Kommentar

Die Trümmer des argentinischen Schuldendeals

Nach jahrelangen Verhandlungen hat sich Argentinien mit seinen Gläubigern auf einen Kompromiss verständigt. Für die beteiligten Parteien ist das eine akzeptable Lösung – aber für den Rest der Welt und das globale Finanzsystem könnte der Deal verheerende Auswirkungen haben.

„Geier“-Fonds haben künftig noch mehr Macht. Foto: Henrique Pinto via Flickr (CC 1.0 Universal)

Nach einem 14 Jahre dauernden Patt hat Argentinien einer Vereinbarung mit seinen größten Gläubigern zugestimmt. Diese „Holdouts“ hatten Staatsanleihen gekauft, die Argentinien 2001 nicht mehr bedient hatte. Der Deal ermöglicht es der neuen Regierung in Buenos Aires, wieder das Leben eines normalen Staates an den globalen Finanzmärkten zu leben. Der 4,65 Milliarden US-Dollar schweren Vereinbarung waren bereits mehr als ein Dutzend Abkommen mit kleineren Holdouts seit dem Jahresbeginn vorausgegangen, die Schätzungen zufolge einen Wert von über 1,5 Milliarden US-Dollar hatten.

Die Vereinbarung ist gut genug für Argentinien und sehr gut für einige der Holdouts – aber die gesamte Episode und ihr Ergebnis ist schlecht für den Rest der Welt und das internationale Finanzsystem.

In den Jahren der Prozesslawinen, Verhandlungen und Rangeleien nach der Nichtbedienung von Auslandsschulden in Höhe von mehr als 80 Milliarden Dollar hat Argentinien zugestimmt, 93% aller Anleihenbesitzer etwa ein Drittel der Schulden zurückzuzahlen. Unter den Gläubigern, gegen die das Land nicht gewonnen hat, waren einige Fonds, die die Schulden zum Schnäppchenpreis gekauft und darauf bestanden hatten, vollständig bezahlt zu werden.

Aufgrund eines Gerichtsentscheids, nach dem niemand bezahlt werden durfte, solange nicht alle ihr Geld bekommen hatten, bestanden einige dieser Fonds darauf, eine Zahlung in Höhe des 15-fachen ihrer ursprünglichen Investition zu bekommen. Dagegen sehen die Holdouts, die sich mit dem drei- bis fünffachen ihres Investments zufriedengaben, ziemlich arm aus. Die große Mehrheit von Argentiniens Gläubigern, die vor ein paar Jahren einem großen Schuldenschnitt zugestimmt und dafür im Austausch ca. 30 Milliarden in neuen Anleihen erhalten haben, dürften dies nun ebenfalls bedauern, obwohl die meisten von ihnen ihren Ursprungskredit inzwischen wieder raushaben.

Das Beste, was man über diese Übereinkunft sagen kann – wenn sie denn wie geplant im April in trockenen Tüchern ist – ist, dass sie verspricht, den bereits entstandenen Schaden für das internationale Finanzsystem einzudämmen.

Das schlechteste daran ist, dass dieser Fall eine extrem mächtige Waffe produziert und getestet hat, die eine kleine Gruppe von Gläubigern jetzt einsetzen kann, um ein Land und den Rest seiner Gläubiger in Geiselhaft zu nehmen.

Erhebliche Kollateralschäden

Nach einem Jahrzehnt kraftloser Versuche, Argentinien zur Anerkennung der Forderungen der Holdouts nach einer bevorzugten Bezahlung zu drängen, hatte ein US-Bundesrichter eine Unterlassungsverfügung erlassen, die die Regierung davon abgehalten hat, seine restrukturierten Schulden zu bezahlen oder neue Anleihen auszugeben, um seine Währungsreserven aufzustocken – nicht einmal in London oder Buenos Aires, nicht einmal unter Argentiniens eigenem Recht. Das Gericht hat das getan, indem es Marktintermediäre (Treuhänder, Zahlungssysteme, Verrechnungsstellen) ins Visier nahm, die – anders als die Regierung eines souveränen Staates – es nicht riskieren konnten, ihr Geschäft in New York aufs Spiel zu setzen.

Das war eine Waffe, die erhebliche Kollateralschäden verursacht hat. Sogar das Gericht selbst hatte die Auswirkungen auf „komplett unschuldige Drittparteien“ beklagt.

Einige behaupten immer noch, dass diese Verfügung einzig auf Argentinien zutreffen würde und kein Präzedenzfall für andere Länder sei. Das ist entweder hinterlistig oder nachlässig, vielleicht sogar beides. Niemand hat angedeutet, dass der Fall nicht in künftigen Rechtsinterpretationen und juristischen Meinungsartikeln als gute Referenz für weitere Prozesse im „Second Circuit“ herangezogen werden, wo viele der Auslegungen und Durchsetzungen der globalen Finanzverträge abgehalten werden. Das Argument lautet außerdem, dass kein Land jemals Argentiniens Level der „Aufsässigkeit“ erreichen würde (ein Begriff, der von den Gerichten verwenden wurde und dessen neue Popularität eine der wenigen guten Ergebnisse dieses 14-jährigen juristischen Streits ist).

Der argentinische Präzedenzfall könnte so mächtig sein, dass sich Länder künftig stärker zurückzuhalten werden

Als er entschied, den Unterlassungsbefehl aufzuheben, sagte der Richter eindringlich, dass das argentinische Beispiel andere überschuldete Nationen dazu bringen könnte, „den Kompromiss anstelle der Uneinsichtigkeit“ zu wählen. Dazu könnte es kommen. Banken und Verrechnungsstellen werden es sich zweimal überlegen, bevor sie mit Staaten handeln, deren populistische Anführer dünnhäutige Banker oder Richter beleidigen – oder die schlicht nicht das machen, was ihnen gesagt wird. In anderen Worten: Der Präzedenzfall könnte so mächtig sein, dass die bloße Gefahr einer Auflehnung Länder dazu bringt, sich zurückzuhalten.

Einladung für Trittbrettfahrer

Andererseits könnten die Unterlassungserklärung und die Vereinbarung mehr Gläubiger dazu drängen, einen Holdout und kreative juristische Prozesstaktiken zu versuchen. Wer kann es ihnen vorwerfen, wenn die Wahl daraus besteht, 1.500%ige Gewinne zu machen oder 33 Cent für einen Dollar zu bekommen, die auch von den Holdouts blockiert werden könnten?

Die jüngste Vereinbarung belohnt in aller Öffentlichkeit die größte Gruppe von Holdout-Gläubigern, die es jemals bei einer Restrukturierung von Staatsschulden in der modernen Geschichte gegeben hat. Die Möglichkeit, dass sich ein paar Trittbrettfahrer auf die Lauer legen, ewig warten und astronomische Profite einstreichen, kann nie wieder als kleineres Ärgernis abgetan werden, als eine unbedeutende Steuer, die von dem betroffenen Land und der Mehrheit seiner Gläubiger bezahlt wurde, um für Marktdisziplin und die Einhaltung von Rückzahlungszusagen zu sorgen.

Holdouts sind kein wildes exotisches Glücksspiel mehr – sondern eine realisierbare Investitionsentscheidung

Letztlich könnten die Holdouts zusammen eine Zahlung von mehr als 25% der noch ausstehenden Anleihen erhalten. Durch das jetzt bereitstehende, in der Praxis getestete und von US-Gerichten bestätigte Unterlassungsszenario, ist ein Holdout nicht länger ein wildes exotisches Glücksspiel – er ist eine realisierbare, marktfähige Investitionsentscheidung. Festgefahrene Verhandlungen und verlängerte Krisen könnten das Ergebnis davon sein.

Was taugen die Collective Action Clauses?

Was ist mit den Vertragsreformen, die von den Gerichten und Regierungsvertretern als ein marktfreundlicher, einvernehmlicher Weg angepriesen werden, um künftigen Staatsschulden den argentinischen Weg zu ersparen? Neue verbesserte Collective Action Clauses für Staatsanleihen werden langfristig Gläubigermehrheiten die Möglichkeit geben, vergleichbare Bedingungen für andere Gläubiger durchzusetzen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, und so die Last verteilen und Trittbrettfahrer ausschließen.

„Langfristig“ bedeutet hier tatsächlich „lange“: Laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) beinhalten nur 6% aller ausstehenden internationalen Anleihen diese Klausel. Es wird mehr als ein Jahrzehnt dauern, um den gesamten 900 Milliarden US-Dollar schweren Bestand umzuwandeln. Selbst dann ist alles, was ein Trittbrettfahrer in dieser Welt der reformierten Verträge braucht, eine einzige verirrte alte Anleihe: Die Unterlassungsverfügung erlaubt es einem einzigen Gläubiger, der sich nicht in der Gruppe des Mehrheitsentscheids befindet, Zahlungen an alle anderen zu blockieren. Es ist so konzipiert, dass Trittbrettfahren großzügig belohnt wird.

Anstatt ein Urteil zu fällen, wurden die Gerichte in diesem Konflikt selbst zu Kämpfern

Das Abkommen wird auch ein trauriges Licht auf die Gerichte, die sich dazu haben verleiten lassen, in eine Schlacht ohne Sieger zwischen einem staatlichen Schuldner, den sie nicht kontrollieren können, und gerissenen Gläubigern, die geschickt die Frustration der Richter über die Beleidigungen populistischer Politiker ausgenutzt haben, hineingezogen zu werden. Das Gericht wurde selbst zu einem Kämpfer, anstatt ein Urteil in diesem Konflikt zu fällen.

Die getroffene Vereinbarung verteidigt auf keinen Fall die Vertragsinterpretation durch das Gericht bzw. die Unterlassungserklärung, die sie durchgesetzt hat, oder die Heiligkeit der Verträge, in deren Namen sie angestrebt wurde. Wäre die alte argentinische Regierung an der Macht geblieben, hätte es wahrscheinlich keine Vereinbarung gegeben. Wäre eine neue Regierung fünf Jahre früher an die Macht gekommen, hätte es wahrscheinlich keine Unterlassungsverfügung gegeben. Laut Aussage des Gerichts hat die Wahl „alles verändert“. Wollen sich die Gläubiger und die US-Justizbehörden tatsächlich einen Regierungswechsel anschreiben lassen?

Verhöhnung wichtiger Rechtsprinzipien

Letztendlich verhöhnt die Vereinbarung alle Begriffe wie Gleichheit und Gleichberechtigung. Der verkündete Zweck der Unterlassungsverfügung war es, die Gleichbehandlung ähnlicher Gläubiger durchzusetzen, wie es Argentinien in den 1994 geschlossenen Verträgen versprochen hatte. Das Gericht behauptete, dass es das Prinzip der Gleichbehandlung in der Unterlassungsverfügung ausgelegt hat, aber das Ergebnis macht nur Sinn im Orwellschen Neusprech: Ersatzzahlungen für Gläubiger, die sich in der gleichen Situation befinden, werden von 100% bis 1.000% des ursprünglichen Kreditwerts reichen, abhängig von den Zinsen und davon, ob sie die Gerichtsurteile erwirkt haben.

Dieses Ergebnis verherrlicht Gerissenheit und Dreistigkeit, es schädigt Vertrauen und Kooperation

Die Unterschiede gehen weiter auf, nicht zwischen den restrukturierten und den Holdout-Anleihen, sondern auch zwischen den Holdouts selbst. Einigen von ihnen fließen jährliche Zinsen von 101% zu, während andere nur die Zinsen für eine einjährige US-Staatsanleihe erhalten. Dieses Ergebnis verherrlicht Gerissenheit und Dreistigkeit, es schädigt Vertrauen und Kooperation.

Die juristische Verfügungsfreiheit sollte eigentlich ein gewisses Urteilsvermögen beinhalten und Fairness fördern und die rein formale Durchsetzung von Vertragstexten zurückstellen. In diesem Fall ist genau das Gegenteil passiert.

Also lasst uns den Champagner aufmachen. Der Schaden ist angerichtet.

 

Zur Autorin:

Anna Gelpern ist Juraprofessorin an der Georgetown University und Nonresident Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics (PIIE).

 

Hinweis:

Dieser Beitrag ist zuerst in englischer Sprache auf der Homepage des Peterson Institutes for International Economics (PIIE) erschienen. Die Übersetzung und Zweitveröffentlichung erfolgte mit Genehmigung des Peterson Institutes.