Steuerdeal statt Handelsstreit

Der Weg von der Digitalsteuer zur globalen Mindeststeuer

Im Oktober 2021 stellten sich die Regierungen von 136 Staaten und Jurisdiktionen hinter eine Reform der seit einem Jahrhundert bestehenden internationalen Unternehmensbesteuerung. Eine Policy-Analyse liefert erste Erkenntnisse, wie sich dieser Erfolg erklären lässt.

Die wachsende gesellschaftliche Ungleichheit ist eines der bedeutendsten Probleme unserer Zeit. Zugleich steigt das wissenschaftliche Interesse und liefert neue Erkenntnisse mit Blick auf die drängendsten Fragen und Antworten zu verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit und ihren zugrundeliegenden Machstrukturen.  

Für die Debattenreihe „Ungleichheit und Macht“ haben Doktorand:innen aus dem Promotionskolleg „Politische Ökonomie der Ungleichheit“ am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen diese neuen Erkenntnisse aufgeschrieben. In den Beiträgen stellen die Promovierenden, die von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert werden, Teilergebnisse ihrer Forschung vor und diskutieren verbundene gesellschaftliche Herausforderungen sowie politische Handlungsoptionen. Mit dem Fokus auf Ungleichheitsdimensionen und zugrunde liegenden Machtverhältnissen reicht der thematische Bogen von Armut und Besteuerung bis zu Arbeitsmarkt-, Gleichstellungs- oder Klimapolitik. Durch die thematischen Breite und Vielfalt der eingesetzten Methoden stoßen die Autor:innen eine weiterführende gesellschaftliche Debatte darüber an, wie der steigenden Ungleichheit begegnet werden kann. 

Die Reihe erscheint in regelmäßigen Abständen zwischen April und Juni 2023 im Makronom. Hier finden Sie alle Beiträge, die bisher erschienen sind.

Laut konservativer Schätzung entgehen den öffentlichen Kassen weltweit bis zu 240 Milliarden Euro aufgrund von Steuervermeidungspraktiken multinationaler Unternehmen – das ist etwas mehr als das gesamte BIP Griechenlands im Jahr 2022. In Zeiten von klammen öffentlichen Haushalten und einer profitgetriebenen Inflation ist dieser Umstand politisch äußerst brisant.

Bereits im Juni 2012 unterstrichen die Regierungen der G20 „die Notwendigkeit, die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage und die Gewinnverlagerung zu verhindern“. Damit bekräftigten sie das steuerpolitische Mandat der OECD und legten den Grundstein für das Base Erosion and Profit Shifting Projekt (BEPS). Dieses fand mit dem offiziellen Statement zur Reformierung des internationalen Unternehmenssteuersystems im Oktober 2021 seinen vorläufigen Höhepunkt.

Die Ausarbeitung der technischen Details der Umsetzung bietet allerdings noch potenzielle Fallstricke. Regierungen aus Ländern des Globalen Südens kritisierten wiederholt die Dominanz reicher Länder innerhalb der OECD und wünschten sich die Verlagerung zukünftiger Verhandlungen auf die Ebene der UN. In der Schweiz bewertet eine Allianz von Nichtregierungsorganisationen den Deal als Steueroasen-Belohnungspogramm und spricht sich gegen eine Implementierung aus.

Trotz der Kritik und dem bisher noch offenen Ausgang der Implementierungsphase werten Stimmen aus der Praxis und der Wissenschaft die Verhandlungen als erfolgreichen Prozess. Wie ist die historisch erstmalige Übereinkunft von mittlerweile 139 Regierungen auf ein Konzept zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung zu erklären?

Kostenpflichtiger Inhalt

Bitte melden Sie sich an, um weiterzulesen

Noch kein Abo?