jeweiligen Phasen im Durchschnitt doch ziemlich exakt das angekündigte Volumen gekauft.
Die unterschiedliche Gewichtung der Unterprogramme wird im folgenden Chart noch etwas deutlicher. Dieser zeigt, wie hoch der Anteil der jeweiligen Programme während der einzelnen Monate seit Start des APP im März 2015 war. Daraus wird ersichtlich, dass die EZB den Anteil der gekauften Staatsanleihen zuletzt wieder etwas reduziert hat (von in der Spitze über 90% auf zuletzt etwa 80%).
Worauf es zu achten gilt: Konkrete Umsetzung und Reinvestitionen fälliger Anleihen
In den kommenden Monaten gilt es also vor allem zu beobachten, wie die EZB die angekündigte Reduzierung ihres Aufkaufvolumens konkret umsetzt, weil sich dies auf die betroffenen Marktsegmente unterschiedlich auswirken wird. So hat die EZB wie oben gezeigt seit Start ihrer Aufkaufprogramme demonstriert, dass sie in der Lage und gewillt ist, die angekündigten Kaufvolumina auch tatsächlich umzusetzen. Das heißt, dass die gesamten APP-Bestände in ihrer Bilanz ungefähr dem im folgenden Chart skizzierten Verlauf (rote gestrichelte Linie) folgen und Ende September 2018 ein Gesamtvolumen von ca. 2,6 Billionen Euro erreichen dürften – die Frage ist eben lediglich, durch welche Wertpapiere die große weiße Lücke im Chart konkret gefüllt wird.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass das APP noch lange über sein eigentliches Ende hinaus Wirkung entfalten wird. So hat die EZB bereits im Dezember 2015 angekündigt, die Einkünfte aus bis zur Fälligkeit gehaltenen Anleihen wieder zu reinvestieren und dieses Versprechen auf der Oktober-Ratssitzung noch einmal erneuert und präzisiert. Sollte also beispielsweise eine deutsche Staatsanleihe 2019 fällig und die EZB vom deutschen Staat ausbezahlt werden, wird sie – Stand heute – dieses Geld für den erneuten Erwerb einer (deutschen) Staatsanleihe nutzen. Ihre Bestände an Staatsanleihen werden sich somit nicht zwangsläufig verringern und ihre Präsenz auf den Märkten auch nicht sehr viel kleiner werden – sie schafft nur kein neues Geld, um Staatsanleihen zu erwerben.
QE-Käufe nach Ländern
Die EZB hat beim Start des PSPP (also des Staatsanleihen-Programms) angekündigt, dass sich das Kaufvolumen am Kapitalschlüssel der beteiligten Länder orientieren soll. Jedoch ist die EZB von diesem Ziel deutlich abgewichen: Sie hat mehr Staatsanleihen der großen Eurostaaten gekauft, als dies eigentlich nach dem Kapitalschlüssel angemessen gewesen wäre. So machen beispielsweise deutsche Staatsanleihen mittlerweile knapp 27% des aufgekauften Staatsanleihen-Portfolios aus, obwohl der deutsche Kapitalschlüssel nur bei knapp 18% liegt.
Diese „Bevorzugung“ der großen Staaten könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass es bei den kleineren Ländern schlicht nicht genug Anleihen gibt, damit die EZB ihr angepeiltes Kaufvolumen erreichen kann. Es wird sich zeigen, ob die EZB somit ihr Kaufverhalten ändern wird, wenn sie nur noch eine kleinere Summe an Staatsanleihen aufkaufen muss.
Bilanzsumme
Die im Rahmen des QE-Programms getätigten Käufe machen inzwischen fast die Hälfte der insgesamt knapp 4,4 Billionen Euro großen EZB-Bilanz aus. Wenn die EZB die Summe der monatlichen Anleihekäufe ab Januar senkt, ist in der kurzen Frist zu erwarten ist, dass sich die EZB-Bilanz zunächst etwas langsamer ausweiten wird. Um die tatsächliche expansive Wirkung der Geldpolitik zu beurteilen ist es aber auch notwendig zu beobachten, wie sich die übrigen Posten der Bilanz verändern, was aus heutiger Sicht aber nicht abschätzbar ist.
Glossar: Die Programme im Detail
Das erste Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programme, CBPP) wurde bereits 2009 von der EZB beschlossen, um nach der Finanzkrise den Markt für diese Papiere (z. B. Pfandbriefe) zu stabilisieren und Refinanzierungsproblemen der Banken entgegenzuwirken. Innerhalb eines Jahres wurden Wertpapiere im Gesamtvolumen von 60 Milliarden Euro angekauft. Ein zweites CBPP mit folgte dann von November 2011 bis Oktober 2012. Das aktuell laufende dritte CBPP wurde im Oktober 2014 verabschiedet.
Das Programm zum Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere (Asset Backed Securities Purchase Programme, ABSPP) wurde im September 2014 in Verbindung mit dem Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3) beschlossen. Dabei werden ABS-Papiere am Primär- und Sekundärmarkt aufgekauft.
Im Rahmen des Programms zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme, PSPP) werden seit März 2015 Wertpapiere des öffentlichen Sektors wie Staatsanleihen sowie Schuldtitel europäischer Institutionen und Agenturen gekauft. Für die Ankäufe im Rahmen des PSPP gibt es detaillierte Regeln. So dürfen Staatsanleihen beispielsweise wegen des Verbots der monetären Staatsfinanzierung nur am Sekundärmarkt erworben werden. Es dürfen nur Papiere mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufgekauft werden. Zudem will die EZB nicht mehr als 33% aller auf den Sekundärmärkten befindlichen Papiere aufkaufen.
Mit dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP) werden seit Juni 2016 auch Anleihen von Unternehmen in der Eurozone erworben. Ausgeschlossen sind Kreditinstitute und Unternehmen, deren Anleihen von den Ratingagenturen nicht mindestens als „Investment Grade“ bewertet werden. Die Anleihen müssen Laufzeiten zwischen sechs Monaten und 30 Jahren haben und können sowohl am Primärmarkt als auch am Sekundärmarkt gekauft werden.