Antonio Costa hat in letzter Zeit schon einige spannende Tage erlebt. Nach der Parlamentswahl im Oktober schmiedete der Chef der portugiesischen Sozialisten gegen erhebliche innenpolitische Widerstände eine linke Minderheitsregierung, die ihn zum Ministerpräsidenten wählte. In der Folge weichte Costa den von den internationalen Geldgebern in den Jahren zuvor verordneten Sparkurs auf, was ihm erheblichen Ärger mit Brüssel einbrachte.
Den mit Abstand wichtigsten Termin seiner Amtszeit hat Costa aber noch vor sich – und er wird nicht einmal persönlich anwesend sein: Am 29. April wird die kanadische Ratingagentur DBRS verkünden, ob sie ihr Rating für portugiesische Staatsanleihen verändert.
Update: Am 29. April hat DBRS das Rating für Portugal auf der Stufe „BBB (low)“, also im Investment-Grade-Bereich belassen. Die nächste Überprüfung des Ratings erfolgt am 21. Oktober 2016.
Warum das wichtig ist? Nun ja, die kleine Ratingagentur mit Sitz in Toronto ist so etwas wie die inoffizielle portugiesische Regierung oder zumindest dafür ausschlaggebend, wie viel Taschengeld die Costa-Regierung für ihre Politik bekommt.
Das DBRS-Rating entscheidet über Portugals „QEligibility“
DBRS ist mit Abstand die kleinste der international tätigen Ratingagenturen. Laut dem jüngsten DBRS-Transparenzbericht sind ihre Hauptanteilseigner die Carlyle Group, eine der größten Schattenbanken in den USA, und der Private-Equity-Verwalter Warburg Pincus. Der Bekanntheitsgrad von DBRS liegt weit unter dem der drei US-Riesen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch – doch im Fall Portugal kommt DBRS nun eine unglaublich große Bedeutung zu.
Der Grund dafür liegt in den Regularien der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB zieht sowohl für die normalen Refinanzierungsgeschäfte der Geschäftsbanken wie auch für die Anleihenkäufe im Rahmen des QE-Programms jeweils das beste Rating aller vier Agenturen heran. Nur Staatsanleihen mit einem Rating im Bereich „Investment Grade“ dürfen bei der EZB als Sicherheiten eingereicht werden und können im Zuge des QE-Programms erworben werden. Und hier kommt DBRS ins Spiel.
Denn die Kanadier bewerten als einzige Ratingagentur Portugal gerade noch mit einem Rating im Bereich „Investment Grade“. Bei S&P, Fitch und Moody´s ist das Land bereits seit langem auf Ramsch-Niveau herabgestuft worden. Sollte Portugal also am 29. April von DRBS heruntergestuft werden, wäre das Land von der EZB-Finanzierung abgeschnitten (im Jargon der Finanzmärkte wäre die „QEligibility“ nicht mehr gegeben).
Die Folge wäre mit ziemlicher Sicherheit ein heftiger Anstieg der Zinsen, die Portugal für seine Staatsfinanzierung an den Finanzmärkten zahlen müsste. Außerdem kämen die portugiesischen Banken in Schwierigkeiten, weil sie auf die Refinanzierungsgeschäfte mit der EZB angewiesen sind und für diese keine portugiesischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten einreichen könnten.
Sollten die Märkte von Portugal aber erneut deutlich höhere Zinsen verlangen, müsste sich die portugiesische Regierung wohl früher oder später wie schon 2011 erneut mit einem Hilfsantrag an die anderen Euroländer wenden. Das legt zumindest ein Blick auf das Schuldentilgungsprofil nahe: Laut Angaben der portugiesischen Schuldenagentur IGCP muss Portugal 2016 noch gut 15 Milliarden Euro umschulden.
Für das kleine Land ist das ein nicht zu unterschätzendes Volumen. Außerdem wird die Aufgabe in den kommenden Jahren nicht gerade leichter. Der obige Chart zeigt zwar, dass der Schuldendienst 2017 und 2018 etwas sinkt. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass das hohe Volumen an T-Bills (das sind Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr) nur durch die Ausgabe von ebenfalls kurzlaufenden Anleihen refinanziert werden – somit würde die Last einfach nur ins nächste Jahr verschoben werden, zuzüglich der zu zahlenden Zinsen. In dieser Rechnung ebenfalls noch nicht enthalten ist die Neuverschuldung.
Erste Fingerzeige von DBRS
Bereits jetzt reagieren die Finanzmärkte sehr sensibel auf Nachrichten rund um Portugals Rating. Die Renditen für 10-jährige portugiesische Staatsanleihen stiegen seit Montag von 2,7% auf über 3%. Die Renditedifferenz gegenüber deutschen Bundesanleihen kletterte auf den höchsten Stand seit August 2014. Ohnehin hat die Unsicherheit schon dazu geführt, dass portugiesische Anleihen die einzigen waren, die im ersten Quartal 2016 Kursverluste hinnehmen mussten:
— Makronom (@MakronomMagazin) 7. April 2016
Einen deutlichen Fingerzeig wird DBRS schon am Freitag abgeben. Dann veröffentlichen die Kanadier das neue Rating für Spanien. Für Spanien selbst ist das nicht sonderlich wichtig – allerdings sehen viele Finanzinvestoren dieses Rating als Hinweis für die DBRS-Entscheidung zu Portugal.
Denn sollte DBRS beispielsweise seinen Ausblick für Spanien senken, obwohl das Land zuletzt durchaus positive Wachstumsraten erzielt hat, wäre nach der Lesart der Finanzmärkte auch ein weiteres Indiz für eine mögliche Abwertung Portugals.
Update Freitag, 8.4.: DBRS hat seinen Ausblick für Spanien von „positiv“ auf „stabil“ gesenkt. Daraufhin zogen die Renditen für portugiesische Anleihen in einer ersten Reaktion wie erwartet an:
Self-fulfilling Prophecy, 2.0
Die ganze Absurdität der Situation zeigt auch ein Statement von Fergus McCormick, Chefanalyst für Staatsanleihen bei DBRS. Im Februar hatte McCormick gesagt, dass DBRS den stabilen Ausblick für Portugal noch für „angemessen“ halte. Allerdings gebe der Anstieg der Renditen Grund zur Sorge.
Diese Logik muss man sich einmal vor Augen halten: Sollten die Märkte von Portugal in Erwartung eines DBRS-Downgrades höhere Zinsen verlangen, sähe sich DBRS offenbar genötigt, das Downgrade tatsächlich vorzunehmen – was wiederum für weiter steigende Zinsen sorgen, Portugal zurück unter den Rettungsschirm zwingen und die Eurokrise endgültig wieder aufflammen lassen würde. Im Falle Portugals könnte somit erneut das Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung greifen, das die Eurokrise in ihrem ganzen dramatischen Ausmaß überhaupt erst möglich gemacht hat.
Gut möglich, dass die ganze Angelegenheit auch noch eine weitere politische Wendung bekommt. In Portugal gehen einige politische Beobachter davon aus, dass das Regierungsbündnis aus Sozialisten, Kommunisten und Linksblock das DBRS-Downgrade und die damit verbundenen Folgen nicht überstehen würde. Schließlich müsste die Regierung entweder ihre gerade beschlossenen Ausgabensteigerungen zurückfahren oder sich mit den EU-Staaten auf ein Rettungspaket einigen, was im Endeffekt auf das gleiche hinauslaufen würde.
Eine mögliche Konsequenz wären Neuwahlen – die wiederum die konservative Partei des früheren Ministerpräsidenten und jetzigen Oppositionsführers Pedro Passos Coelho zurück an die Macht bringen könnten.
Das pikante daran: Coelho hatte beim Abschluss des portugiesischen Rettungsprogramms im Mai 2014 unter anderem auf Drängen des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble auf die Beantragung einer provisorischen Kreditlinie bei den öffentlichen Geldgebern verzichtet – ohne diesen sogenannten „sauberen Ausstieg“ wäre die aktuelle Situation wohl gar nicht erst entstanden.