Zwei Jahre Trump

„America First“ und der Niedergang des Liberalismus

Zwei Jahre nach Donald Trumps Amtsantritt ist klar: Hier ist eine Kraft am Werk, die die existierende liberale Weltordnung auf den Kopf stellen will – und dies teilweise auch bereits getan hat. Eine Zwischenbilanz von Tilman Eichstädt.

Bild: Pixabay

Als Donald Trump im November 2016 die Wahlen zur US Präsidentschaft gewann, war der Schock in der internationalen Gemeinschaft und in den Leitartikeln der wichtigsten Medien groß. Und Trumps Antrittsrede sollte diese Befürchtungen noch weiter verstärken – offensichtlich war er gewillt, die Rolle der USA in der Welt grundlegend neu zu auszurichten. Mehr Selbstbezogenheit, weniger internationale Verantwortung und keine klassische Diplomatie mehr lautete die Ansage.

Man kann Trump sicherlich vieles vorwerfen, aber in den meisten Bereichen versucht der US-Präsident mehr oder weniger systematisch, seine Wahlkampfversprechen umzusetzen. Im Wechselbad der Twittermeldungen, Drohungen und Personalwechsel geht nur häufig der Überblick verloren: Wo stehen die USA heute, zwei Jahre nach seinem Amtsantritt? Inwieweit hat seine Präsidentschaft sein Land und die Welt verändert?

Innenpolitik

Innenpolitisch kann Trump durchaus eine Reihe von Erfolgen verbuchen. Erstens hat er eine klassisch neoliberale Steuerreform durchgesetzt, die die Belastung der Unternehmen senkt, von der die Reichsten profitieren und die den Staat langfristig durch Einnahmeausfälle schwächen wird. Er hat gegen großen Widerstand zwei Richter für den Obersten Gerichtshof durchgesetzt, die auf der Wunschliste konservativer Thinktanks standen. Er hat eine Reihe von Verschärfungen im Bereich der Einwanderung durchgesetzt, und damit geliefert, was viele seiner Wähler wollten. Wie der Streit mit den oppositionellen Demokraten über die Mauer an der Grenze zu Mexiko ausgeht, bleibt abzuwarten. Die Abschaffung von Barack Obamas Gesundheitsreform ist ihm nur teilweise gelungen.

Vor allem aber läuft bis jetzt die Wirtschaft rund und schafft Jobs und steigende Löhne. Die Wirtschaftsentwicklung gibt Trump aktuell viel Rückenwind, auch wenn es sehr zweifelhaft ist, dass die gute Konjunktur tatsächlich viel mit seiner Politik zu tun hat. Interessant ist, dass das eher sozialdemokratisch eingefärbte Infrastrukturprogramm, das in Trumps Wahlkampf eine große Rolle gespielt hatte, inzwischen praktisch vollständig aus der öffentlichen Diskussion verschwunden ist. Mit der durch die Steuersenkungen steigenden Haushaltsverschuldung ist es höchst unwahrscheinlich, dass Trump hier nochmal maßgeblich von einer angebotsseitigen Wirtschaftspolitik abweichen wird.

Handelspolitik

In der Handelspolitik hat Trump sicherlich den stärksten Bruch zur liberalen Doktrin seiner Vorgänger vollzogen. Er sieht die USA nicht mehr als Gestalterin einer globalen, liberal ausgerichteten Wirtschaftsordnung, sondern als eine starke Teilnehmerin im Wettbewerb der Nationen. Historisch haben sich die USA seiner Meinung nach zu häufig zurückgenommen, um anderen das Mitspielen schmackhaft zu machen. Jetzt, wo fast alle Staaten am globalen Markt teilnehmen, geht es Trump darum, die aus seiner Sicht besten Konditionen für die USA konsequent durchzusetzen. Strafzölle sind dabei das Mittel der Wahl.

Es ist ihm bereits gelungen, durch den Nafta-Nachfolger USMCA die Handelsbeziehungen mit Mexiko und Kanada in seinem Sinne zu verändern. Trump hat einen besseren Marktzugang für Amerikaner zum kanadischen Markt für Milchprodukte erwirkt, und vor allem neue Regeln für den Import von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen durchgesetzt. Damit Autos zollfrei in den Vereinigten Staaten verkauft werden können, muss ein steigender Anteil der Teile auch aus den USA stammen. Zusätzlich muss auch eine bestimmte Quote der Teile von Mitarbeitern hergestellt werden, die mindestens 16 US-Dollar Stundenlohn erhalten. Damit wird die Produktion in den USA und in Kanada gestützt, und die Produktion im günstigen Mexiko, wo aufgrund der deutlich niedrigeren Stundenlöhne in den letzten Jahren viel investiert wurde, geschwächt. So werden erst einmal besser bezahlte Jobs in den USA geschützt und das Abwandern der Industrie in Niedriglohnländer wird erschwert.

Die USA schauen nicht mehr ganzheitlich auf die Welt als Markt für Unternehmen, sondern agieren selbst wie ein Unternehmer, der seine Spitzenposition gegenüber Wettbewerbern absichern will

Bislang wurden die Implikationen dieser verschärften Mindestlohnregeln kaum beachtet, aber sie eröffnen prinzipiell neuen Spielraum, bei Handelsvereinbarungen die Interessen der Arbeitnehmer besser zu berücksichtigen. Für Trump eignet sich die neue Vereinbarung um aufzuzeigen, wie er die stärkere Verhandlungsposition der USA zugunsten der amerikanischen Arbeiter nutzen und gleichzeitig den mexikanischen Aufschwung verlangsamen konnte. Wie ein Unternehmer im Streit um Marktanteile mit Konkurrenten, kann er hier einen klaren Vorteil gegenüber Mexiko deutlich machen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Verhandlungen mit der EU entwickeln, aber auch hier wird Trump alles versuchen, um die USA als Gewinner dastehen zu lassen.

Am dramatischsten zeigt sich der Wandel der USA vom Gestalter globaler Märkte zu einem schlichten Teilnehmer im schwelenden Konflikt mit China, bei dem der reine Handel nur ein Teilaspekt ist und es auch um Technologieführerschaft und geostrategische Fragen (Nordkorea, Taiwan) geht. Trump betrachtet China aus der Perspektive einer Wirtschaftsmacht, der plötzlich ein mächtiger Konkurrent erwächst. Ihm geht es vor allem darum, den Konkurrenten zu schwächen, selbst wenn den USA dadurch kurzfristige Nachteile entstehen sollten.

Aktuell haben beide Seiten einen begrenzten Waffenstillstand bis zum 1. März 2019 verabredet und verhandeln auf höchster Ebene über ein Handelsabkommen. Aber egal, worauf sie sich einigen – die Konkurrenz zwischen den USA und China um die Position als größte Wirtschafts- und Weltmacht wird die zentrale Frage der nächsten Dekade werden. Dabei gilt: Die USA schauen nicht mehr ganzheitlich auf die Welt als Markt für Unternehmen, sondern agieren selbst wie ein Unternehmer, der seine Spitzenposition gegenüber den Wettbewerbern absichern will und seine Macht ausnutzt, um die Konkurrenz zu schwächen – „Win-Win“ war gestern.

Umweltpolitik

Trumps Umweltpolitik reiht sich perfekt in dieses Bild ein. Egal ob es um Regelungen zur Kohle- und Ölgewinnung in den USA geht oder um die globale Klimaerwärmung, im Fokus steht der konsequente Rückbau der Umweltpolitik. Aus Sicht des US-Präsidenten hemmt die Umweltpolitik die Entfaltungsmöglichkeiten der amerikanischen Wirtschaft, so wie ein Betriebsrat und Gewerkschaften es einem Unternehmer erschweren, den Gewinn zu maximieren. Im Wettbewerb der Nationen ist Umweltpolitik vor allem kurzfristig gesehen lästiger Ballast. Hier verhält sich Trump wie ein moderner Manager, der seinen Fokus auf den Gewinn in den kommenden Quartalen und vielleicht im nächsten Jahr legt, aber wenig langfristig plant.

Außen- und Sicherheitspolitik

Die Außenpolitik ist sicherlich der Bereich, in dem noch am wenigsten abzusehen ist, ob und wie sich der US Präsident durchsetzen kann. Offensichtlich ist, dass althergebrachte Bündnisse wie die Nato, Verträge wie die mit dem Iran oder demokratische Werte für ihn wenig bis gar nichts zählen, entscheidend sind Spitzentreffen und Symbole. Ausgewählte Partner wie Israel oder solvente Staaten wie Saudi Arabien werden hofiert, die meisten anderen tendenziell geschnitten oder ignoriert.

Viele von Trumps außenpolitischen Drohungen wurden bislang nur begrenzt umgesetzt, wobei auch hier noch kein abschließendes Urteil gefällt werden kann. Wie der US-Außenexperte Elliot Abrams in der Foreign Affairs schreibt, scheint sich hier der von Trump favorisierte, klassische “Good Cop, Bad Cop”-Verhandlungsansatz durchgesetzt zu haben: Trump geht mit maximalen Drohgesten in die Öffentlichkeit, seine Mitarbeiter müssen dann in einzelnen Gesprächen Lösungen erarbeiten. Was dabei rauskommt, wird sich wie zum Beispiel im Fall Nordkoreas erst langfristig zeigen.

Aktuell hat sich Trump mit Nordkorea, China und Iran aber gleich drei sehr schwierige Themen vorgenommen. Hier ist es fraglich, ob seine Methode nachhaltigen Erfolg haben wird. Vielmehr entsteht ein Risiko, dass China und gegebenenfalls auch Russland sowohl den Iran als auch Nordkorea in ihren Bestrebungen wieder verstärkt unterstützen, um die US-Politik zu unterlaufen. Sie könnten so die außenpolitische Aufmerksamkeit und Kapazität der USA und des Westens binden, und an anderen Stellen der Welt ungestörter selbst die Politik gestalten.

In der Summe ist die US-Außen- und Sicherheitspolitik unter Trump sicherlich der Bereich, der am wenigsten einem roten Faden folgt. Klar ist, dass er massiv in die Verteidigung investiert und Drohungen nutzt so viel er kann, militärische Macht geht ihm vor Bündnissen und Vereinbarungen. Die folglich steigende Unsicherheit und Unberechenbarkeit der Politik bedeutet, dass die Friedensdividende, von der vor allem Europa seit dem Ende des Kalten Kriegs massiv profitierte, zukünftig kleiner wird.

„The business of nations is nationalism“

Die Analyse seiner wichtigsten politischen Entscheidungen zeigt: Hier ist eine Kraft am Werk, die die existierende liberale Weltordnung auf den Kopf stellen will – und dies teilweise auch bereits getan hat. Dies wird deutlich, wenn man den Umsetzungsstatus von Trumps Wahlkampfversprechen in eine Matrix einordnet, die sortiert, wie sehr einzelne Maßnahmen im Widerspruch zum zuvor praktizierten Liberalismus amerikanischer Bauart stehen:

 

Konsequenter Eigennutz und kurzfristiger Vorteil sind das neue Leitbild der amerikanischen Politik. Damit pervertiert Donald Trump die Werte des (Neo-)Liberalismus, in dem er als Staatschef so handelt, wie aus neoliberaler Sicht ein privatwirtschaftlicher Manager oder Unternehmer handeln sollte – konsequent eigennützig. Internationale Institutionen, Vereinbarungen und Klimaverträge werden geschwächt und aufgelöst, so wie im Neoliberalismus dereguliert und verschlankt wird. Trump forciert den Wettbewerb der Nationalstaaten, da er hier die USA in einer starken Position sieht.

Die von Margret Thatcher und Ronald Reagen in den 1970er und 1980er Jahren durchgesetzte neoliberale Reformation der westlichen Wirtschaftssysteme folgte dem Mantra von Milton Friedman und den Chicago Boys: „The business of business is business“. Das Mantra der Trump´schen Politik ist die konsequente Fortschreibung dieser Logik auf nationaler Ebene: „The business of nations is nationalism“.

Es geht für die USA nicht mehr darum, ein liberales Wirtschaftssystem für die Welt zu gestalten, sondern so schnell und so viel wie möglich zu profitieren. Langfristiges Denken und Gestalten sowie verantwortliches Handeln sind passé. In Trumps Welt gibt es kein globales Wir und keine ganzheitliche Verantwortung, sondern nur Gewinner und Verlierer im Wettbewerb. Die Politik arbeitet mit Versprechungen und Drohungen, die Entwicklung von grundsätzlichen Regeln oder moralischen Verpflichtungen ist hinderlich, ähnlich wie aus Sicht vieler Hedgefonds oder Investmentbanken.

Der globale Liberalismus mit dem Fokus auf den Wettbewerb der Unternehmen auf Basis internationaler Regeln wird verdrängt vom ungeregelten Wettbewerb der Nationen

Obwohl Trumps Handeln oft erratisch wirkt, kann man seiner Politik eine logische Konsequenz nicht absprechen. Die USA haben seit dem Zweiten Weltkrieg eine liberale Weltordnung entwickelt, die so attraktiv war, dass alle Länder an ihr und ihren Institutionen wie der WTO teilhaben wollten. Jetzt, wo alle mitspielen, hat Trump erkannt, dass man die Spielregeln auch beugen kann, um die Spitzenposition der USA sicherzustellen. Der globale Liberalismus mit dem Fokus auf den Wettbewerb der Unternehmen auf Basis internationaler Regeln wird verdrängt vom ungeregelten Wettbewerb der Nationen. Multinationale Unternehmen müssen dabei jederzeit damit rechnen, zum Spielball in Konflikten zu werden. Eines der ersten prominenten „Opfer“ dürfte aktuell der Mobilfunkausstatter Huawei sein, dem auf Grund von Spionagevorwürfen der Marktzugang in immer mehr Märkten versperrt wird.

Die aktuelle Renaissance des Nationalismus mit Trump als prominentestem Beispiel muss man daher als Gegenbewegung zum freiwilligen Abbau nationaler Souveränität in neoliberalen Wirtschaftsräumen lesen. In der Bankenkrise wurden zahlreiche Maßnahmen zur Rettung privater Banken von Politikern als alternativlos dargestellt. Dafür dominieren jetzt Politiker, die nationales Handeln in den Fokus stellen. Die Ideengeber und Verfechter einer liberalen Weltordnung wirken dagegen verzweifelt und ratlos, wie nicht zuletzt auch das jüngste Weltwirtschaftsforum Davos deutlich gemacht hat. Der Trump-Schock ist inzwischen über zwei Jahre alt – aber ein konstruktiver und attraktiver Gegenentwurf ist zumindest auf den höchsten politischen Ebenen weit und breit nicht in Sicht.

 

Zum Autor:

Tilman Eichstädt ist seit 2014 Professor für Logistik und Supply Chain Management an der bbw Hochschule. Er beschäftigt sich vor allem mit Verhandlungen und dem Einsatz und der Entwicklung von Verhandlungsmacht. Parallel zu seiner Tätigkeit an der Uni leitet er den Einkauf für HelloFresh International.