Kommentar

Reaktionärer Keynesianismus

Manche meinen, dass man Trumps Wirtschaftspläne aus einer keynesianischen Perspektive begrüßen sollte – schließlich wird der künftige US-Präsident wohl das US-Haushaltsdefizit deutlich ausweiten. Allerdings ist es töricht zu glauben, dass alles, was das Defizit erhöht, auch die Wirtschaft ankurbelt. Ein Kommentar von Simon Wren-Lewis.

John Maynard Trump? Foto: Pixabay

Steuersenkungen und höhere Ausgaben für die Infrastruktur: Unter einem Präsidenten Donald Trump könnten wir das bekommen, was manche einen „Reaktionären Keynesianismus“ nennen. Aber ein Stimulus ist ein Stimulus, und diejenigen von uns, die denken, dass die meisten OECD-Länder fiskalpolitisch heiß laufen sollten, um einige der während der Großen Rezession erlittenen Verluste wettzumachen, sollten sich doch darüber freuen, oder?

So schreibt Martin Sandbu in der Financial Times:

“it is hypocritical of anyone to warn that Trump’s promised tax cuts will endanger the public finances if they called for fiscal stimulus under Obama and his putative Democratic successor. …. While the composition of tax cuts and spending increases may matter, the overall size of any deficit increase matters at least as much.”

Wenn Sandbu damit meint, dass wir uns nicht zu viel Sorgen über die Ausgestaltung des Stimulus machen sollten, sondern dass vielmehr die Gesamtgröße des Defizits entscheidend ist, dann zeugt das meiner Meinung nach von einem furchtbaren makroökonomischen Verständnis. Es ist töricht zu glauben, dass alles, was das Haushaltsdefizit erhöht, auch die Wirtschaft ankurbelt.

Wir wissen, dass ein Teil von Trumps Konjunkturprogramm aus umfangreichen Steuersenkungen für sehr reiche Menschen bestehen wird. Diese werden praktisch keine der Steuersenkungen wieder verkonsumieren – sie sind jener eine Teil der Bevölkerung, für den die Ricardianische Äquivalenz tatsächlich einigermaßen gilt.

Man könnte nun meinen, dass die Steuersenkungen aber zumindest die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht schmälern werden. Aber das könnte sich als Irrtum herausstellen, da die Logik intertemporaler Budgetrestriktionen immer noch in Betrieb ist: Die Steuersenkungen werden kurzfristig nicht durch eine erhöhte ökonomische Aktivität gegenfinanziert, weshalb zu einem späteren Zeitpunkt Steuererhöhungen notwendig werden könnten. Wenn nun Menschen, die nicht zu den Superreichen gehören, denken, dass ihre Steuern morgen steigen werden, könnten sie heute ihren Konsum reduzieren. Der Netto-Effekt könnte somit ein Nachfragerückgang sein.

Man könnte natürlich einwenden, dass die Konsumenten nicht so vorausschauend handeln und die Nachfrage daher nicht zurückgehen wird. Aber die Logik intertemporaler Budgetrestriktionen würde dennoch gelten: Wenn die Steuersenkungen für die Reichen lediglich das Defizit erhöhen und keinen kurzfristigen Nachfrageschub bringen, dann ist das ein Transfer zugunsten der Reichen von heute auf Kosten der Nicht-Reichen von morgen.

Viele Politiker würden auf die Barrikaden gehen, wenn die Steuersenkungen für die Reichen durch Steuererhöhungen für alle anderen gegenfinanziert werden würden. Politisch lässt es sich aber anders verkaufen, wenn diese notwendigen Steuererhöhungen durch Kredite verzögert werden.

Das ist ein Trick, der eigentlich schnell durchschaut werden sollte. Allerdings fürchte ich, dass dies nicht der Fall sein wird. Und Steuersenkungen für die Reichen als Teil eines Konjunkturstimulus zu bezeichnen, trägt nur dazu bei, Politiker zu verwirren. Rechte Politiker haben das Prinzip verstanden: Deshalb sind Steuersenkungen für die Reichen fast immer Teil eines größeren Stimulus-Programms – als Nigel Lawson, der langjährige Finanzminister von Margaret Thatcher, das in den 80er Jahren machte, trug dies dazu bei, die britische Wirtschaft zu schädigen.

Durch Kredite finanzierte Steuersenkungen für die Reichen sind in Wahrheit Steuererhöhungen für den Rest der Bevölkerung

Wir sollten es daher immer und immer wieder wiederholen: Durch Kredite finanzierte Steuersenkungen für die Reichen sind in Wahrheit Steuererhöhungen für den Rest der Bevölkerung. Das Beispiel der Steuersenkungen für die Reichen wiederlegt die Behauptung, dass die Zusammensetzung jedes fiskalischen Stimulus weniger wichtig ist als die Höhe der Ausweitung des Haushaltsdefizits.

Trumps Infrastruktur-Pläne

Trump hat auch gesagt, er wolle mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Das ist etwas, was die USA dringend brauchen – aber wir sollten uns daran erinnern, dass Trump eine Ära der Vetternwirtschaft einleitet, wie sie es vorher noch nicht gegeben hat. Die Infrastruktur, die unter Trump entstehen dürfte, wird wohl kaum etwas mit der Infrastruktur zu tun haben, die die USA tatsächlich brauchen. Vielmehr könnte sie stattdessen aus Projekten bestehen, die helfen Wählerstimmen zu kaufen, oder aus irgendwelchen anderen Deals, die für die Trump-Administration nützlich sind.

Wenn diese Infrastruktur vollständig von Menschen produziert werden würde, die derzeit nicht Teil der Erwerbsbevölkerung sind und die diese Arbeit auch machen wollen, dann würde sich das allgemeine Wohlbefinden sicherlich verbessern (hier greift Keynes´ berühmtes „Löcher graben“-Beispiel). Aber in der Praxis dürfte dieser Fall wohl nicht vollständig oder auch nur überwiegend eintreten. Und somit werden diese Fehlinvestitionen wohl nur bessere Projekte verdrängen. Dann würde es den US-Bürgern kurzfristig wegen des fiskalischen Stimulus nicht besser gehen, selbst wenn das Bruttoinlandsprodukt steigen sollte. Und der Stimulus würde sich auch nicht selbst finanzieren, weshalb sich erneut andere Leute über die intertemporalen Budgetrestriktionen der Regierung Sorgen machen sollten.

Die Ökonomie dieses Reaktionären Keynesianismus ist schlimm – und ich denke, dass seine politischen Folgen sogar noch viel schlimmer sein werden. Denn dadurch, dass nur sehr wenig durch die Umverteilung zugunsten der Reichen und Unwürdigen bewirkt wird, rückt diese Politik den Keynesianismus in ein schlechtes Licht. Aber wir können das vermeiden, indem wir – wenn immer möglich – darauf verzichten zu behaupten, dass jede Ausweitung des Defizits ein Stimulus wäre. Und indem wir klarmachen, dass durch Kredite finanzierte Steuersenkungen für die Reichen in Wahrheit Steuererhöhungen für alle anderen sind.

 

Zum Autor:

Simon Wren-Lewis ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Oxford University und Fellow am Merton College. Außerdem betreibt Wren-Lewis den Blog Mainly Macro, wo dieser Beitrag zuerst auf Englisch erschienen ist.