Fiskalpolitik

Wie die „Herren der Modelle“ versuchen, den Outputlücken-Nonsense zu rechtfertigen

In einem ungewöhnlichen Schritt haben führende ÖkonomInnen der EU-Kommission ihr für die Fiskalpolitik in Europa hoch relevantes Modell verteidigt. Die Ergebnisse einer kürzlich erschienenen Studie werfen jedoch ein neues Licht auf einige der vorgebrachten Kritikpunkte. Ein Beitrag von Philipp Heimberger und Jakob Kapeller.

„Falsche Exaktheit ökonomischer Expertise“: Weder das strukturelle Defizit noch die Outputlücke sind direkt beobachtbar. Bild: Pixabay

Seit geraumer Zeit finden lebhafte Debatten über die Ausrichtung der Fiskalpolitik in Europa statt, die sich aller Voraussicht nach im neuen Jahr weiter intensivieren werden. Schließlich erweitert sich mit dem Antritt der neuen EU-Kommission der relevante Problemkomplex: Zur traditionellen Leitfrage der letzten Monate und Jahre – nämlich ob das aktuelle EU-Fiskalregelwerk den erforderlichen Spielraum für wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen in Zeiten des Wirtschaftsabschwungs gewährt – tritt dann eine neue Dimension hinzu: die Frage nach der von der Kommission zumindest implizit angedeuteten Ausweitung der öffentlichen Investitionen zur Bewältigung zentraler Zukunftsherausforderungen, insbesondere der Reduktion des CO2-Ausstoßes im Einklang mit den Pariser Klimazielen.

Auch in diesem Kontext bildet die Fiskalpolitik ein zentrales Spannungsfeld. So ist es fraglich, ob die bestehenden öffentlichen Investitionserfordernisse unter den gegebenen Bedingungen in ausreichendem Maße erfüllt werden können, ohne dass dies mit Verletzungen der geltenden europäischen und nationalen Fiskalregeln einherginge.

Unter dem neuen EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wird es in den kommenden Monaten inhaltliche Diskussionen über eine mögliche Reform der EU-Fiskalregeln geben. In einem Interview kündigte Gentiloni anlässlich seines Amtsantritts bereits an, dass aus seiner Sicht die bestehenden Regeln teilweise gelockert werden sollten, um auf makroökonomische Probleme sowie auf Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel adäquate fiskalpolitische Antworten geben zu können. Bezüglich des Reformprozesses ist mit intensiven und kontroversen politischen Debatten zu rechnen; denn die Regierungen mehrerer EU-Länder – insbesondere Deutschland und die sogenannte „hanseatische Liga“ – demonstrierten im Verlauf der vergangenen Jahre wiederholt ihren politischen Unwillen, Lockerungen der europäischen Defizit- und Schuldenregeln mitzutragen.

Fiskalpolitische Entscheidungen in der EU waren in den letzten Jahren vielfach durch technische Details geprägt

In jedem Fall müssen diese Debatten auf dem Fundament einer fundierten inhaltlichen Analyse der Vorzüge und Probleme des Status Quo stehen und über den Kreis eingeweihter ExpertInnen hinausgehen – was jedoch leichter gesagt als getan ist, allein schon deshalb, weil die EU-Fiskalregeln einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen: Das aktuelle Dokument, mittels dessen die Kommission die Anwendung der bestehenden EU-Fiskalregeln erläutert, umfasst allein rund 100 Seiten.

Mit diesem Artikel versuchen wir daher, zur Aufklärung über die technischen Facetten der EU-Fiskalregeln beizutragen, die politisch von großer Bedeutung sind. Dafür greifen wir auf die Studie „The power of economic models: The case of the EU’s fiscal regulation framework“ zurück, die wir (gemeinsam mit Jakob Huber) vor kurzem in der Fachzeitschrift „Socio-Economic Review“ veröffentlicht haben.

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