Handelskonflikte

Trumps Pyrrhussiege

Trumps konfrontative Handelspolitik mag ihm einige kurzfristige Erfolge gebracht haben. Doch langfristig verspielen die USA ihr jahrzehntelang aufgebautes Kapital – und könnten ihre ökonomische und geopolitische Hegemonie verlieren. Ein Beitrag von Bernd Zattler.

Am sogenannten „Liberation Day“ (2. April 2025) hatte US-Präsident Donald Trump neue Importzölle für rund 60 Länder angekündigt. Die Zollsätze wurden auf der Grundlage des Handelsdefizits dieser Länder mit den USA festgelegt und waren deutlich höher als die bis dahin gültigen Sätze. Seitdem befinden sich die USA in Verhandlungen mit anderen Regierungen. Während mit der EU Ende Juli eine Rahmenvereinbarung erzielt wurde, gehen die Verhandlungen mit anderen Ländern wie China, Indien, Kanada und Mexiko wohl weiter. Die daraus resultierende Unsicherheit an den Aktien- und Anleihemärkten führte zu zeitweiligen Anstiegen der Zinsen auf langfristige Staatsanleihen und einer Abwertung des Dollars.

Die Zollpolitik ist Teil der Strategie der Trump-Administration, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um die USA zu begünstigen – oder zumindest den Anschein zu erwecken, dies zu tun. Während andere Regierungen darauf abzielen, durch Zusammenarbeit Win-Win-Szenarien zu schaffen, konzentriert sich Trump in erster Linie darauf, die Gewinne der USA (und die seiner Familie und Anhänger) auf Kosten anderer Nationen zu maximieren.

Trump verscherbelt das Familiensilber

Die Vereinigten Staaten haben in Zusammenarbeit mit ihren Verbündeten über Jahrzehnte soziales, kulturelles und ökonomischen Kapital aufgebaut. Dieses spiegelte sich in internationalen Vereinbarungen und Organisationen, dem Vertrauen und der Loyalität anderer Nationen, der Attraktivität des Landes, das auf Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit und Großzügigkeit beruht, sowie in der Glaubwürdigkeit der USA als Geschäftspartner und Schuldner wider. Doch Trumps Bereitschaft, dieses Kapital zur Erreichung oft kurzfristiger wirtschaftlicher Ziele zu nutzen führt zur Erschöpfung dieses Sozialkapitals. Angesichts der Bedrohung der Hegemonie der USA durch andere aufstrebende Mächte zerstört Trump die Säulen, auf denen diese Dominanz ruht.

Stephen Miran, der Vorsitzende des Council of Economic Advisors unter Trump, hat in seinem Aufsatz „A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System“ vom November letzten Jahres den Begründungszusammenhang für diese extraktive Strategie dargelegt. Er argumentiert, dass die Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter durch die USA, wie militärischer Schutz und des Dollar als globaler Reservewährung, Kosten verursacht, für die andere Länder aufkommen sollten. Insbesondere führe die durch den Reservewährungsstatus des Dollars bedingte hohe Nachfrage nach US-Staatsanleihen zu einer Überbewertung der Währung, was Handelsbilanzdefizite und eine Deindustrialisierung zur Folge hat.

Miran vernachlässigt, dass diese globale Rolle eine Grundlage der Hegemonie der USA darstellt und Vorteile mit sich bringt, wie etwa die Möglichkeit, im Ausland Kredite in eigener Währung aufzunehmen und andere Länder z.B. durch Sanktionen zu einem wohlwollenden Verhalten zu motivieren. Miran empfiehlt, daß die USA diese internationalen öffentlichen Güter als Druckmittel nutzen, um hohe Zölle durchzusetzen und andere Vorteile zu erlangen. Diese „Weaponization“ des US-Vermögens soll auch dazu dienen, die Verschuldung der USA zu reduzieren. Sie ist Teil der sogenannten Mar-a-Lago-Vereinbarung, die weitgehend Miran zugeschrieben wird.

Die postulierten Hauptziele Trumps bei den Handelsverhandlungen mit anderen Ländern sind die Erhöhung der Zolleinnahmen, die Stärkung der heimischen Produktion und die Verringerung des US-Handelsdefizits. Darüber hinaus soll die Androhung hoher Zölle als Druckmittel dienen, um andere Ziele zu erreichen, z. B. die Rückführung von Migranten und die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen.

Zölle statt Steuern

Infolge von Trumps All-in-Strategie werden die Ergebnisse der Handelsverhandlungen äußerst asymmetrisch ausfallen, d.h. die meisten Handelspartner werden erhebliche Zugeständnisse machen. Das Yale Budget Lab hat berechnet, dass seit dem „Liberation Day“ die durchschnittlichen Importzölle der USA von weniger als 3% auf 17,5% gestiegen sind. Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage aller bis zum 30. Juli bekannt gegebenen Zölle; sie berücksichtigt indirekte und dynamische Wirkungen, wie die durch die Zölle verursachten Veränderungen des Konsumverhaltens. Demnach werden die neuen Zölle im Zeitraum 2026-2035 zu Mehreinnahmen der US-Regierung in Höhe von 2,3 Billionen US Dollar führen.

Weiterhin schätzt das Budget Lab, dass die Zollerhöhungen zu einer Verminderung der Wirtschaftleistung der USA um 0,5% führen, die Arbeitslosenrate um 0,7% erhöhen und eine Steigerung der Inflationsrate um 1,8% zur Folge haben, was einer durchschnittlichen jährlichen Belastung von 2.400 US-Dollar pro Haushalt entspricht. In Bezug auf die Wirkungen auf die US-Handelspartner gehen fast alle Beobachter davon aus, dass die Trump’sche Zollpolitik zu erheblichen globalen Wohlstandsverlusten führt; Bloomberg beziffert diese auf rund 2 Billionen Dollar bis zum Jahr 2027.

Wer am Ende die Kosten der hohen US-Zölle trägt, hängt u.a. davon ab, ob die Importeure die Zölle an die Verbraucher weitergeben können, was die niedrigen Einkommensschichten wegen ihrer höheren Konsumquote mehr belasten würde. Bisher scheinen sich die Zollerhöhungen aber nur mäßig in der Inflationsrate niederzuschlagen, u.a. wegen hoher Lagerbestände und weil viele Importeure offenbar die finanziellen Einbußen und einen geringeren Gewinn in Kauf nehmen, da sie nicht wissen, ob die jeweils gültigen Sätze von Dauer sind. In dem Maße wie diese Unsicherheit sinkt, wird voraussichtlich ein großer Teil der zusätzlichen Zölle die Konsumenten zusätzlich belasten.

Stärkung der US-Industrie

Eine weitere Frage ist, ob die Erhöhung der Zölle Investitionen in die US-Industrie und die Verlagerung von Industrieaktivitäten befördern kann. Ich gehe davon aus, dass die Zölle auch nach Trumps Präsidentschaft auf einem hohen Niveau bleiben werden. Sie stellen eine wichtige Einnahme dar, auf die auch zukünftige Regierungen angesichts der hohen Staatsverschuldung und großer Widerstände gegen Steuererhöhungen nicht verzichten werden. Daher scheint mir das Argument nicht überzeugend, dass sich Unternehmen in der Erwartung wieder sinkender Zollsätze gegen eine Verlagerung ihrer Produktion in die USA entscheiden werden. Auch die mit einigen Handelpartnern wie der EU, Japan und Saudi-Arabien vereinbarten zusätzlichen Käufe und Investitionen in den USA werden angesichts des Drucks der US-Regierung zum Teil erfolgreich sein.

Grundsätzlich ist ein Zoll auf ein breites Spektrum von Importen wie im Fall der zwischen der EU und den USA vereinbarten 15% weder für die Vereinigten Staaten noch für die Handelspartner vorteilhaft, da dadurch gegebenenfalls Waren im Inland hergestellt werden, die effizienter bzw. billiger importiert werden könnten. Angesichts der zunehmenden Rivalität von Ländern und Ländergruppen gibt es jedoch strategische Gründe, in bestimmten Bereichen die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren, wie bei Bestandteilen von militärischer Ausrüstung oder bei bestimmten pharmazeutischen Produkten.

Hinsichtlich der Frage, ob die Importzölle geeignet sind, das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren, lohnt ein Blick auf die Zahlungsbilanz. Die USA erwirtschaften hohe Defizite im Handel mit Waren und geringere Überschüsse mit Dienstleistungen. Im Resultat verbleibt ein hohes Leistungsbilanzdefizit. Dieses wird finanziert durch hohe Kapitalimporte, u.a. durch den Kauf von Staatsanleihen durch Ausländer. Die Finanzierung der steigenden Staatsverschuldung erfordert, dass die in- und vor allem ausländischen Gläubiger Vertrauen in die Fähigkeit und den Willen der US-Regierung haben, ihre Schulden zu begleichen. Diese Fähigkeit hängt maßgeblich vom Schuldenniveau ab, der Unabhängigkeit der Federal Reserve und ihrer Verpflichtung, die Inflation niedrig zu halten. Beides wurde in den letzten Monaten angekratzt.

Eine Alternative wäre, dass die Amerikaner ihre sehr niedrige Sparquote erhöhen, z. B. durch den Abbau der Staatsverschuldung – aber das ist kein Rezept für Wahlerfolge. Ein politisch zweckmäßigerer Ansatz mag sein, das Haushaltsdefizit durch eine versteckte Steuer auf niedrige und mittlere Einkommensgruppen in Form von Einfuhrzöllen zu begrenzen.

Die Handelsvereinbarung mit der EU

Am 27. Juli einigten sich die EU und die USA auf die Grundlagen eines neuen Handelsabkommens. Die Vereinbarung hat drei zentrale Bestandteile. Erstens die Erhöhung der Zölle für die meisten EU-Exporte in die USA von gegenwärtig durchschnittlich 1,6% auf 15%, bei gleichzeitiger Reduzierung der EU-Zölle auf fast alle amerikanischen Importe auf Null. Zweitens die Zusage der EU, Investitionen in den USA in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar vorzunehmen. Drittens soll die EU amerikanische Engergieerzeugnisse in Höhe von 750 Milliarden US-Dollar kaufen. Teil dieser Verpflichtungen scheint der Kauf von US-Rüstungsgütern zu sein.

Die erzielten Vereinbarungen sind vage, rechtlich (noch) nicht verpflichtend und werden von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert. Sie lassen auch viele wichtige Details offen, u.a. inwieweit die genannten Käufe und Investitionen der Europäer angesichts des Umstandes, dass sie von privaten Unternehmen zu tätigen wären, durchgesetzt werden können. Auch ist unklar, inwieweit es sich um zusätzliche Maßnahmen handelt.

Es ist jedoch offensichtlich, dass die Vereinbarung in hohem Maße assymetrisch ist. Im Kern zahlen die Europäer einen Tribut dafür, dass sich Amerika weiterhin am militärischen Schutz Europas beteiligt und bei der Unterstützung der Ukraine kooperiert. Insofern liegen Beobachter wie ifo-Präsident Clemens Fuest richtig, die die Vereinbarung als Ausdruck der „gegenwärtigen Kräfteverhältnisse beider Seiten“ interpretieren. Hierfür spricht auch, dass Japan, das ebenfalls im Verteidigungsbereich von den USA abhängig ist und einen hohen Handelsüberschuss hat, einen sehr ähnlichen Deal abgeschlossen hat. Ich gehe davon aus, dass die Zollverhandlungen mit Kanada weitergeführt werden und zu einem ähnlichen Deal führen werden.

Die Schulden drücken

Die US-Staatsverschuldung hat ein kritisches Niveau erreicht. Die Schulden der Bundesregierung belaufen sich derzeit auf rund 36 Billionen Dollar, was etwa 124% des BIP entspricht (einschließlich der von der Fed gehaltenen Staatsanleihen und der Schulden der Sozialversicherungsträger). Das Haushaltsdefizit lag 2024 bei 6,4% des BIP und wird laut Regierung im Jahr 2025 6,2% betragen. Im Jahr 2025 werden die Zinszahlungen fast 14% der Ausgaben des Bundeshaushalts ausmachen und damit den zweitgrößten Ausgabenposten darstellen. Die Verschuldung der USA liegt somit weit über der durchschnittlichen Verschuldung der EU-Länder und deutlich über den Maastricht-Kriterien (60% des BIP und 3% Haushaltsdefizit).

Nach der Ankündigung der neuen Zölle im April 2025 stiegen die Renditen langfristiger Staatsanleihen um fast 50 Basispunkte, während der Dollar abwertete. Dies ist sehr ungewöhnlich, da Anleger den Dollar trotz höherer Renditen meiden. Die sogenannten „Bond Vigilantes“ – also Anleger, die negativ auf eine als nicht nachhaltig empfundene Finanzpolitik reagieren – zwangen Trump (nach Intervention des Finanzministers Scott Bessent), die Einführung der Zölle zu verschieben. Dies unterstreicht die Bedeutung von US-Staatsanleihen, die als Benchmark für die globalen Kreditmärkte dienen. Höhere Renditen erhöhen die Kreditkosten und erschweren es den USA, sich weiterhin günstig im Ausland zu verschulden. Außerdem heizen sie die Inflation an und dämpfen die Wirtschaftstätigkeit.

Das Vertrauen der Anleger wurde durch Spekulationen, dass Zentralbanken anderer Länder gezwungen werden sollen, 100-jährige Anleihen ohne Verzinsung zu erwerben, weiter erschüttert. Für zusätzliche Unruhe sorgte Abschnitt 899 von Trumps zentralem Gesetzespaket, dem One Big Beautiful Bill Act (BBB), der Vergeltungssteuern auf US-Einkommen von Investoren aus „diskriminierenden ausländischen Ländern“ vorsah (der Abschnitt wurde vor Verabschiedung des Gesetzes durch den Kongress gestrichen). Die Glaubwürdigkeit der USA als Gläubiger wird auch durch Trumps öffentliche Diskreditierung der Politik der Federal Reserve und ihres Vorsitzenden Jerome Powell sowie die Infragestellung der Unabhängigkeit der Institution beschädigt. Dasselbe gilt für die Entlassung der Leiterin der US-Statistikbehörde vor ein paar Tagen.

Das Ende des „exorbitanten Privilegs“?

Trumps erratische Politik hat die Skepsis der Anleger gegenüber der fiskalischen Verlässlichkeit Amerikas weiter verstärkt. Dies spiegelt sich auch in der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur Moody‘s und in Portfolio-Umschichtungen von Anlegern zugunsten von Nicht-US-Assets wider. Die Besorgnis über die Aushöhlung des „exorbitanten Privilegs“ (Valéry Giscard d’Estaing) der Vereinigten Staaten, sich in ihrer eigenen Währung zu günstigen Konditionen verschulden zu können, schreitet voran. Eine weitere Monetarisierung der Schulden durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die Fed könnte das Vertrauen weiter schwächen und die Inflation anheizen.

Dies und die geopolitischen Veränderungen hin zu einer multipolaren globalen Ordnung werden die Rolle des Dollar als Weltreservewährung schwächen. Angesichts des Mangels an guten Alternativen wird der Doller jedoch noch einige Zeit die wichtigste Währung bleiben. Dem Euro jedenfalls fehlt noch viel, um den Dollar herauszufordern, u.a. die Tiefe des Marktes angesichts der Fragmentierung des europäischen Banken- und Kapitalmarktes.

Die Big Beautiful Bill sieht eine Verlängerung der Steuererleichterungen für Unternehmen und für überwiegend wohlhabende Privatpersonen vor, die erstmals während Trumps erster Amtszeit mit dem Tax Cuts and Jobs Act (TCJA) eingeführt wurden. Diese Steuererleichterungen erhöhen das Defizit in den kommenden zehn Jahren um etwa 4,5 Billionen Dollar, was etwa dem Doppelten der geschätzten Mehreinnahmen in Höhe von 2,3 Billionen Dollar durch höhere Zölle entspricht (siehe oben). Desweiteren beinhaltet das Haushaltsgesetz Erhöhungen der Ausgaben für Verteidigung und Grenzschutz. Da dem vor allem Kürzungen bei den Sozialprogrammen gegenüberstehen und die neuen Importzölle regressiv wirken, wird das BBB insgesamt zu einer massiven Umverteilung auf Kosten der unteren Einkommensschichten führen.

Die Republikaner setzen sich gemeinhin für niedrige Steuern und Haushaltsdisziplin ein – was sie in Wirklichkeit nur selten erreicht haben. Trotz der hohen zusätzlichen Zolleinnahmen erreicht das Haushaltsdefizit in 2025 ein Rekordniveau von fast 4,0 Billionen Dollar. Die steigende Schuldenlast, die Erhöhung der Inflationsrate, steigende Arbeitslosigkeit und rückläufige Wachstumsraten könnten dazu führen, dass die Unterstützung für Trump bröckelt, selbst wenn er sich aus Affären wie jener um die Eppstein-Files herauswinden kann.

Trump setzt die gesamte Macht der USA als Waffe ein, um die Ziele seiner Agenda zu erreichen. Auf diese Weise untergräbt er das soziale Kapital, auf dem die Hegemonie der USA beruht. Diese All-in-Strategie mag ihm eine starke Position bei den Verhandlungen mit anderen Ländern verschafft haben, die ihm voraussichtlich weitere kurzfristige Erfolge einbringen wird. Auf lange Sicht jedoch dürften die Nachteile die vermeintlichen Vorteile überwiegen – und somit sowohl die politische Position Trumps und des Trumpismus als auch die Machtposition der Vereinigten Staaten in der Welt schwächen.

 

Zum Autor:

Bernd Zattler ist Managing Partner der LFS Advisory GmbH und Gründer der Access Microfinance Holding AG. Er war bis 2022 CEO der Access-Bankengruppe und ist derzeit in den Aufsichtsräten mehrerer Access-Tochtergesellschaften. Darüber hinaus ist er als Investor und Autor tätig.