Außenhandel

Wie das ifo-Institut den neuen deutschen Merkantilismus legitimiert

Unabhängig davon, ob die enormen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse vorsätzlich oder fahrlässig entstanden sind – das Ergebnis entspricht dem, was der althergebrachte Merkantilismus auch hervorbringen wollte. Und es ist wenig hilfreich, das Problem auf empirisch dünnem Eis abzustreiten oder zu verharmlosen. Ein Beitrag von Jan Priewe.

Die alten Merkantilisten sahen den Ursprung des Wohlstands einer Nation im Exportüberschuss. Bild: Pixabay

Die Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen reißt nicht ab. Das ruft nun die Verteidiger auf den Plan, die das Problem abstreiten, verharmlosen oder gar als Segen sowohl für Deutschland wie für die Länder mit Leistungsbilanzdefiziten interpretieren.

Ein Beispiel lieferte unlängst eine zusammenfassende Bewertung von Clemens Fuest, dem medial sehr einflussreichen Chef des Münchener ifo-Instituts. In einem gemeinsam mit zwei Mitarbeitern verfassten Aufsatz geht Fuest den für die Debatte wichtigsten Fragen nach: wie kam der deutsche Überschuss zustande, ist er schädlich, und sollte Deutschland etwas dagegen tun. Die Aussagen reihen sich ein in ähnliche Statements der Mehrheit des Sachverständigenrats, des Bundesfinanzministeriums, des Instituts der deutschen Wirtschaft und teilweise auch der Deutschen Bundesbank.

Die Autoren fassen ihre Ergebnisse in sechs Thesen zusammen:

  1. Der Überschuss ist nicht durch einen Rückgang der inländischen Investitionen verursacht, sondern das Resultat höheren Sparens, das wiederum vor allem auf die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen ist.
  2. Zwei Prozentpunkte des Anstiegs des Leistungsbilanzsaldos seit 2014 gehen auf das Konto niedriger Importpreise, die vor allem eine Folge des Ölpreis-Rückgangs waren.
  3. Lohnzurückhaltung ist keine wesentliche Ursache für die Überschüsse, denn die Lohnquote ist zwar bis 2007 gefallen, seither aber parallel zum Überschuss gestiegen.
  4. Anderen Ländern wird durch den deutschen Überschuss kein Schaden zugefügt, im Gegenteil: diese Länder würden sogar wegen steigender Zinsen Nachteile erleiden, wenn Deutschland den Überschuss durch kreditfinanzierte Staatsausgaben reduzieren würde.
  5. Deutschland hat kein direktes wirtschaftliches Interesse am Abbau des Überschusses. Aber weil andere Länder mit protektionistischen Maßnahmen reagieren könnten und es im Makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahren der EU für Leistungsbilanzüberschüsse ein Limit von 6% des BIP gibt, sollte man doch etwas tun.
  6. Daher wird vorgeschlagen, die Unternehmenssteuern zu senken. So sollen die Investitionen stimuliert werden.

Im Folgenden wird gezeigt, dass nicht eine einzige der sechs Thesen einer genaueren Prüfung standhält – die Ursachen des Problems liegen tiefer. Die Risiken sowohl für Deutschland als auch die europäischen Partnerländer sind viel größer, als die Autoren vermuten. Zudem wäre die vorgeschlagene Steuersenkung vermutlich kontraproduktiv.

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