Kein Zweifel: Wir brauchen Menschen, die unermüdlich und faktenbasiert gegen die weitverbreitete Leugnung des Klimawandels, gegen die Verschwendung von Ressourcen und gegen Umweltverschmutzung ankämpfen. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet der Journalist George Monbiot mit seinen regelmäßigen Kolumnen im Guardian.
Doch in seiner aktuellen Kolumne führt Monbiot seine Leser in die Irre, indem er das Wirtschaftswachstum insbesondere in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften als die Umweltbedrohung schlechthin ausmacht. Und Monbiot ist mit dieser These nicht allein – Wachstumskritik ist bei vielen Teilen der Umweltbewegung en vogue. Doch das wahre Problem ist vielmehr das bereits existierende Volumen und die Struktur der Produktion.
Dies lässt sich leicht mittels einer einfachen Rechnung zeigen. Die Wirtschaftsleistung jedes Landes geht mit einer bestimmten Menge von CO2-Ausstoß, Verschmutzung und Ressourcenverbrauch einher, was ich im Folgenden unter „Umweltschäden“ zusammenfasse. Deren Ausmaß hängt davon ab, welche Güter wir wie produzieren (lassen Sie uns der Einfachheit halber vernachlässigen, dass natürlich aufgrund des globalen Handels die Produktion und der Konsum eines Landes nicht zwangsläufig deckungsgleich sind).
Die verursachten Umweltschäden sind dabei kumulativ: Die Produktion eines Jahres addiert sich zur Produktion der Vorjahre hinzu. In der öffentlichen (Klima-)Debatte wird häufig ein Zeitraum bis zum Jahr 2050 betrachtet, auch Monbiot tut dies in seinem Artikel. Nehmen wir also an, dass die Wirtschaft eines Landes in den nächsten 33 Jahren gar nicht wachsen und ihre momentane Produktionsstruktur beibehalten würde. Nun geben wir dieser Wirtschaft einen jährlichen Umweltverschmutzungsscore von 100 Punkten.
Bis zum Jahr 2050 würde unsere Beispiel-Ökonomie selbst ohne Wachstum einen kumulierten Umweltschaden von 3.300 Punkten produzieren. Stellen wir diesem Wert nun eine jährliche Wachstumsrate von durchschnittlich ein oder zwei Prozent gegenüber, wie sie derzeit die Regel in der industrialisierten Welt ist: Im Falle eines durchschnittlichen Wachstums von 1% würden die kumulierten Umweltschäden bis 2050 3.887 Punkte betragen. Bei 2% wären es 4.611 Punkte.
Natürlich sind das keine trivialen Unterschiede: Bei einer schnelleren Wachstumsrate lägen die verursachten Schäden bis 2050 um rund 40% höher. Allerdings würde ich argumentieren, dass eine andere Betrachtungsweise hier deutlich aussagekräftiger ist: Im 1%-Szenario würde die Marke von 3.300 Punkten Ende 2045 statt 2050 erreicht werden, im 2%-Szenario Mitte 2043. Und selbst wenn die Wirtschaft pro Jahr um 1% schrumpfen würde, würden wir die 3.300-Punkte-Marke schon Anfang 2057 erreichen.
Ein Szenario ohne Wachstum verschafft uns also nur ein paar Jahre mehr Zeit – aber es löst unser Grundproblem nicht. Ob wir mehr oder weniger Wachstum erzielen, ist nicht entscheidend. Existenziell ist vielmehr die Struktur unserer Produktion und unseres Konsums.
So mag etwa die Abholzung des Hambacher Forstes zugunsten des Braunkohle-Abbaus eine bedauerliche politische Entscheidung sein, aber sie hat so gut wie nichts mit der künftigen Wachstumsrate der deutschen Wirtschaft zu tun. Anders sieht die Sache natürlich in manchen Teilen Asiens oder Afrikas aus. Dort sind Wachstumsraten von um die 7% keine Seltenheit, was bedeutet, dass sich der jährliche Output innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt. Aber die Lebensstandards liegen dort deutlich unter denen der westlichen Welt – was bedeutet, dass eine bewusste Wachstumsabschwächung knallharte globale Gerechtigkeitsfragen aufwirft, wie etwa Branko Milanovic zeigt.
Richtig ist, dass die Herausforderung, die Umweltschäden in der westlichen Welt zu begrenzen und Zeit für technologische Innovationen und strukturellen Wandel zu kaufen, etwas einfacher wird, wenn das Wachstum schwächer ausfällt. Wenn die Menschen immer noch Jobchancen haben sollen, dann würde ein Nullwachstum-Szenario die Reduzierung von Arbeitszeiten implizieren. Dies wiederum wird kaum möglich sein, ohne die bestehenden, und in vielen Fällen wachsenden, Einkommens- und Vermögensungleichheiten zu adressieren. Vermutlich ist es allerdings schwieriger dieses Problem anzugehen, wenn der Kuchen nicht mehr wächst.
Neben bekannten Werkzeugen zur Veränderung von Produktions- und Konsumstrukturen (z. B. Förderung von technologischen Lösungen, Veränderung von relativen Preisen durch Besteuerung, Investitionen in die öffentliche Infrastruktur) sollten sich die politischen Bestrebungen an dieser Stelle konzentrieren. Gelingt uns das nicht, wird auch „Nullwachstum“ definitiv nicht ausreichen. Dann müssten wir eine dauerhafte, historisch noch nie dagewesene, Kontraktion der Produktion organisieren. Oder, was derzeit wahrscheinlicher erscheint, diese wird der Menschheit durch eine ökologische Katastrophe, Hungersnot und/oder Krieg aufgezwungen.
Zum Autor:
Andrew Watt ist Referatsleiter europäische Wirtschaftspolitik und stellvertretender Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Außerdem betreibt er den Blog €-Vision, wo dieser Beitrag zuerst auf Englisch erschienen ist. Auf Twitter: @AndrewWattEU