In der letzten Woche haben sich die Nato-Staaten auf ein neues Ziel für ihre Verteidigungsausgaben verständigt. Die Verpflichtung sieht vor, dass die Mitgliedsländer 3,5% ihres Bruttoinlandsprodukts für „Kern“-Verteidigungsausgaben und weitere 1,5% für flankierende Infrastrukturen und digitale Resilienz aufwenden, insgesamt also 5%. Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten erklärten daraufhin, die EU-Länder sollten „die Umsetzung der entsprechenden Verpflichtungen untereinander koordinieren“.
Dies ist insofern von Bedeutung, als die Ziele für die einzelnen Länder unrealistisch und politisch nicht tragbar sind. Sie können nur durch eine Verlagerung hin zu einer zentralen Bereitstellung von Verteidigungsgütern auf europäischer Ebene als Teil einer umfassenden gemeinsamen EU-Verteidigungsstrategie erreicht werden. Dies würde die Verschwendung öffentlicher Mittel verringern und die Wirksamkeit der Verteidigungsausgaben erhöhen.
Viele EU-Länder sind mit harten Haushaltszwängen konfrontiert. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass Länder, die jahrzehntelang damit zu kämpfen hatten, ein Verteidigungsausgabenziel von 2% zu erreichen, jetzt glaubhaft ein ungerechtfertigtes, viel höheres Ziel umsetzen. Selbst wenn der politische Wille vorhanden wäre (was alles andere als sicher ist), sehen sich diese Länder mit Marktdisziplin und gesellschaftlichen Zwängen konfrontiert. Ohne eine gegenseitige Anstrengung bei den Verteidigungsausgaben wären die mit einem 5%-Ziel verbundenen finanzpolitischen Kompromisse für die Öffentlichkeit in vielen EU-Ländern unverdaulich. Es ist zu erwarten, dass das neue Ziel die Regierungen zu einer kreativen Buchführung und zur Übertragung von Entscheidungen auf ihre Nachfolger veranlassen wird: „extend and pretend“ wird wahrscheinlich zur Norm werden.
Die Bürger ziehen es vor, bestehende Gelder besser auszugeben, bevor sie bereit sind, mehr auszugeben. Im europäischen Kontext bedeutet dies eine Zentralisierung und Koordinierung der nationalen Fähigkeiten, um Doppelausgaben zu vermeiden, die Ausrüstung zu standardisieren und öffentliche Verteidigungsgüter gemeinsam bereitzustellen. Erst wenn die erheblichen Ineffizienzen, die mit 27 separaten Armeen einhergehen, abgebaut sind und dadurch erhebliche zusätzliche Ressourcen für die Aufrüstung frei werden, wird das höhere nominale Ausgabenziel zu einem politisch umsetzbaren Vorschlag. Effizienz- und Effektivitätsgewinne könnten letztlich beweisen, dass die angestrebte Erhöhung der Gesamtausgaben überzogen ist, was eine Überprüfung rechtfertigt.
Die EU-Länder haben am 26. Juni eine Bilanz der neuen Nato-Ziele gezogen. Darin erkennen sie an, dass die Verteidigung zu Lande, zur See und in der Luft ein öffentliches europäisches Gut ist (Punkt 18 ihres Kommuniqués). Die EU-Kommission wird aufgefordert, neue Initiativen für die Finanzierung vorrangiger Verteidigungsfähigkeiten (insbesondere bei der gemeinsamen Beschaffung) und für die grenzüberschreitende militärische Mobilität vorzuschlagen. Die Kommission sollte nun einen „EU-Pfad“ anbieten, um die 3,5% plus 1,5%-Ziele politisch und finanziell tragfähig zu machen.
Die Kommission sollte die Liste der Fähigkeitslücken abarbeiten, die der Militärstab der Europäischen Union (EUMS) Anfang 2025 ermittelt hat. Einige davon, darunter Luftverteidigung, Grenzbefestigungen und Seepatrouillen, können als öffentliche europäische Güter betrachtet werden, und die Kommission sollte vorschlagen, sie über EU-Anleihen zu finanzieren und in den nächsten EU-Haushaltszyklus (mehrjähriger Finanzrahmen, 2028-2035) aufzunehmen.
Dies könnte etwa 1% des BIP ausmachen, so dass die Länder den verbleibenden Anstieg der Kernverteidigungsausgaben um 0,5 Prozentpunkte aus ihren nationalen Haushalten finanzieren müssten. Die Zusammensetzung der Ausgabenerhöhung ist ebenfalls wichtig: Sie sollte nicht nur zur Finanzierung höherer Militärgehälter dienen, ohne dass die Zahl der Beschäftigten und die Menge der Ausrüstung erhöht wird.
Mit Blick auf das 1,5%-Ziel für die Infrastruktur sollte die EU einen grenzüberschreitenden Infrastrukturplan aufstellen, bei dem die EU und die Mitgliedstaaten jeweils 0,75% des BIP für weitreichende und grenzüberschreitende Infrastrukturen zur Verbindung Europas bereitstellen, sofern diese Infrastrukturen zur militärischen Einsatzbereitschaft beitragen. Wenn man es geschickt anstellt, würde dies auch Vorteile für die Zivilbevölkerung bieten. Die verstärkten Anstrengungen müssen im Rahmen eines Plans unternommen werden, der die kurzfristige Notwendigkeit einer schnellen Reaktion mit der langfristigen Notwendigkeit der Schaffung einer echten Europäischen Verteidigungsunion in Einklang bringt.
Nur mit einer deutlichen Beschleunigung der EU-Integration, die eine gemeinsame Bereitstellung und Finanzierung gemeinsamer Fähigkeiten umfasst, werden die Ziele von 3,5% und 1,5% politisch und finanziell realisierbar sein. Ohne einen solchen Vorstoß werden einige Länder unweigerlich die geforderten Leistungen nicht erbringen – unabhängig davon, ob sie die Ziele formell erfüllen oder nicht. Dies könnte von anderen EU-Ländern als mangelnde Solidarität ausgelegt werden und die Reziprozität untergraben, auch in künftigen Krisen. Außerdem würde dies der US-Regierung einen einfachen Vorwand liefern, um sich aus der Nato-Verpflichtung zur Verteidigung der EU-Mitglieder herauszuwinden.
Zu den Autoren:
Roel Beetsma ist Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität von Amsterdam und Professor für Makroökonomie. Er ist außerdem Gastprofessor an der Copenhagen Business School und Research Fellow des CEPR und des CESifo.
Marco Buti ist Inhaber des Tommaso Padoa-Schioppa-Lehrstuhls für wirtschaftliche und monetäre Integration am Europäischen Hochschulinstitut. Außerdem war er Stabschef des Kommissars für Wirtschaft, Paolo Gentiloni, und bis 2019 Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission.
Francesco Nicoli ist Assistenzprofessor für Politikwissenschaft am Instituto Politecnico in Turin. Außerdem ist er Professor für politische Ökonomie an der Universität Gent und Affiliate Fellow am Fachbereich Wirtschaft der Universität Amsterdam sowie Non-Resident Fellow beim Thinktank Bruegel, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist.