Haushaltspolitik

Wir brauchen eine positive Investitionsquote

Für seinen nicht gerade investitionsfreudigen Haushaltsentwurf hat Olaf Scholz heftige – und teils überzogene – Kritik einstecken müssen. Die Debatten zeigt auch, wie wichtig es vor allem für die SPD wäre, sich endlich grundsätzlich mit dem Sinn und Zweck der Schuldenbremse auseinanderzusetzen. Ein Kommentar von André Kühnlenz und Philipp Stachelsky.

Foto: Pixabay

Mag sein, dass wir in Deutschland mittlerweile fast menschenleere Regionen haben, die keine Krankenhäuser, keine Schulen, keine Kindergärten, keine Rathäuser, keine Sozialeinrichtungen oder auch keine Kasernen mehr brauchen. Oder dass es auch egal ist, in welchem Zustand die Strassen und Brücken in diesen Regionen sind, weil sich dort eh nur noch die Wölfe, die dort inzwischen wieder leben, „Gute Nacht“ sagen. Wir wissen es nicht so genau, denn niemand legt uns nachvollziehbare Schätzungen dazu vor, auch nicht die sogenannten „Wirtschaftsweisen“, also der für Wirtschaftsfragen zuständige Sachverständigenrat der Bundesregierung.

Was wir aber wissen, ist folgendes: Das Statistische Bundesamt (Destatis) weist mittlerweile eine Investitionslücke von 83 Milliarden Euro in der öffentlichen Infrastruktur aus. Diese Summe, seit 2003 in Deutschland aufgelaufen, hätten Bund, Länder und vor allem die Gemeinden allein für den Werterhalt der Infrastruktur wie öffentliche Gebäude und Straßen ausgeben müssen. Zählt man alle „Nettoanlageinvestitionen in Nichtwohnbauten der öffentlichen Hand“ – so die offizielle Destatis-Bezeichnung – seit der Einheit zusammen, kommen wir auf einen Negativsaldo von 27 Milliarden Euro. Wir haben uns den Einheitsboom durch Verschleiss praktisch komplett weggespart, wie wir an anderer Stelle schon häufiger ausgeführt haben.

Und dies sind nur die nackten amtlichen Zahlen. Sie geben allerdings wohl noch nicht die gesamte rechnerische Abnutzung der Infrastruktur objektiv wieder, weil die 83 Milliarden ein Mittelwert sind: Darin gehen sowohl Regionen ein, die mehr investieren als für den Werterhalt notwendig ist, als auch Regionen, die aus welchen Gründen auch immer kein Geld dafür ausgeben. Subjektiv liegt der Investitionsbedarf, inklusive aller Wunschvorstellungen, jedenfalls deutlich höher. In der aktuellsten Umfrage der staatlichen Förderbank KfW gaben die Kommunen zuletzt eine Summe von 126 Milliarden Euro an. Wer sich also unbefangen dem Investitionsbedarf nähert, würde ihn aufgrund amtlicher Zahlen und Umfragen irgendwo zwischen 83 und 126 Milliarden Euro verorten.

Doch wenn wir nur wüssten, was davon wirklich relevant ist. Eine Antwort könnten uns Ökonomen wie Lars Feld vom Sachverständigenrat geben, der sich mittlerweile auch auf Twitter tummelt und mit dem man dort erfreulich offen auf höchstem Niveau über Wirtschaftsfragen debattieren kann. Nur bei diesem einem Thema, dem objektiven Investitionsbedarf der öffentlichen Hand wird Feld dann doch arg einsilbig.

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