Strafzölle

Europa könnte den Handelskrieg gewinnen, indem es ihn gar nicht erst führt

Am Freitag läuft die letzte Frist ab, die Donald Trump verschiedenen Handelspartnern gesetzt hat, um von den Strafzöllen verschont zu bleiben. Solange es nur um Stahl und Aluminium geht, könnte die EU gelassen bleiben und dem US-Präsidenten entgegenkommen, indem sie Exportquoten akzeptiert – denn die Zeit spielt den Europäern in die Hände. Ein Kommentar von Sabine Stephan und Fabian Lindner.

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Am Freitag läuft die letzte Frist ab, die US-Präsident Trump engen Handelspartnern wie Kanada, Mexiko oder der EU gesetzt hat: Alle Länder, die dauerhaft von den Importzöllen befreit werden wollen, müssen bis dahin eine mengenmäßige Beschränkung ihrer Stahl- und Aluminiumexporte akzeptieren. Anderenfalls drohen Einfuhrzölle in Höhe von 25% auf Stahl und 10% auf Aluminium.

Aber was wollen die USA eigentlich mit diesen handelsbeschränkenden Maßnahmen? Und wie sollte die EU auf die Zölle reagieren? Alles spricht dafür, den Handelsstreit nicht eskalieren zu lassen. Denn die EU ist von den Zöllen nur in geringem Maße betroffen und innerhalb der USA regen sich schon jetzt starke Stimmen gegen die Einfuhrbeschränkungen.

Trump hat vor allem Kanada, Mexiko und Südkorea im Blick

Warum will Trump überhaupt Importzölle? Der US-Präsident ist der Ansicht, die USA hätten in den vergangenen Jahrzehnten ihren eigenen Markt im Rahmen von Handelsabkommen stark geöffnet, aber die Früchte dieser Liberalisierung hätten andere geerntet. Trump wirft den Handelspartnern vor, sie würden die eigenen Märkte für US-Exporte abriegeln, den amerikanischen Markt jedoch mit Billigprodukten überschwemmen. Auf diese Weise seien die großen bilateralen Handelsbilanzdefizite der USA entstanden und massiv Jobs in der US-Industrie vernichtet worden. Mit den Importzöllen wollen die USA den eigenen Markt stärker abschirmen und die Handelspartner zur Aufgabe ihrer „unfairen“ Handelspraktiken zwingen.

Auf den ersten Blick scheint sogar etwas dran zu sein an Trumps Kritik, die sich insbesondere an China richtet: In der Stahl- und Aluminiumindustrie gibt es riesige Überkapazitäten, die weltweit Preise und Profite drücken. Beim Stahl steht rund die Hälfte der globalen Überkapazität in China, beim Aluminium sogar 70%. Dieses Überangebot ist ein wesentlicher Grund dafür, dass viele der weniger effizienten Stahl- und Aluminiumhütten in den USA in den vergangenen Jahren dicht gemacht haben. Seit der Jahrtausendwende ist die Beschäftigung im US-Stahlsektor um mehr als ein Drittel gesunken. Auch im Aluminiumsektor sind in den letzten Jahren massiv Jobs verloren gegangen.

Trumps Geschichte hat allerdings einen Haken: Gegen China haben die USA – konform mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) – bereits zahlreiche Antidumping- und Antisubventionierungsmaßnahmen verhängt. Fast der gesamte chinesische Stahlexport in die USA − 94% − ist schon mit Strafzöllen belegt. Es gibt also ein echtes Problem mit den weltweiten Überkapazitäten und speziell mit China, aber das Zollinstrument ist hier schon längst ausgereizt. Und man darf wohl davon ausgehen, dass Trump oder zumindest seinen Beratern dies auch bewusst ist.

Warum will Trump also tatsächlich die Zölle erheben? Die aktuellen Importzölle treffen besonders drei Länder, die für das Gros – fast 40 % – der US-Stahlimporte verantwortlich sind: Kanada, Südkorea und Mexiko. Für Kanada und Mexiko sind die Beschränkungen ein besonders harter Schlag: Kanada ist bislang gar nicht und Mexiko nur in geringem Maße von spezifischen Importzöllen betroffen und der US-Markt ist für beide Länder von großer Bedeutung. Für Südkorea sind Importzölle auf Stahl zwar nicht neu, aber die Koreaner sind zusätzlich stark von den Strafzöllen betroffen, die die USA seit kurzem auf die Einfuhr von Solar-Modulen und Waschmaschinen erheben.

Dass die aktuellen handelspolitischen Maßnahmen der USA gerade Kanada, Mexiko und Südkorea empfindlich treffen, dürfte kein Zufall sein: Mit Kanada und Mexiko verhandelt Trump gerade das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA neu; mit Südkorea befanden sich die USA bei der ersten Ankündigung der Stahlzölle in den Nachverhandlungen zum US-Südkorea-Handelsabkommen KORUS. Trump versucht also offenbar, diese Länder mit der Androhung von Zöllen gefügig zu machen.

Und mit Südkorea scheint es schon geklappt zu haben: Das Land hat eine Quote für seine Stahlexporte in die USA akzeptiert und wurde dafür von den Stahlzöllen ausgenommen. Südkorea will sich jetzt auf 70% der Menge, die es im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre in die USA exportiert hat, beschränken. Des Weiteren öffnet Südkorea seinen Automarkt etwas stärker für US-Produzenten, und die USA dürfen die Einfuhr südkoreanischer Pickup-Trucks bis zum Jahr 2041 mit einem Zoll von 25% belegen. Ein großer Wurf ist das Ganze allerdings nicht. Zwar haben die USA gegenüber Korea einige Forderungen durchgesetzt. Aber die Auswirkungen der Handelsvereinbarungen auf die südkoreanischen Exporte und damit auf das bilaterale Handelsbilanzdefizit der USA dürften eher gering sein.

Die Auswirkungen auf die EU

Im Gegensatz zu diesen drei Ländern sind die europäischen Stahlexporteure sehr viel weniger vom US-Markt abhängig. Entsprechend geringer dürften die negativen Auswirkungen der Stahlzölle für Europa sein.

Dass Exportquoten gar nicht so dramatisch sein müssen, zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit: Schon 2002 hatte ein anderer republikanischer Präsident − George W. Bush – Importzölle auf Stahl verhängt. Damals hatte die EU von den USA ein zollfreies Kontingent erhalten, also eine mengenmäßige Beschränkung ihrer Exporte bei gleichzeitiger Befreiung von den Importzöllen – im Prinzip vergleichbar mit der jüngsten Vereinbarung zwischen Südkorea und den USA. Und der Schaden war überschaubar: Gekoppelt mit steigenden Stahlpreisen in den USA verringerten sich die Exportumsätze der EU nämlich sehr viel weniger als anfänglich befürchtet.

Insgesamt deutet die Einigung mit Südkorea also darauf hin, dass Trump mehr daran interessiert ist, schnell Ergebnisse zu erzielen, mit denen er in den anstehenden Kongresswahlen punkten kann, als tatsächlich tiefgreifende Änderungen der US-Handelsbeziehungen herbeizuführen. Eine fundamentale Infragestellung des Freihandels sieht jedenfalls anders aus. In dieser Gemengelage muss sich die EU überlegen, welche Strategie sie im Handelskonflikt mit den USA verfolgen will. Die US-Zölle auf Stahl sind für die Europäer ökonomisch nicht wichtig genug, um an dieser Frage einen Handelskrieg mit eskalierenden Gegenmaßnahmen zu entzünden. Die EU könnte − im Gegenzug für eine dauerhafte Befreiung von den Importzöllen − durchaus Exportquoten akzeptieren wie sie es 2002 schon einmal getan hat.

Darüber hinaus könnte es durchaus sein, dass der Spuk des Protektionismus schneller vorbei geht, als gedacht. Bush hat die Einfuhrbeschränkungen schon nach weniger als zwei Jahren vorzeitig wieder zurückgenommen. Die Stahlimporte hatten zwar wie beabsichtigt deutlich abgenommen, aber die Stahlpreise in den USA stiegen beträchtlich und verteuerten die Vorprodukte für die großen Stahlverbraucher in der US-Industrie und dem Baugewerbe. Die Autoindustrie und der Bau machten daraufhin massiv Druck auf die Regierung, die Zölle wieder abzuschaffen.

Unter dem Strich hat die US-Wirtschaft das Zollexperiment teuer bezahlt: Schätzungsweise mehr als 200.000 Menschen verloren seinerzeit wegen der höheren Stahlpreise ihre Arbeit. Das sind so viele Menschen, wie in den USA heute insgesamt in der Erzeugung von Stahl und Aluminium arbeiten. Trump gerät also nicht nur international mit seiner Zollpolitik unter Druck. Auch von innen stemmen sich einflussreiche Kräfte gegen die Einfuhrbeschränkungen.

Die Europäer sollten gelassen bleiben

Solange es nur um Stahl und Aluminium geht, kann die EU gelassen bleiben und Trump sogar etwas entgegenkommen, indem sie Exportquoten für Stahl akzeptiert. Diese würden die Stahlexporteure kaum treffen, da die Abhängigkeit der europäischen Stahlproduzenten vom US-Markt gering ist. Und der Spuk könnte auch schnell wieder vorbei sein, weil sich in den USA Widerstand regt und politische Mehrheiten sich schnell ändern können. Die Zeit spielt der EU also in die Hände. Das heißt: Europa könnte den Handelskrieg gewinnen, indem es ihn gar nicht erst führt.

In letzter Instanz schießt sich der US-Präsident mit einer Eskalation des Handelsstreits ökonomisch gesehen selbst ins Knie

Wenn Trump aber – wie er unlängst angekündigt hat – noch weitere Bereiche wie die Automobilexporte mit Zöllen belegt, sieht die Sache schon anders aus. Dann ließen sich massive Gegenmaßnahmen der EU nicht mehr vermeiden. Trump geriete dann aber auch unter noch stärkeren innenpolitischen Druck, die Zölle wieder zurückzunehmen. Denn die politischen und ökonomischen Kosten von Importbeschränkungen würden immer weiter steigen, wenn die Handelspartner ihrerseits Gegenmaßnahmen ergreifen und wichtigen US-Produkten den Marktzugang erschweren würden – wenn es also zu einem ausgewachsenen Handelskrieg käme.

Die EU kann in diesem Handelskonflikt durchaus selbstbewusst auftreten. Es besteht kein Grund, sich von den Drohungen des US-Präsidenten unter Druck setzen zu lassen und Zugeständnisse zu machen, die über eine mengenmäßige Beschränkung der europäischen Stahlexporte hinausgehen. In letzter Instanz schießt sich der US-Präsident mit einer Eskalation des Handelsstreits ökonomisch gesehen nämlich selbst ins Knie.

 

Zu den AutorInnen:

Sabine Stephan leitet das Referat Ökonometrie beim gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Fabian Lindner ist beim IMK Referatsleiter für Allgemeine Wirtschaftspolitik.

 

Hinweis:

Eine detaillierte Analyse der möglichen Auswirkungen von US-Importzöllen finden Sie im in dieser Woche erschienenen IMK Policy Brief „Welche handelspolitische Agenda verfolgt US-Präsident Trump und welche Rolle spielen die Importzölle auf Stahl und Aluminium?“.