Sachverständigenrat

Wo sich die Wirtschaftsweisen unterscheiden – Teil II: Eurozone und EU

In diesem Teil unserer Beitragsserie zum Jahresgutachten des Sachverständigenrates geht es um die Positionen zur Reform der Eurozone und der Europäischen Union. Die teils höchst unterschiedlichen Positionen sind auch darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaftsweisen zwei sehr unterschiedliche Ursachenanalysen für die Eurokrise entwickelt haben.

In der Vorwoche haben wir anlässlich des neuesten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates eine Beitragsserie gestartet. Darin stellen wir die unterschiedlichen Positionen der Ratsmehrheit um Christoph Schmidt, Lars Feld, Isabel Schnabel und Volker Wieland denen von Peter Bofinger gegenüber, der in vielen Punkten eine andere Meinung vertritt.

Im ersten Teil war es um die Geldpolitik gegangen. Die aktuelle Folge dreht sich nun die Vorschläge zur Reform der Eurozone und der Europäischen Union. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Wirtschaftsweisen gerade mit Blick auf die Reform der Eurozone oft sehr stark auf frühere Vorschläge, Analysen und Debatten beziehen. Daher wurden bei der Gegenüberstellung der Argumente auch andere Jahresgutachten und Fachartikel miteinbezogen (mehr zur Methodik finden Sie hier).

Prolog: Unterschiedliche Krisendiagnosen

Für die Einordnung der Debatte um die Zukunft der Eurozone ist es sehr wichtig zu wissen, dass die Mitglieder des Sachverständigenrates bisher keine einheitliche Sichtweise für die Ursachen der Eurokrise entwickelt haben – und unterschiedliche Diagnosen führen eben zu unterschiedlichen Therapievorschlägen.

Im Grundsatz geht es bei den unterschiedlichen Diagnosen um die Frage, ob die Eurokrise primär ein Ausdruck von Staats- oder von Marktversagen war: Bofinger ist ein Unterzeichner des sogenannten „Consensus View“, nach dem eindeutig der Markt für die Eurokrise verantwortlich ist: „Die wahren Hauptschuldigen waren die großen Kapitalflüsse innerhalb der Eurozone, die im Jahrzehnt vor der Krise entstanden sind.”

Dagegen haben Schnabel, Schmidt, Feld und Wieland den „Nuanced View“ entwickelt, in dem sie dieser Auffassung ausdrücklich widersprechen: Es seien vielmehr „die Fehler von Regierungen und das Versagen von Regulierung und Aufsicht“ gewesen, „die zu diesen exzessiven Entwicklungen geführt haben, die im Mittelpunkt der Schilderung der Krise stehen sollten.” Bofinger bestreitet wiederum nicht, dass eine bessere Regulierung nützlich gewesen wäre, dies würde aber nicht die schwerwiegenden Fehleinschätzungen von Marktteilnehmern entschuldigen: „Kann ein Autofahrer, der wegen überhöhter Geschwindigkeit einen Unfall auf einer Bergstraße verursacht, den Staat dafür verantwortlich machen, dass er kein Schild für die Tempobegrenzung aufgestellt hat?“

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