Mindeststeuer

Die Steuerrevolution in den Mühen der juristischen Ebene

Die Einigung auf eine Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung ist zweifelsfrei ein großer Erfolg. Dabei darf man aber nicht aus dem Blick verlieren, dass der schwerste Teil noch vor uns liegt. Ein Beitrag von Johannes Becker und Joachim Englisch.

Am 1. Juli 2021 unterzeichneten 130 der 139 Staaten im Inclusive Framework der OECD eine Erklärung, in der sie sich zu einer grundlegenden Reform des Systems der internationalen Unternehmensbesteuerung bereiterklären. Die Staaten bekunden ihre Absicht, ihre nationalen Steuersysteme anzupassen und ein Reformwerk umzusetzen, das zum einen mehr Besteuerungsrechte in die Marktstaaten verlagert und zum anderen eine effektive Mindestbesteuerung auf die Gewinne multinationaler Unternehmen einführt – die sogenannte GloBE („Global Anti-Base Erosion“).

Insbesondere der GloBE-Mindeststeuer wird zugetraut, das internationale Steuersystem nachhaltig zu verändern – und das durchaus zurecht, denn sie geht das Problem der Gewinnverschiebung durch multinationale Unternehmen an seiner Wurzel an. Der Anreiz, Gewinne in Niedrigsteuerstandorte zu verschieben, steigt und fällt mit der Steuersatzdifferenz zwischen verschiedenen Standorten des Unternehmens. Jeder Euro, der aus Deutschland in eine Nullsteueroase verschoben wird, erhöht den Nachsteuergewinn des Unternehmens um ca. 30 Cent – so wird die Verrechnungspreisabteilung des Unternehmens zum Profit Center. Die Mindeststeuer stellt sicher, dass selbst in einer Nullsteueroase die Gewinne effektiv mit nun vereinbarten (mindestens) 15 Prozent belastet werden. Der Gewinn pro verschobenem Euro halbiert sich dadurch.

Die GloBE-Maßnahmen gehen auf eine Initiative der Bundesregierung zurück. Sie überzeugte Ende 2018 die Staaten des Inclusive Frameworks davon, dass es neben der bereits diskutierten Begünstigung der Marktstaaten weiterer, komplementärer Instrumente bedarf, um die ausufernde Gewinnverschiebung global agierender Unternehmen einzudämmen. Ein knappes Jahr zuvor hatten die USA unter Donald Trump  das GILTI-Regime eingeführt, eine Art Mindeststeuer auf die weltweiten Gewinne von US-Unternehmen eingeführt.

Es ist daher nicht ganz unbegründet, wenn Olaf Scholz als Bundesfinanzminister die Juli-Erklärung der 130 Staaten nun auch als deutschen Erfolg interpretiert. Und tatsächlich ist die Tatsache, dass sich so viele Staaten bereit erklären, ihre Steuersysteme zu koordinieren, in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen. Jedoch möchte man, wenn Olaf Scholz nun selbstbewusst das Ende des Steuerwettbewerbs verkündet („Der Steuer-Wettbewerb nach unten ist vorbei“), die Euphorie ein wenig dämpfen. Denn der schwerste Teil liegt noch vor uns.

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