In der vorletzten Woche sorgte der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) international für Schlagzeilen. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt hatte er die Schaffung eines von den USA unabhängigen globalen Zahlungssystems gefordert. Maas` Vorstoß war eine Antwort auf die Versuche Washingtons, den Iran vom momentanen System abzuschneiden, was es der Europäischen Union so gut wie unmöglich machen würde, ihren im Atomabkommen gegebenen Zusagen nachzukommen.
Maas argumentierte, dass Deutschland und seine Partner einen Europäischen Währungsfonds (EWF) und eine Alternative zu SWIFT gründen sollten. SWIFT ist ein Finanzdienstleister, der für grenzüberschreitende Zahlungen genutzt wird. Das Unternehmen hat seinen Sitz zwar in Belgien, wurde aber von den USA in der Vergangenheit genutzt, um US-Sanktionen umzusetzen.
Maas macht einen wichtigen Punkt: Wenn die USA die Sanktionen gegen den Iran wieder einführen und drohen, europäische Firmen und Individuen, die mit dem Land Geschäfte machen, ebenfalls mit Sanktionen zu belegen, dann scheint Europa nur wenig Spielraum zu haben, um finanzielle Anreize zu setzen, die das Atomabkommen zusammenhalten. Dieses Dilemma demonstriert, dass ein starkes ökonomisches Fundament ebenso eine Voraussetzung für eine unabhängige Außenpolitik ist, wie jede wahre globale Handelsmacht auch militärische Macht braucht.
Es braucht mehr als ein eigenes Zahlungssystem
Es ist also nichts Falsches an dem Versuch, ein alternatives Zahlungssystem zu entwickeln. Allerdings ist eine solche Struktur zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung, um von den USA finanziell unabhängig zu sein, wie Wolfgang Münchau in der Financial Times richtigerweise betont.
Der US-Dollar ist in einen großen Teil der im internationalen Handel vollzogenen Zahlungen involviert. Selbst um Euros in eine Drittwährung zu tauschen, muss man diese in vielen Fällen zunächst in Dollar umtauschen. Da Dollar-Zahlungen üblicherweise durch die USA fließen, kann Washington auch solche Zahlungen verhindern, die – wenn überhaupt – nur in einer geringen Beziehung zum Land stehen. Beispielsweise waren die USA in der Lage, gegen BNP Paribas wegen des Bruchs von Sanktionen eine Rekordstrafe von 8,9 Milliarden US-Dollar zu verhängen, weil die Bank einige Zahlungen von ihrem Büro in Genf an eine andere französische Bank in US-Dollar gemacht hatte.
Wenn Maas also wirklich will, dass die Europäer weniger anfällig für amerikanische Erpressungen sind, dann muss er einen Schritt weiter gehen: Er muss den Euro aktiv als Schlüsselwährung promoten – mit dem Ziel, die Nutzung von Euro und Dollar global anzugleichen. Nur dann könnte Europa leicht auf Zahlungskanäle wechseln, die die Grenzen und das Finanzsystem der USA umgehen.
Wie Münchau deutlich macht, würde es eine Reihe von Veränderungen in der EU-Wirtschaftspolitik erfordern, um Menschen davon zu überzeugen, den Euro für globale Transaktionen zu nutzen. Ausländer werden nur gewillt sein, internationale Reserven in Euro zu halten, wenn sie sich darauf verlassen können, dass die Währungsunion stabil und relativ krisenfrei bleiben wird. Doch die bisherigen Reformen der Euro-Finanzarchitektur haben es wohl nicht geschafft, dieses Vertrauen herzustellen. Investoren müssten zudem auf ein risikofreies und in Euro denominiertes Wertpapier zurückgreifen können. Deutsche Bundesanleihen könnten ein solches Asset sein, aber die Schuldenbremse und die überambitionierte deutsche Fiskalpolitik schränken das Angebot an diesen Bonds erheblich ein.
Das deutsche Wirtschaftsmodell und der Euro
Und es gibt für den Euro noch andere Hindernisse auf dem Weg zur internationalen Reservewährung. Dazu zählt auch das deutsche Wirtschaftsmodell, das auf dem Export von Industrieprodukten basiert.
Weil eine Schlüsselwährung von großen Teilen der Welt verwendet wird, gibt es eine konstante Nachfrage nach dieser Währung, die mit dem globalen Einkommen und Vermögen wächst. Dies impliziert, dass die Währung unter permanentem Aufwertungsdruck steht, wie der belgisch-amerikanische Ökonom Robert Triffin mit Blick auf die Entwicklung des Dollars in den 60er Jahren feststellte. Dies führt wiederum zu einem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit im verarbeitenden Gewerbe, einem Handelsdefizit und letztlich zur Deindustrialisierung.
Triffins Argument hat eine historische Basis: Als das britische Pfund noch zu den globalen Schlüsselwährungen zählte, litt Großbritannien unter einem Verlust von preislicher Wettbewerbsfähigkeit und dem Niedergang verschiedener Industriezweige. Die USA haben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen ähnlichen Trend erlebt.
Dieser Konflikt zwischen der Schaffung einer internationalen Währung und dem Verfolgen eines auf Industrieexporten basierenden Wachstumsmodels war einer der Gründe für die jahrzehntelange Opposition der Bundesbank gegen die internationale Verwendung der D-Mark. Im Zuge des deutschen Wirtschaftswunders hatten internationale Investoren zunehmend Zugang zur Mark gesucht. Doch bis in die frühen 80er Jahre hinein bremste die Bundesbank aktiv deren Internationalisierung, genauso wie grenzüberschreitende Kapitalflüsse im Allgemeinen. Sogar heute noch führen deutsche BWL- und VWL-Wörterbücher manche der damals zu diesem Zweck verwendeten Instrumente auf – wie z. B. die „Barreserve“, die es für deutsche Firmen unattraktiv machte, sich im Ausland Geld zu leihen.
In den 1990ern bremsten die Deutschen auch die Versuche, den Euro nach seiner Einführung zu einer internationalen Währung zu machen (im Gegensatz zu den Franzosen, die diesen Bestrebungen viel positiver gegenüberstanden). Natürlich kann man diese Position heute überdenken. Die Zeiten haben sich geändert: Da sich die Werte und Interessen Deutschlands und der USA so eindeutig auseinanderentwickeln, gibt es heutzutage wohl eine größere Notwendigkeit für eine europäische Finanz-Souveränität. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein größerer globaler ökonomischer Einfluss eben auch erhebliche Konsequenzen für die heimische Wirtschaft hat.
Zum Autor:
Sebastian Dullien ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR), auf dessen Homepage dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist. Auf Twitter: @SDullien