Wochenrückblick

Was diese Woche wichtig war

Der Streit um Ceta geht auf die Zielgerade, die EZB erhält unerwartete Rückendeckung und die BIZ macht sich Sorgen um eine Finanzkrise in China – die wichtigsten wirtschaftspolitischen Ereignisse der Woche kompakt zusammengefasst.

Deutschland

Bund und Länder haben sich im Vermittlungsausschuss auf eine Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Der Kompromiss sieht unter anderem vor, dass das Betriebsergebnis eines Unternehmens jetzt maximal mit dem Faktor 13,75 multipliziert werden, der ursprüngliche Gesetzesentwurf hatte einen Faktor von maximal 12,5 vorgesehen. Wenn ein Erbe finanziell überfordert ist, soll die fällige Steuer nur noch für sieben Jahre gestundet werden können (vorher: zehn Jahre).

Das Bundeskabinett hat eine Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze beschlossen. Die mit 21 Euro größte Erhöhung gibt es für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren. Für die anderen Regelbedarfsstufen gibt es Erhöhungen zwischen 3 und 5 Euro. Für Kinder bis 6 Jahre bleiben die Sätze unverändert (eine Analyse dazu finden Sie hier).

Stufe 1: Alleinstehende, Alleinerziehende. Stufe 2: Zusammenlebende volljährige Partner einer Bedarfsgemeinschaft. Stufe 3: Erwachsene unter 25 Jahre, die im Haushalt der Eltern leben, sowie für Erwachsene, die in stationären Einrichtungen leben. Stufe 4: Jugendliche vom 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Stufe 5: Kinder vom 7. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Stufe 6: Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres. Quelle: Aktuelle Sozialpolitik

Die Reallöhne in Deutschland sind im 2. Quartal 2016 um 2,3% gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen. Unterdurchschnittlich entwickelten sich laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) die Löhne im Verarbeitenden Gewerbe (nominal +1,0%), was darauf zurückzuführen sei, dass die Tarifabschlüsse der Metall- und Elektroindustrie sowie der Chemieindustrie noch nicht wirksam bzw. die vereinbarten Erhöhungen noch nicht ausgezahlt worden waren.

Quelle: Destatis

Das Armutsrisiko in Deutschland lag im Jahr 2015 bei 15,7% – das ist der höchste Stand seit der Wiedervereinigung, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes errechnet hat. Die Zunahme beruhe „ausschließlich auf einem spürbaren Anstieg beim Anteil der armutsgefährdeten Menschen mit Migrationshintergrund“, so das WSI. Die Armutsquote der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sei hingegen mit 12,5% konstant geblieben. Als „armutsgefährdet“ gelten Personen in Haushalten, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens in Deutschland beträgt.

armutsquoten_deutschland_wsi

Die SPD hat zum zweiten Mal in Folge eine Landtagswahl gewonnen. Wie schon eine Woche zuvor in Mecklenburg-Vorpommern wurden die Sozialdemokraten auch in Berlin trotz erheblicher Stimmenverluste stärkste Kraft. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller wird voraussichtlich eine Koalition mit Grünen und Linkspartei bilden.

Quelle: Landeswahlleiterin

 

Ceta

In den nächsten Wochen wird sich entscheiden, ob und in welcher Form das umstrittene Freihandelshandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) kommt. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte nach einem informellen Treffen der EU-Handelsminister, dass es eine große Bereitschaft zur Unterzeichnung gäbe. Als Termin für die Unterzeichnung wird der 27. Oktober angepeilt. Allerdings ist es nach wie vor unsicher, ob alle Regierungen Ceta unterstützen, was aber erforderlich wäre. Zwar sprach sich am Montag ein Parteikonvent der deutschen SPD unter gewissen Bedingungen für das Abkommen aus. Allerdings lehnten die österreichischen Sozialdemokraten in einer Umfrage Ceta deutlich ab. Österreichs Bundeskanzler und SPÖ-Chef Kern kündigte an, das Votum zu akzeptieren und Ceta nur bei deutlichen Änderungen zu unterzeichnen.

Die bisherigen Pläne sehen zudem vor, dass Teile des Abkommens noch vor der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente bereits angewendet werden können, nachdem das EU-Parlament diese angenommen hat. Genau gegen diese Praxis sind beim deutschen Bundesverfassungsgericht mehrere Klagen anhänglich, über die die Karlsruher Richter voraussichtlich am 13. Oktober entscheiden werden.

 

Eurozone und Europa

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat einer Studie der Bundesbank zufolge nicht dazu beigetragen, die Ungleichheit zu verschärfen, wie von vielen Kritikern oftmals behauptet wird. Zwar könnte die EZB-Politik die Vermögensungleichheit durch einen Anstieg der Vermögenspreise kurzfristig erhöht haben. Laut Bundesbank würden aber viele Kritiker ausklammern, dass sich die EZB-Maßnahmen „nicht nur auf die Vermögenspreise, sondern beispielsweise auch auf die Konjunktur und den Arbeitsmarkt auswirkten“. So könnten gerade ärmere Haushalte, die üblicherweise gefährdeter seien, ihre Arbeitsplätze während eines Abschwungs zu verlieren, Profiteure der EZB-Politik gewesen sein.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein auf den ersten Blick unspektakulär wirkendes Urteil gefällt, dass aber für den weiteren Verlauf der Eurokrise erhebliche Folgen haben könnte. Die Luxemburger Richter wiesen eine Klage von Anlegern gegen die EU-Kommission und die EZB zurück, die im Zuge der Restrukturierung des zyprischen Bankensektors im Jahr 2013 Geld verloren und Schadensersatz verlangt hatten. Der springende Punkt: Obwohl die Klage mit Verweis auf das Gemeinwohl abgelehnt wurde, entschieden die Richter gleichzeitig, dass es prinzipiell möglich ist, EU-Kommission oder EZB auf Schadensersatz zu verklagen, wenn deren Handlungen die Grundrechte verletzen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn Bürger wegen Kürzungen bei den Sozialleistungen (wie sie die meisten der von der Troika verordneten Sparprogramme vorsahen) nicht mehr in der Lage waren, sich notwendige Medikamente zu leisten und deshalb Gesundheitsschäden davontrugen.

Frankreichs Regierung hat ihre Haushaltspläne für das Jahr 2017 vorgelegt. Finanzminister Michel Sapin kündigte an, man wolle Steuererleichterungen vornehmen und zusätzliche Ausgaben für Sicherheit, Verteidigung und im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit tätigen. Trotzdem soll das Haushaltsdefizit unter anderem durch Einsparungen bei der Verwaltung und wegen der niedrigeren Zinskosten auf 2,7% der Wirtschaftsleistung sinken. Frankreichs Defizit würde damit erstmals seit der Finanzkrise wieder unter der 3%-Schwelle liegen, die im europäischen Stabilitätspakt verlangt wird.

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USA

Die US-Notenbank hat ihren Leitzins unverändert gelassen. Das Zielband für die Fed Funds Rate liegt weiterhin bei 0,25 bis 0,5%. Laut dem aktuellen „Fed Dot Plot“ erwarten die meisten der Mitglieder des für die Zinsentscheidung zuständigen Ausschusses, dass die Zinsen noch in diesem Jahr weiter angehoben werden.

Japan

Für eine Überraschung hat dagegen die Bank of Japan (BoJ) gesorgt. Die Zentralbank kündigte an, künftig die sogenannte Zinsstrukturkurve steuern zu wollen und nicht mehr wie bisher ein bestimmtes Volumen an Wertpapieren zu kaufen. Mit der Steuerung der Zinskurve ist gemeint, dass die BoJ über gezielte Käufe die konkreten Renditen für kurzfristige und langfristige Staatsanleihen festlegen will. Die Renditen im 10-jährigen Bereich sollen dabei auf dem aktuellen Stand von ca. 0,0% verankert werden, während die kurzfristigen Zinsen noch etwas weiter sinken sollen (eine ausführlichere Erklärung zu dieser Politik findet sich im Never Mind the Markets-Blog).

Außerdem kündigte die BoJ an, die Geldbasis so lange auszudehnen, bis die Inflationsrate die Zielmarke von 2% „stabil“ überschreitet. Dies ist insofern eine bemerkenswerte Entscheidung, als dass die Zentralbanken in den meisten Industrieländern in der Regel ein sogenanntes „asymmetrisches“ Inflationsziel haben: Eine Unterschreitung der gesetzten Ziele wird eher toleriert als eine Überschreitung. Mit ihrer Ankündigung will die BoJ dafür sorgen, dass die Inflationserwartungen an den Märkten stärker steigen. Bisher ist es der Zentralbank trotz erheblicher geldpolitischer Maßnahmen nicht gelungen, die Inflationsrate nachhaltig in den Bereich ihres Zielwerts zu bringen.

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China

Der jüngste Quartalsbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat Sorgen vor einer chinesischen Finanzkrise geschürt. Laut BIZ ist das Kreditwachstum in China zuletzt deutlich von seinem langfristigen Trend abgewichen und liegt inzwischen um das Dreifache über dem Wert, der nach Auffassung der BIZ eine gefährliche Entwicklung und eine Kreditblase anzeigt. Er ist auch deutlich höher als die Werte, die beispielsweise im Vorfeld der Asienkrise oder der US-amerikanischen Subprime-Krise erreicht worden waren.

 

Russland

Bei den russischen Parlamentswahlen ist die Partei von Präsident Wladimir Putin erneut stärkste Kraft geworden. Die Partei „Einiges Russland“ erreichte drei Viertel aller Parlamentssitze. Die Wahlbeteiligung sank auf das neue Allzeittief von 48%. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) kritisierte nach der Wahl, dass demokratische Prinzipien im Vorfeld der Wahl nicht zur Geltung gekommen seien, womit vor allem die Ungleichbehandlung der Opposition während des Wahlkampfs gemeint war. Auch die russische Wahlleitung kritisierte einzelne Manipulationen, weswegen die Wahlen in neun Wahlbezirken wiederholt werden müssen.

 

Argentinien

Erstmals seit zehn Jahren ist wieder eine offizielle Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Argentinien gereist. Die IWF-Mitarbeiter sollen sich einen Überblick der Staatsfinanzen verschaffen und ausloten, ob es eine Basis für einen neuen Kredit gibt. 2006 hatte die damalige Regierung die Beziehungen mit dem IWF abgebrochen und die Bedienung der Auslandsschulden eingestellt, wodurch das Land als zahlungsunfähig eingestuft worden war. Im Frühjahr dieses Jahres hatte Argentinien den Rechtsstreit mit seinen Gläubigern beigelegt und ist an die Kapitalmärkte zurückgekehrt.