Konjunktur

Schalten die USA noch einmal in einen richtigen Aufschwungmodus?

Seit Monaten erholen sich in den USA die Investitionen in neues Kapital. Doch noch immer deutet vieles daraufhin, dass der aktuelle US-Konjunkturzyklus in seinen letzten Zügen liegt.

Die Wirtschaftsleistung in den USA ist im zweiten Quartal um 0,6% gewachsen, wie das Handelsministerium am Freitag vermeldet hatte (nach US-Rechnung sind das 2,6% auf das Jahr hochgerechnet). Damit wuchs die amerikanische Wirtschaft also langsamer als die Spaniens oder Österreichs, wo der Zuwachs jeweils bei außerordentlich starken 0,9% lag. Deutschland veröffentlicht erst in gut zwei Wochen eine erste Schätzung, und die Schweiz kommt noch später. Aber die Wachstumsraten, die bereits in allen Nachrichtenkanälen vermeldet wurden, interessieren uns hier im Taktikblog der Konjunkturanalyse ohnehin weniger.

Hier geht es um die tieferliegenden Trends, die den Konjunkturverlauf bestimmen, also vor allem um die Frage: wie entwickeln sich die Neuinvestitionen relativ zum Rest der Ausgaben eines Landes? Denn die Neuinvestitionen oder die Nettoinvestitionen messen, was eine Volkswirtschaft für den Aufbau des Kapitalstocks (Maschinen, Anlagen, Geräte, Patente usw.) ausgibt. Und in den USA können wir immer wieder besonders gut beobachten, wie die Neuinvestitionen im Aufschwung schneller wachsen als die Gesamtausgaben, besonders der Konsum.

Wachsen die Neuinvestitionen schneller, so beschleunigt sich auch die Kapitalakkumulation, die nun einmal in jeder Marktwirtschaft das Konjunkturgeschehen bestimmt. Umgekehrt muss eine sinkende Investitionsquote (die zeigt, dass die Neuinvestitionen langsamer wachsen als die Gesamtausgaben) nicht gleich bedeuten, dass ein Land sofort in die Rezession abrutscht. Genau das sehen wir in den USA – seit Ende 2015 sinkt die Investitionsquote im 12-Monats-Trend, aber von einer Wirtschaftskrise ist trotzdem keine Spur:

Graue Bereiche = Rezessionen nach Definition des NBER. Quellen: BEA | @KeineWunder | www.fuw.ch | Stand: 28.7.2017

Als im Dezember 2016 plötzlich ein kräftiger Investitionsschub einsetzte (zum Großteil in der Energiebranche), war dem eine Erholung der Gewinne vor allem in der Auslandproduktion und im Finanzwesen vorausgegangen. Der kurzfristige Schub macht sich nun mittlerweile auch im 12-Monats-Trend der Investitionsquote bemerkbar. Im Quartalsvergleich (auf Jahressicht) steigt die Investitionsquote bereits das zweite Quartal in Folge.

Nachlaufende 4-Quartalssummen; Graue Bereiche = Rezessionen nach Definition des NBER. * Neubestellungen und Auslieferungen ziviler Investitionsgüter ohne Flugzeuge. Quellen: US Census, BEA | @KeineWunder | www.fuw.ch | Stand: 27.07.2017

Was uns zu der historischen Beobachtung führt, die wir im State of Swing-Blog bereits an anderer Stelle thematisiert hatten: Solch eine Erholung bei tendenziell sinkender Investitionsquote trat bereits zwei Mal, nämlich in den Sechziger- und den Achtzigerjahren, auf – es gibt keinen richtigen Aufschwung im falschen. Kurz bevor die Investitionsquote zu steigen beginnt, dreht sie wieder ins Negative und leitet somit die verzögerte Rezession ein. Allerdings wissen wir nicht, ob sich dieses Szenario jetzt gerade genau so wiederholt.

So ist es immerhin schön zu sehen, dass die Bestellungen bei den amerikanischen Kapitalgüterproduzenten (zivile Investitionsgüter ohne Flugzeuge) einem sehr guten Gleichlauf mit den Investitionen folgen. So können wir jedenfalls frühzeitig erkennen, ob sich das Szenario wie in den Sechziger- oder den Achtzigerjahren wiederholen wird. Die jüngsten Daten, die am Donnerstag veröffentlicht wurden, lassen dies bislang aber nicht einmal erahnen.

Quellen: US Census | @KeineWunder | www.fuw.ch | Stand: 27.07.2017

Die Alternative wäre, dass die Gewinne weiter wachsen (durch Großkonzerne getrieben und vom Aufschwung in Europa beflügelt) und die USA tatsächlich wieder in einen richtigen Aufschwungmodus umschalten. Wahrscheinlicher scheint mir aber, dass sich das Jobwachstum in den nächsten Monaten so stark verlangsamt, dass sich ein Nachfrageschwund bei den Unternehmen bemerkbar machen wird. Und natürlich muss man immer darauf hinweisen, dass auch unvorhergesehene Ereignisse an den Finanzmärkten alle Hoffnungen zerstören könnten.

 

Zum Autor:

André Kühnlenz ist Redakteur bei der Finanz und Wirtschaft. Außerdem bloggt er auf weitwinkelsubjektiv.com.

Hinweis:

Dieser Beitrag ist ebenfalls im The State of Swing-Blog der Finanz und Wirtschaft erschienen. In Kooperation mit der FuW veröffentlichen wir die Blog-Beiträge auch im Makronom.