#Economists4Future

Wie der klimaneutrale Umbau des Industriestandorts Deutschland gelingen kann

Die enorm innovationsstarke deutsche Industrie ist in der Lage, viele der für die Erreichung von Klimaneutralität benötigten technischen Lösungen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Dies ist jedoch kein Selbstläufer, sondern erfordert auch ein langfristiges Engagement der öffentlichen Hand. Ein Beitrag von Jan-Erik Thie und Benjamin Görlach.

Im Angesicht der Klimakrise und der Fridays-for-Future-Proteste hat das Netzwerk Plurale Ökonomik unter #Economists4Future dazu aufgerufen, Impulse für neues ökonomisches Denken zu setzen und bislang wenig beachtete Aspekte der Klimaschutzdebatte in den Fokus zu rücken.

In dieser Debattenreihe erscheint wöchentlich ein ausgewählter Beitrag, der sich kritisch-konstruktiv mit aktuellen Leerstellen und Herausforderungen in der Klimaökonomik auseinandersetzt. Dabei geht es beispielsweise um den Umgang mit Unsicherheiten und Komplexität sowie um Existenzgrundlagen und soziale Konflikte. In diesem Beitrag skizzieren Jan-Erik Thie und Benjamin Görlach, wie der klimaneutrale Umbau des Industriestandorts Deutschland gelingen kann. Alle bisher im Rahmen der Serie erschienenen Beiträge finden Sie hier.

Eines der am häufigsten angeführten Argumente gegen strenge Klimaschutz-Maßnahmen ist die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Und das nicht ganz zu Unrecht. Denn für die deutsche Industrie wäre eine deutlich höhere CO2-Bepreisung zweifellos eine Herausforderung. Zwar werden die Emissionen der inländischen Industrie bereits durch den EU-Emissionshandel (EU ETS) erfasst, sodass für diese CO2-Emissionen ein Preis existiert. Der Preis bewegte sich jedoch für fast ein Jahrzehnt auf einem sehr niedrigen Niveau von unter 10 Euro und ist erst in jüngerer Vergangenheit wieder auf eine Größenordnung gestiegen, die einen spürbaren Anreiz für Klimaschutz-Investitionen schafft.

Die Forderung nach einem noch deutlich höheren CO2-Preis wird oftmals mit dem Argument abgelehnt, dass zusätzliche Belastungen für deutsche Unternehmen nicht verkraftbar seien, da diese im internationalen Wettbewerb stünden und ihre Wettbewerber an anderen Standorten keine vergleichbare Regulierung hätten. In diesem Fall drohten daher ganze Industriezweige in Länder abzuwandern, in denen CO2 weiterhin kostenlos emittiert werden kann. Dieses unter dem Begriff der Carbon Leakage zusammengefasste Argument wird seit langem angeführt, um den Schutz der deutschen und europäischen Industrie vor zu hohen Kosten anzumahnen.

Diesen Sorgen steht jedoch die Notwendigkeit gegenüber, die Treibhausgase in allen Sektoren der Volkswirtschaft zu verringern. Mit 21% der Gesamtemissionen liegt die Industrie hinter der Energiewirtschaft an zweiter Stelle, noch vor dem Verkehr. Zwar sanken die Emissionen der Industrie nach der Wiedervereinigung zunächst deutlich – um 31% von 1990 bis 2002. Seitdem gibt es jedoch im Trend keine Reduktion mehr. In den vergangenen Jahren sind die Industrie-Emissionen sogar wieder gestiegen und lagen 2017 bei 200 Millionen Tonnen.

Eine Besonderheit der Industrie liegt darin, dass ihre Emissionen nicht nur auf der Verbrennung von fossilen Energieträgern beruhen, sondern auch auf prozessbedingten Emissionen

Damit Deutschland sein Klimaziel für das Jahr 2030 tatsächlich erreicht, gibt der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung der Industrie ein Sektorziel von 140-143 Millionen Tonnen CO2 für das Jahr 2030 vor. In wenig mehr als einem Jahrzehnt muss der Sektor seine Emissionen also um rund 30% reduzieren. Um dies zu erreichen, ist ein tiefgreifender Wandel der industriellen Produktion nötig. Dabei stellen sich die folgenden Fragen: Welche Maßnahmen sorgen zielsicher für die Reduktion der Industrie-Emissionen in der nötigen Größenordnung? Welchen Beitrag kann eine umfassende CO2-Bepreisung liefern? Wie würde sich dies auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auswirken? Und wie kann der Staat dafür sorgen, dass genug Geld in die Entwicklung klimafreundlicher Technologien investiert wird?

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