Ökonomisches Quartett

Fragen und Antworten zum Handelsstreit-Podcast

In der Vorwoche ist die erste Folge des Ökonomischen Quartetts erschienen. Künftig werden wir mit etwas Abstand zur Erstausstrahlung einen Nachklapp veröffentlichen, in dem die Gäste auf ausgewählte Hörer-Fragen eingehen. Hier die erste Ausgabe.

In der Vorwoche haben wir die erste Folge des Ökonomischen Quartetts veröffentlicht. Dabei handelt es sich um einen Podcast, in dem einmal pro Monat Experten über aktuelle ökonomische Themen debattieren werden. In der Pilot-Sendung ging es um den von Donald Trump angezettelten Handelsstreit. Zu Gast waren Angela Stanzel, Rüdiger Bachmann und Jens Südekum.

Das monatliche Erscheinen macht es natürlich schwierig, zeitnah auf Fragen einzugehen, die sich nach dem Hören des Podcasts ergeben. Daher haben wir uns entschieden, künftig einen Nachklapp in Textform zu veröffentlichen, in dem die Gäste der Sendung ausgewählte Hörer-Fragen beantworten. Hier die erste Ausgabe.

Mich würde eine Einschätzung interessieren, inwiefern auch Menschenrechtsfragen bei solchen eigentlich rein ökonomischen Dingen eine Rolle spielen. Sprich: Habt ihr den Eindruck, dass beispielsweise die deutsche Regierung mit der chinesischen Seite im Rahmen von Handelsgesprächen auch über die Repressionen politischer Gegner diskutiert und Fortschritte einfordert? Oder sind das komplett unterschiedliche Sphären?

Angela Stanzel: Menschenrechtsfragen spielen bei der deutschen Regierung durchaus eine Rolle, zumindest seitdem Angela Merkel Kanzlerin ist (und vor allem im Gegensatz zu Gerhard Schröder). Bei jedem China-Besuch, auch wenn dieser in Begleitung von 100 Wirtschaftsvertretern stattfindet, wird die Menschenrechtslage in China angesprochen. Wirtschaftsminister Gabriel insbesondere hatte nicht nur die wirtschaftliche Entwicklungen Chinas kritisiert, sondern auch die Menschenrechtslage. Außenminister Maas ist jüngst mit einer Wirtschaftsdelegation nach China gereist und hat dort auch die verheerende Situation der Uighuren in Xinjiang angesprochen.

Aus Sicht der chinesischen Regierung waren deutsche Politiker aber immer berechenbar: Man hat die Kritik halt hingenommen, denn wirtschaftlich lief es ja dennoch gut. Aber auch das ändert sich und China nimmt diese Kritik immer weniger hin. Dies zum einen, da China sich immer selbstbewusster gibt und sich nichts mehr sagen lassen will (da wird nun auch deutschen Abgeordneten gedroht, sich nicht zu Xinjiang zu äußern!). Zum anderen sieht China durchaus die Gefahr, dass das China-Image in Deutschland immer negativer wird und es ja nun auch wirtschaftlich zunehmende Kritik aus Deutschland gegenüber China gibt (z.B. zu den im Podcast angesprochenen Themen chinesische Investitionen in Deutschland und fehlende Marktöffnung in China).

Vorab-Hinweis: Die Fragen und Antworten des nächsten Abschnitts basieren auf einer von Paul Hünermund angestoßenen Twitter-Debatte.

Warum ist die Angst vor einem Technologie-Klau durch China eigentlich so groß? Es ist doch gerade „Tacit Knowledge“, die einen kompetitiven Vorteil erzeugt. Und das kann man eben nicht so einfach kopieren, nur weil man sich einen Mehrheitsanteil an einer deutschen Firma kauft. Mir ist jetzt auch nicht bekannt, dass deutsche Ingenieure in Scharen nach China abwandern würden. Und selbst da wäre es fraglich, ob das für den Knowledge Exchange hinreichend wäre.

Jens Südekum: Es ist eine Frage von Reziprozität. Wenn deutsche Firmen via Einbahnstraße Kapital aus China importieren, dort selbst aber nicht oder nur kaum in den Markt kommen und parallel einen großen Leistungsbilanzüberschuss (Kapitalexport) mit dem Rest der Welt bilden, erscheint mir das gesamtwirtschaftlich fragwürdig.

Das sind jetzt zwei Dimensionen. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn China sich weiter öffnen und zum Beispiel den Joint-Venture-Zwang abschaffen würde. Das wird so schnell aber wohl nicht passieren. Die Frage ist dann aber, ob man deswegen Kapitalimporte aus China auch unterbinden muss. Und das sehe ich nicht. Speziell aber zum Technologieabfluss/-klau wundert es mich aber schon, warum davor so eine große Angst besteht, wo doch „Codified Knowledge“ eigentich keine Quelle für kompetitiven Vorteil sein kann.

Jens Südekum: Natürlich sind das zwei Dimensionen, weil es in der Politik (anders als in der akademischen Welt) immer um viele Sachen gleichzeitig geht. Nichts gegen chinesisches Kapital, wenn das Land sich öffnet und Vertrauen aufbaut – was es aber nicht tut. Also kann ein Land wie Deutschland mit einem Leitungsbilanzüberschuss/Kapitalexport von rund 300 Mrd. Euro auch gut drauf verzichten. In technologieintensiven Sektoren mit strategischem Wert, versteht sich – ob Chinesen hier irgendwelche Spielzeughersteller oder Metzgereien aufkaufen, ist mir persönlich egal.

Aber die implizite Annahme ist doch, gerade wenn wir von „strategisch wichtigen“ Sektoren sprechen, dass die Chinesen einfach alle unsere Technologien klauen und dann ihren Benz selber produzieren (überspitzt ausgedrückt). Das deckt sich aber meiner Meinung nach nicht mit dem was wir über „International Knowledge Sourcing“ wissen. Zumindest ist es nicht einfach damit getan, ein paar Milliarden im Ausland zu investieren, um sich dann alles unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest ist. Von daher halte ich die Sorge über den Technologieklau auch für reichlich überzeichnet. Oder man geht zumindest von einem recht simplen Verständnis von Innovationen aus (vielleicht trifft das in der Pharmabranche zu).

Jens Südekum: Auf was für Ländern/Flows basiert denn dieses „Wissen“? Es mag stimmen, dass China nicht morgen anfangen kann, High-Tech-Roboter zu bauen. Aber nochmal: Ich muss doch mein Silberbesteck schützen vor Ländern, die ihres auch zurückhalten. Alles andere ist meines Erachtens naiv.

Die meisten Studien verwenden Patentdaten. Ein Klassiker ist:

Die Literatur on International Knowledge Sourcing nimmt hauptsächlich eine betriebswirtschaftliche Perspektive ein:

Zumindest ist es in einem wissensintensiven Wettbewerb also nicht so einfach, das Silberbesteck zu stehlen. Auf der Hut sollte man deswegen aber trotzdem sein, klar.

Jens Südekum: Letztlich sind wir uns doch weitgehend einig. Natürlich soll chinesisches FDI nicht generell verboten werden. Aber das Bundeswirtschaftsministerium und die EU-Kommission müssen bei wichtigen Fällen prüfen und gegebenenfalls blocken. Das machen die USA, Großbritannien etc. auch so.

Warum konkret sollte Trumps expansive Fiskalpolitik nicht lange durchhaltbar sein?

Rüdiger Bachmann: Ich werde keine Prognose darüber treffen, wie lange genau die expansive Fiskalpolitik durchzuhalten sein wird oder nicht. Wir sagten ja im Quartett, dass diese noch eine Weile gehen kann. Aber es gibt natürlich Gründe, dass sie auch nicht ewig wird dauern können: Erstens fährt die US-Ökonomie schon jetzt ziemlich am Limit. Klar, es gibt noch eine stille Reserve derjenigen, die in der letzten Rezession den Arbeitsmarkt verlassen haben, aber deren Qualifikationsniveau könnte sich inzwischen eher aufs Gaming beziehen als auf Arbeitsmarktfähigkeit (siehe die Arbeiten von Eric Hurst und Koautoren). Die Opiatekrise in den USA muss hier auch genannt werden.

Zweitens wird die US-Notenbank Federal Reserve deshalb weiter die Zinsen erhöhen, und irgendwann werden auch die Kapitalmärkte angesichts des großen Defizits nervös und werden Zinsaufschläge verlangen. Drittens ist die politökonomische Situation ja für Trump mit einem geteilten Parlament nicht gerade einfacher geworden. Und anders als in der Außenpolitik, in der der US-Präsident nahezu allmächtig ist, braucht Trump für den Haushalt das Parlament. Warum sollen ihm da die Demokraten weiterhin zu einer brummenden Konjunktur verhelfen?

Die Frage kam von einem bekennenden MMTler, insofern kenne ich ihre Stoßrichtung  natürlich. Aber erstens ist die Fed in den USA nun mal kein verlängerter Arm des Finanzministeriums (und das wird sich so schnell auch nicht ändern), d.h. der MMTler müsste dann mit der schon einmal unter Obama diskutierten Milliarden-Dollar-Münze argumentieren, die aber auch nicht kommen wird, etc. Und selbst MMTler geben ja zu, dass man eine Wirtschaft nahe der Kapazitätsgrenze kaum weiter stimulieren kann.

War China nicht gerade deshalb so enorm erfolgreich, weil es auf „neoliberale Patentrezepte“ gepfiffen hat?

Rüdiger Bachmann: Ja, das mag sein, wobei für mich neoliberal ein dummer Kampfbegriff ist. Wenn damit gemeint sein sollte, dass es keine Mainstream-Argumente für Industriepolitik gebe, dann ist das schlicht falsch. Die gibt es, und sind ja auch uralt. Dennoch muss man die Kirche auch im Dorf lassen: Was China im Wesentlichen bisher betrieben hat, ist sogenanntes Catch-up Wachstum. Das heißt, man hat im verarbeitenden Gewerbe von den Technologieführern der Welt gelernt, und dann massiv Arbeitsplätze von der Landwirtschaft in das verarbeitende Gewerbe umgelagert. Natürlich ist es toll, wie das gelang, und angesichts der Tatsache, wie vielen Ländern das nicht gelingt, auch irgendwie bewundernswert.

Aber: es ist jetzt auch nicht so schwer. China hatte vielleicht mit Ausnahme der letzten Phase des Kaiserreiches und der Kriegsjahre immer einen guten Staatsapparat, der einigermaßen effektiv und effizient gearbeitet hat. Das kam China danach auch zu Gute, denn man setzte letztlich auch weiter auf die Bildung der Massen. Insofern war auch die Humankapital-Produktion schon da.

Die spannende Frage ist doch, ob man einen brutalen Staatskapitalismus mit Technologieführerschaft und mit den Ansprüchen einer wohlhabenden Mittelklasse vereinbaren kann. Das werden wir sehen, ich bezweifle das immer noch. Die Diskussion erinnert mich irgendwie an die Sputnik-Panik im Westen, als man auch mal eine Zeit lang glaubte, dass nun bewiesen sei, dass Staatskapitalismus und Dirigismus die überlegenen Modelle seien. Wir wissen alle, was daraus wurde.

Redaktioneller Lesetipp dazu:

Stimmt es, dass die neoklassische Handelstheorie von (weltweiter) Vollbeschäftigung ausgeht, wie etwa Heiner Flassbeck meint? Dann kann man natürlich nicht auf die Idee kommen, dass Überschussländer auch Arbeitslosigkeit „exportieren“.

Jens Südekum: Nein, das stimmt nicht. Die einfachsten Basismodelle der neoklassischen Außenhandelstheorie unterstellen Vollbeschäftigung. Aber es gibt jede Menge Modelle mit Arbeitmarkt-Friktionen und Arbeitslosigkeit, sowohl in der neoklassischen als auch in der „neuen“ Handelstheorie. Wichtige Autoren sind hier z.B. Elhanan Helpman, Steve Redding, Olek Itskokhi, Hartmut Egger, Udo Kreickemeyer, Gabriel Felbermayr mit Julien Prat und Hans-Järg Schmerer u.v.m.

Ansonsten ist die These aus der Flassbeck-Ecke, dass über Leistungsbilanz-Ungleichgewichte Arbeitslosigkeit „exportiert“ wird, ziemlich zweifelhaft. Wenn überhaupt, ist es Beschäftigung in den sogenannten „tradable sectors“. Aber prinzipiell können Länder über ihren Instrumentenmix für Beschäftigung im non-tradable sector sorgen. Dann verändern Leistungsbilanz-Ungleichgewichte die Beschäftigungsstruktur der Länder (mehr Verarbeitendes Gewerbe in Überschuss-, mehr Dienstleistungen/non-tradebales in Defizitländern). Das ist aber etwas anderes als Arbeitslosigkeit.

Zu dieser Frage empfehle ich insbesondere die folgende Note vom Meister:

Wer den Podcast noch nicht gehört hat, findet weiter unten noch einmal die komplette Sendung. Grundsätzlich werden die Sendungen parallel auf der Homepage der Mikroökonomen und hier im Makronom veröffentlicht. Sie können zudem über iTunes, Google Podcasts, Spotify oder einen Podcatcher Ihrer Wahl angehört, heruntergeladen und abonniert werden.