Handelsstreit

Wir sollten uns von der Schlacht der Statistiker nicht vom Wesentlichen ablenken lassen

Zahlen einer amerikanischen Statistikbehörde stärken die argumentative Position der EU im Konflikt mit Donald Trump. Allerdings sollten sich die Europäer darauf nicht ausruhen, zumal ihre eigenen Daten eine andere Geschichte erzählen. Insbesondere der deutsche Überschuss ist alles andere als ein statistischer Mythos – sondern ein handfestes Problem, das es zu lösen gilt. Ein Beitrag von Jens Südekum.

Der Handelsstreit zwischen den USA und der EU wird auch mit dem Rechenschieber geführt. Bild: Anssi Koskinen via Flickr (CC BY 2.0)

Die Leistungsbilanzen sind wieder da! Im letzten Jahr wurde in der Wirtschaftspresse und auf den Podien der Republik über kaum ein Thema so leidenschaftlich geschrieben und gestritten wie über den notorischen deutschen Exportüberschuss und das eklatante amerikanische Defizit. Kurzzeitig wurde es mal stiller um die globalen Ungleichgewichte. Aber jetzt sind die Leistungsbilanzsalden wieder da, wo sie hingehören: auf den vorderen Plätzen der Berichterstattung.

Kein Wunder, denn Donald Trump macht Ernst. Für ihn ist das amerikanische Handelsdefizit ein Graus. Er sieht es als eklatanten Misserfolg an, dass andere Länder mehr in den USA verkaufen als andersherum. Das sei unfair und der miserablen Handelspolitik seiner Vorgänger geschuldet. Doch damit sei jetzt endgültig Schluss! Donald Trump rückt den Überschussländern mit Strafzöllen auf den Pelz, denn sie nutzen – in seiner verqueren Lesart – Amerika aus. Je größer der bilaterale Überschuss, den ein Land gegenüber den USA ausweist, desto größer die Gefahr, in den Strudel der neuen amerikanischen Handelspolitik zu geraten, die sich bequemerweise „bedrohte nationale Sicherheit“ als Begründung ausgedacht hat, um sich von vorneherein einem geordneten Verfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu entziehen. Auf die WTO gibt Trump sowieso nichts.

China steht ganz oben auf Trumps schwarzer Liste. Das ist nicht verwunderlich. Denn von den insgesamt 466 Milliarden Dollar, die die USA im Jahr 2017 als gesamtes Leistungsbilanzdefizit ausgewiesen haben, kommen rund drei Viertel (350 Milliarden) aus dem Reich der Mitte. China überschwemmt die USA mit Warenexporten. Aber es geht kaum etwas in die andere Richtung, auch keine Dienstleistungen oder Direktinvestitionen. Trumps Reaktion: mehrere Listen, auf denen inzwischen mehr als 1.500 Produkte stehen, für die China künftig Importzölle beim Eintritt in den amerikanischen Markt zahlen muss.

Seitdem schrillen auch in Europa die Alarmglocken. Denn bei den Güterexporten folgt die Europäische Union mit einem Überschuss von 153 Milliarden Dollar in Trumps Sünderkartei auf Platz zwei. Deutschland trägt mit 65 Milliarden Dollar den größten Teil dazu bei. In Berlin ist man daher besonders nervös. Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte kann man vielleicht noch verkraften, denn diese Märkte sind klein. Aber den Mitgliedern der Bundesregierung steht die Angst ins Gesicht geschrieben, dass Trump ans Eingemachte geht und Einfuhrzölle für Autos oder gar für alle Güter verhängt. Wie die amerikanische Wirtschaft dann weiter existieren soll, ist die eine Frage. Aber das deutsche Jobwunder hängt nun einmal am Export – und wenn ein echter Handelskrieg ausbricht, dann kann es auch hierzulande sehr ungemütlich werden.

Die bilaterale Leistungsbilanz

In diese Gemengelage schlug ein kürzlich erschienener Econpol-Report wie eine Bombe ein. Darin haben die ifo-Forscher Gabriel Felbermayr und Martin Braml Daten des Bureau of Economic Analysis (BEA), einer amerikanischen Statistikbehörde, ausgegraben. Diese Daten existierten schon lange, aber sie flogen immer ein bisschen unter dem Radar.

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