Kommentar

Reaktionärer Keynesianismus (revisited)

Simon Wren-Lewis macht ein paar Nachträge zu seinem Beitrag über Donald Trumps Wirtschaftspolitik.

Still no Keynes. Foto: Pixabay

Ich habe meinen ersten Beitrag zum „Reaktionären Keynesianismus“ aus folgendem Grund geschrieben: Ich wollte der Idee entgegentreten, dass jede Ausweitung des Haushaltsdefizits mindestens genauso wichtig wäre wie dessen Zusammensetzung. Dabei habe ich insbesondere auf die fiskalpolitische Expansion bezogen, die Donald Trump wahrscheinlich vornehmen wird. Sehr knapp zusammengefasst habe ich argumentiert, dass jedwede fiskalpolitische Expansion, die sich auf Steuersenkungen für die Superreichen und auf extrem dubiose Mechanismen zur Steigerung der Infrastrukturausgaben konzentriert, nicht von denen begrüßt werden sollte, die (wie ich) denken, dass es in der US-Wirtschaft immer noch ungenutzte Kapazitäten gibt. In der Folge habe ich einiges hilfreiches Feedback erhalten, das nahelegt, dass ich dieses Argument etwas besser hätte formulieren sollen.

Ich hatte meine Diskussion mit einem Beispiel dazu begonnen, wie eine Steuersenkung für die Reichen – zumindest in der Theorie – deflationär wirken könnte. Die Idee war, dass die Reichen kurzfristig nur sehr wenig des durch die Steuersenkungen eingesparten Geldes wieder verkonsumieren würden, aber die Nicht-Reichen denken könnten, dass ihre Steuern wegen des höheren Staatsdefizits steigen und somit ihren aktuellen Konsum zurückfahren könnten.*

Von den „Reichen“ und den „Nicht-Reichen“ zu sprechen, war sehr unpräzise. Ich hatte dabei an Menschen gedacht, die hinsichtlich ihres Einkommens reich sind. Allerdings kann die Unterscheidung zwischen Einkommens-Reichen und Vermögens-Reichen wichtig sein, wie ein Econometrica-Papier von Greg Kaplan und Giovanni Violante zeigt, auf das mich Narayana Kocherlakota hingewiesen hat. Kaplan und Violante argumentieren, dass es eine wichtige Gruppe gibt, die sie die „hand-to-mouth wealthy“ nennen.

Dabei handelt es sich um Menschen mit einem hohen Vermögen, die ihren Reichtum in nicht-liquiden Formen (z. B. einer Rente) halten. Und wegen dieser nicht-liquiden Natur ihres Reichtums könnten sie hinsichtlich ihrer laufenden Einnahmen eine hohe marginale Konsumquote haben. Das ist eine interessante Idee, die auch eine empirische Grundlage hat. Aber ich denke, dass sie nur noch einmal betont, wie wichtig es ist, über die Komposition von Steuersenkungen nachzudenken, wenn wir deren Stimulus-Wirkung berechnen wollen.

Rückblickend wäre es wohl einfacher gewesen, ein geläufigeres Beispiel der möglichen Trennung von Haushaltsdefizit und Stimulus zu liefern (dabei geht es um das Balanced-Budget-Theorem). Wie Paul Krugman anmerkt, könnte das sehr relevant sein, da Trumps Fiskalpolitik Kürzungen bei den staatlichen Konsumausgaben beinhalten dürfte.

Infrastruktur

Auch hinsichtlich der öffentlichen Investitionen habe ich argumentiert, dass die Natur dieser Investitionen wichtig ist. Wenn der Mechanismus, mit dem die öffentlichen Investitionen angeschoben werden sollen, bedeutet, dass ein ordentlicher Anteil dieser Investitionen in Projekte mit niedriger sozialer Rendite fließen, dann würde die Bevölkerung durchschnittlich nicht besser abschneiden (lesen Sie dazu beispielsweise diesen Beitrag von Joseph Stiglitz). Dieser Punkt hängt von einem Umstand ab, den ich als gegeben angenommen habe, den ich aber besser hätte benennen sollen: den „monetary offset“.

Weil sich die US-Wirtschaft nicht länger an der Nullzinsgrenze befindet, würde ein durch den Bau von nutzlosen Projekten verursachter Anstieg des Bruttoinlandsprodukts mit ziemlicher Sicherheit die Zinsen steigen lassen (natürlich vor allem unter der Annahme, dass die Federal Reserve unabhängig bleibt, aber wie Krugman argumentiert, könnten die Zinsen auch steigen, wenn die Fed ihre Unabhängigkeit einbüßt). Im Ergebnis würde das BIP wahrscheinlich gar nicht steigen und private Investitionen würden durch nutzlose öffentliche Investitionen verdrängt werden.

Sobald die Zinsen beginnen, sich von der Nullzinsgrenze zu entfernen, dann beklagen sich diejenigen, die argumentieren, dass die Nachfrage in den USA gesteigert werden sollte (z. B. hier oder hier) tatsächlich über die Geldpolitik, und nicht über die Fiskalpolitik. Eine expansive Fiskalpolitik, die von der Fed verdrängt wird, könnte einige indirekte Vorteile haben, wenn sie etwa den natürlichen Zins anhebt – aber Keynes` berühmtes „Löcher graben“-Argument würde nicht länger gelten.

Sobald wir die Nullzinsgrenze verlassen, tragen Steuersenkungen für die Reichen zu einer regressiven Umverteilung der Einkommen bei. Die Menschen sollten sich nicht von der Behauptung für dumm verkaufen lassen, dass diese Steuersenkungen sich schon irgendwie von selbst finanzieren werden, egal ob nun auf eine keynesianische oder irgendeine andere Weise. Es gibt sehr gute Gründe für eine großangelegte Ausweitung der öffentlichen Investitionen, die durch eine zusätzliche staatliche Kreditaufnahme finanziert werden – aber diese Investitionen müssen dahinfließen, wo sie gebraucht werden, anstatt schnelle Renditen für private Finanziers zu generieren. Und es gibt auch gute Gründe, zusätzliche Nachfrage zu generieren, um das Wachstum der US-Wirtschaft auszudehnen, aber das wird nicht geschehen, solange die Fed etwas Anderes glaubt.

 

Zum Autor:

Simon Wren-Lewis ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Oxford University und Fellow am Merton College. Außerdem betreibt Wren-Lewis den Blog Mainly Macro, wo dieser Beitrag zuerst auf Englisch erschienen ist.

Hinweis:

Simon Wren-Lewis` ersten Beitrag zu diesem Thema finden Sie hier.