Die Weltrangliste der Rezessionsvermeider – Update Q1 2017
103 Quartale am Stück ohne Rezession: Australien baut seine beeindruckende Serie weiter aus. Bis zum (umstrittenen) Rekordhalter fehlt aber noch ein ganzes Stück.
Inzwischen haben die allermeisten OECD-Länder ihre Wachstumszahlen für das 1. Quartal veröffentlicht. Eine besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei immer wieder die Daten aus Down Under. Das liegt nicht daran, dass das Wohl der Weltwirtschaft nun sonderlich an Australien hängen würde, sondern an einem statistischen Rekord: Australien hat seit fast 26 Jahren keine Rezession erlebt. Seit letzter Woche sind es präzise 103 Quartale am Stück.
Wie unsere aktualisierte „Weltrangliste der Rezessionsvermeider“ zeigt, ist es in der jüngeren Vergangenheit nur Japan gelungen, eine noch längere Serie hinzulegen. Die lila Balken markieren Phasen, die noch nicht abgeschlossen sind.
Für Irland, Luxemburg und Neuseeland liegen noch keine Daten für das 1. Quartal vor. Quellen: Nationale Statistikämter, OECD, eigene Berechnungen
Derzeit können von allen OECD-Ländern außer Australien nur die Slowakei und Südkorea eine noch laufende Serie von mehr als einem Jahrzehnt ohne Rezession vorweisen. Die folgende Abbildung zeigt, wie lang die aktuellen Serien für alle OECD-Länder sind. Island (lila Balken) ist derzeit das einzige Land, dessen aktuelle Serie im Falle eines weiteren Quartals mit BIP-Rückgang reißen würde.
Für Irland, Luxemburg und Neuseeland liegen noch keine Daten für das 1. Quartal vor. * Island hatte im 1. Quartal ein negatives Wachstum. Quellen: Nationale Statistikämter, OECD, eigene Berechnungen
Anlässlich der jüngsten Wachstumszahlen war zuletzt sehr häufig zu lesen, dass Australien mit seinen nunmehr 103 Quartalen die bisherige Rekordserie der Niederlande eingestellt habe, die angeblich zwischen 1982 und 2008 stattgefunden haben soll. Das ist aber falsch: Im 2. Quartal 2003 war die niederländische Wirtschaftsleistung um 0,3% gegenüber dem Vorquartal gesunken. Für das folgende 3. Quartal 2003 wird das Wachstum in den meisten Statistiken mit 0,0% ausgegeben – was kein Rückgang ist, und womit eben auch nicht die Definition für eine technische Rezession erfüllt wäre.
Allerdings zeigt ein genauerer Blick in die Statistik, dass die niederländische Wirtschaft im 3. Quartal sehr wohl geschrumpft ist – und zwar laut OECD um präzise -0,014045%, womit die Voraussetzungen für eine technische Rezession erfüllt ist und sich die vermeintliche Rekord-Serie der Niederlande auf 86 Quartale verringert, was aber immerhin noch für Platz 4 reicht.
Es kommt nicht auf die Länge an
Ohnehin sollte man die Rangliste nicht überbewerten – sie ist vor allem eine statistische Spielerei, die eher den Zweck hat, eine gewisse Sensibilität für den Umgang mit solchen Zahlenreihen so fördern. So ist es beispielsweise keinesfalls eindeutig, was eigentlich genau eine Rezession ist: Für unsere Rangliste verwenden wir die einfachste Definition, nach der eine Rezession dann gegeben ist, wenn die Wirtschaftsleistung eines Landes zweimal in Folge im Vergleich zum Vorquartal zurückging. Auch lässt sich definitiv darüber streiten, ob der japanische Rekord überhaupt berücksichtigt werden sollte (hier finden Sie mehr zur Methodik und zu den Schwachstellen dieser Rangliste).
Vor allem aber sagen solche Wachstumsserien nicht zwangsläufig etwas über die Qualität der Wirtschaftspolitik in den einzelnen Ländern aus oder inwiefern sie das Wohlstandsniveau eines Landes wirklich nachhaltig steigern. Dänemark beispielsweise hatte nur eine Phase von knapp zehn Jahren ohne Rezession. Deutschland (34 Quartale) und Island (28) knacken mit ihren längsten Serien ebenfalls nicht die 10-Jahre-Marke. Die Schweiz baut mit putzigen 31 Quartalen momentan ihre persönliche Bestleistung aus – und dennoch zählen diese Länder zu den reichsten und lebenswertesten weltweit.
Die Bezeichnung QE-Programm (Quantitative Easing) ist nicht die offizielle Bezeichnung des Programms der EZB, sondern bezeichnet lediglich eine geldpolitische Methode, bei der die Zentralbank Schuldtitel kauft, um das Niveau der Marktzinsen nach unten zu drücken. Das QE-Programm heißt im offiziellen EZB-Sprachgebrauch Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) und wurde Anfang 2015 beschlossen. Das APP bestand zunächst aus drei Einzelprogrammen zum Ankauf
gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3, Start Oktober 2014),
forderungsbesicherter Wertpapiere (ABSPP, Start November 2014) und
von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP, Start März 2015).
Im Juni 2016 kam das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) hinzu.
Eine genauere Beschreibung der einzelnen Programme finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Die EZB hat für die einzelnen Programme keine konkreten Kaufvolumina, sondern lediglich monatliche Zielmarken für das gesamte APP festgelegt.
März 2015 bis März 2016: 60 Milliarden Euro
April 2016 bis März 2017: 80 Milliarden Euro
April 2017 bis Dezember 2017: 60 Milliarden Euro
Januar 2018 bis September 2018: 30 Milliarden Euro
Was kauft die EZB genau?
Der Blick auf die pro Monat aufgekauften Wertpapiere zeigt, dass die EZB durchaus die Zusammensetzung ihrer Käufe variiert hat und im Rahmen der einzelnen Programme unterschiedlich aktiv war. Auch lag das monatliche Kaufvolumen nicht immer präzise bei den angekündigten 60 bzw. 80 Milliarden Euro – allerdings hat die EZB während der jeweiligen Phasen im Durchschnitt doch ziemlich exakt das angekündigte Volumen gekauft.
Die unterschiedliche Gewichtung der Unterprogramme wird im folgenden Chart noch etwas deutlicher. Dieser zeigt, wie hoch der Anteil der jeweiligen Programme während der einzelnen Monate seit Start des APP im März 2015 war. Daraus wird ersichtlich, dass die EZB den Anteil der gekauften Staatsanleihen zuletzt wieder etwas reduziert hat (von in der Spitze über 90% auf zuletzt etwa 80%).
Worauf es zu achten gilt: Konkrete Umsetzung und Reinvestitionen fälliger Anleihen
In den kommenden Monaten gilt es also vor allem zu beobachten, wie die EZB die angekündigte Reduzierung ihres Aufkaufvolumens konkret umsetzt, weil sich dies auf die betroffenen Marktsegmente unterschiedlich auswirken wird. So hat die EZB wie oben gezeigt seit Start ihrer Aufkaufprogramme demonstriert, dass sie in der Lage und gewillt ist, die angekündigten Kaufvolumina auch tatsächlich umzusetzen. Das heißt, dass die gesamten APP-Bestände in ihrer Bilanz ungefähr dem im folgenden Chart skizzierten Verlauf (rote gestrichelte Linie) folgen und Ende September 2018 ein Gesamtvolumen von ca. 2,6 Billionen Euro erreichen dürften – die Frage ist eben lediglich, durch welche Wertpapiere die große weiße Lücke im Chart konkret gefüllt wird.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass das APP noch lange über sein eigentliches Ende hinaus Wirkung entfalten wird. So hat die EZB bereits im Dezember 2015 angekündigt, die Einkünfte aus bis zur Fälligkeit gehaltenen Anleihen wieder zu reinvestieren und dieses Versprechen auf der Oktober-Ratssitzung noch einmal erneuert und präzisiert. Sollte also beispielsweise eine deutsche Staatsanleihe 2019 fällig und die EZB vom deutschen Staat ausbezahlt werden, wird sie – Stand heute – dieses Geld für den erneuten Erwerb einer (deutschen) Staatsanleihe nutzen. Ihre Bestände an Staatsanleihen werden sich somit nicht zwangsläufig verringern und ihre Präsenz auf den Märkten auch nicht sehr viel kleiner werden – sie schafft nur kein neues Geld, um Staatsanleihen zu erwerben.
QE-Käufe nach Ländern
Die EZB hat beim Start des PSPP (also des Staatsanleihen-Programms) angekündigt, dass sich das Kaufvolumen am Kapitalschlüssel der beteiligten Länder orientieren soll. Jedoch ist die EZB von diesem Ziel deutlich abgewichen: Sie hat mehr Staatsanleihen der großen Eurostaaten gekauft, als dies eigentlich nach dem Kapitalschlüssel angemessen gewesen wäre. So machen beispielsweise deutsche Staatsanleihen mittlerweile knapp 27% des aufgekauften Staatsanleihen-Portfolios aus, obwohl der deutsche Kapitalschlüssel nur bei knapp 18% liegt.
Diese „Bevorzugung“ der großen Staaten könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass es bei den kleineren Ländern schlicht nicht genug Anleihen gibt, damit die EZB ihr angepeiltes Kaufvolumen erreichen kann. Es wird sich zeigen, ob die EZB somit ihr Kaufverhalten ändern wird, wenn sie nur noch eine kleinere Summe an Staatsanleihen aufkaufen muss.
Bilanzsumme
Die im Rahmen des QE-Programms getätigten Käufe machen inzwischen fast die Hälfte der insgesamt knapp 4,4 Billionen Euro großen EZB-Bilanz aus. Wenn die EZB die Summe der monatlichen Anleihekäufe ab Januar senkt, ist in der kurzen Frist zu erwarten ist, dass sich die EZB-Bilanz zunächst etwas langsamer ausweiten wird. Um die tatsächliche expansive Wirkung der Geldpolitik zu beurteilen ist es aber auch notwendig zu beobachten, wie sich die übrigen Posten der Bilanz verändern, was aus heutiger Sicht aber nicht abschätzbar ist.
Glossar: Die Programme im Detail
Das erste Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programme, CBPP) wurde bereits 2009 von der EZB beschlossen, um nach der Finanzkrise den Markt für diese Papiere (z. B. Pfandbriefe) zu stabilisieren und Refinanzierungsproblemen der Banken entgegenzuwirken. Innerhalb eines Jahres wurden Wertpapiere im Gesamtvolumen von 60 Milliarden Euro angekauft. Ein zweites CBPP mit folgte dann von November 2011 bis Oktober 2012. Das aktuell laufende dritte CBPP wurde im Oktober 2014 verabschiedet.
Das Programm zum Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere (Asset Backed Securities Purchase Programme, ABSPP) wurde im September 2014 in Verbindung mit dem Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3) beschlossen. Dabei werden ABS-Papiere am Primär- und Sekundärmarkt aufgekauft.
Im Rahmen des Programms zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme, PSPP) werden seit März 2015 Wertpapiere des öffentlichen Sektors wie Staatsanleihen sowie Schuldtitel europäischer Institutionen und Agenturen gekauft. Für die Ankäufe im Rahmen des PSPP gibt es detaillierte Regeln. So dürfen Staatsanleihen beispielsweise wegen des Verbots der monetären Staatsfinanzierung nur am Sekundärmarkt erworben werden. Es dürfen nur Papiere mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufgekauft werden. Zudem will die EZB nicht mehr als 33% aller auf den Sekundärmärkten befindlichen Papiere aufkaufen.
Mit dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP) werden seit Juni 2016 auch Anleihen von Unternehmen in der Eurozone erworben. Ausgeschlossen sind Kreditinstitute und Unternehmen, deren Anleihen von den Ratingagenturen nicht mindestens als „Investment Grade“ bewertet werden. Die Anleihen müssen Laufzeiten zwischen sechs Monaten und 30 Jahren haben und können sowohl am Primärmarkt als auch am Sekundärmarkt gekauft werden.