Chart

Zentralbanken verfehlen ihre Inflationsziele weiterhin deutlich

Nur vier der 26 wichtigsten Zentralbanken gelingt es derzeit, ihre selbstgesteckten Inflationsziele zu erreichen. Allerdings sagt dies nicht zwangsläufig etwas über die Qualität der Geldpolitik aus.

Inflation Targeting. Foto: Irish Defence Forces via Flickr (CC BY 2.0)

Das Primärziel der allermeisten Zentralbanken besteht darin, „Preisstabilität“ zu gewährleisten. Darunter versteht man in der Regel das Ansteuern eines bestimmten Zielwertes, den die Inflationsrate in einer Volkswirtschaft erreichen soll.

Bei welcher Inflationsrate diese Preisstabilität tatsächlich erreicht wird, ist wiederum keinesfalls eindeutig. Die meisten westlichen Zentralbanken haben sich ein Inflationsziel von 2% gesetzt. Andere Zentralbanken geben neben der Zielmarke auch einen Toleranzbereich an, in dem sich die Inflationsrate bewegen kann. Manche Notenbanken, wie z. B. die südafrikanische Zentralbank, verwenden auch nur ein Zielband, innerhalb dessen die Inflationsrate schwanken soll.

Im Makronom veröffentlichen wir einmal pro Quartal eine Übersicht, wie (un-)präzise die 26 wichtigsten Zentralbanken ihre Inflationsziele treffen. Hier die Ergebnisse der neuesten Aktualisierung. Die gefüllten Rauten geben die durchschnittliche Inflationsrate des 3. Quartals 2016 an, die Rauten ohne Füllung die aus dem Vorjahresquartal. Die Balken markieren die jeweiligen Zielwerte für die Inflationsrate, die schraffierten Flächen zeigen die Zielbänder bzw. Toleranzbereiche:

zentralbanken_inflationsziele_q3_2016
*Russland: Die Inflationsrate lag im 3. Quartal 2015 bei 15,7%, wurde aber aus Darstellungsgründen mit einem geringeren Wert abgebildet. Außerdem gilt das Inflationsziel der russischen Zentralbank für das Jahr 2017. Quellen: centralbanknews.info, OECD, nationale Statistikbehörden, tradingeconomics.com, eigene Berechnungen, Stand: 1.11.2016

Der Chart zeigt, dass sich derzeit nur in vier der 26 aufgelisteten Länder (oder im Fall der Eurozone: Wirtschaftsräume) die Inflationsrate im von der jeweiligen Zentralbank angepeilten Zielbereich befindet – nämlich in Kanada, Mexiko, Chile und Indonesien. In sechs Ländern, darunter die USA, Großbritannien und die Schweiz, haben sich die Inflationsraten im letzten Jahr den Zielen der Zentralbanken angenähert – dagegen haben sie sich in sieben anderen Ländern weiter von ihnen entfernt. Bemerkenswert ist, dass mit Norwegen weiterhin nur eine einzige Industrienation eine Inflationsrate oberhalb der von der Zentralbank gesetzten Zielmarke aufweist.

Disclaimer: (Mittelfristige) Inflationserwartungen und unterschiedliche Prioritäten

Man muss allerdings erwähnen, dass der Monitor eine Schwachstelle hat: Er zeigt immer die jeweils aktuellste Inflationsrate an, wogegen viele Zentralbanken (wie z. B. die EZB) die gesteckten Inflationsziele „mittelfristig“ anpeilen. Das bedeutet, dass sie ihre Geldpolitik eher an den Inflationserwartungen als an der aktuellen Inflationsrate orientieren. Wenn also eine Inflationsrate momentan nahe am Zielwert liegt, könnte sich eine Zentralbank dennoch zum Handeln gezwungen sehen, wenn die Inflationserwartungen eine deutliche Abweichung von diesem Ziel signalisieren.

Jedoch sind auch die im Chart gezeigten aktuellen Inflationsraten wichtig für die Effektivität der Geldpolitik.  Denn wenn die Inflation über längere Zeit vom Ziel abweicht, dann schwächt das auch die Kapazität der Zentralbanken, ihre Glaubwürdigkeit zu vermitteln (mehr zum diesem oftmals sehr abstrakt und unpräzise verwendeten Glaubwürdigkeits-Begriff finden Sie hier).

Geldpolitik ist immer auch eine Frage von Prioritäten

Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass selbst eine Punktlandung bei der Inflationsrate nicht zwangsläufig etwas über die Qualität der jeweiligen Geldpolitik aussagt. Es ist nämlich keinesfalls ausgemachte Sache, dass eine Zentralbank, die ihr Inflationsziel perfekt trifft, auch die richtige Geldpolitik für die betroffene Volkswirtschaft macht.

So kann man trefflich darüber streiten, ob beispielswese eine Straffung der Geldpolitik unter dem Primat der Preiswertstabilität auch dann richtig ist, wenn so das Wachstum (zu) stark gebremst wird und zu einer ansteigenden Arbeitslosigkeit führt – Geldpolitik ist eben immer auch eine Frage von Prioritäten. Auch gibt es zahlreiche Diskussionen darüber, ob die gesteckten Inflationsziele überhaupt angemessen sind oder sie nicht vielleicht höher oder niedriger sein sollten.