Tapering-Monitor

EZB weiter im Standby-Modus

Die Europäische Zentralbank kann derzeit relativ entspannt beobachten, wie sich die Veränderung ihres QE-Programms auswirkt. Die Entscheidung über den weiteren Verlauf der Anleihenkäufe rückt aber näher.

Die neueste Ausgabe unseres Tapering-Monitors finden Sie hier.

 

Ginge es nach Mario Draghi, hätte die gestrige EZB-Ratssitzung wohl auch problemlos ausfallen können. Denn die Zentralbank befindet sich derzeit in einem „wait and see“-Modus mit geringem Kommunikationsbedarf: Seit die EZB im Januar die Reduzierung ihrer Anleihenkäufe umgesetzt hat, gilt es nun zu beobachten, wie sich diese Entscheidung auf Finanzmärkte und Realwirtschaft auswirken. Gleiches gilt im Übrigen auch für den Handelsstreit mit den USA, in dem die EZB nicht mehr als eine Zuschauerrolle in der ersten Reihe hat. Ob und in welchem Umfang die Anleihenkäufe über ihr bisheriges Enddatum im September hinaus fortgesetzt werden, wird dann voraussichtlich bei den nächsten Sitzungen im Juni oder Juli entschieden.

Was die EZB bisher zu sehen bekommen hat, dürfte ihr trotz der weiterhin sehr verhaltenen Inflationsentwicklung und zuletzt etwas weniger positiven Konjunkturdaten durchaus gefallen. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die EZB-Politik die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone gefährden würden, wie die Indikatoren in unserem Tapering-Monitor zeigen. In diesem dokumentieren wir nach jeder EZB-Sitzung, wie sich die Anpassungen des QE-Programms auf verschiedene volkswirtschaftliche Bereiche auswirken.

Hier zunächst ein kurzer Blick auf die wichtigsten Entwicklungen. Am Textende finden Sie wie gewohnt die Übersicht mit allen betrachteten Indikatoren und den entsprechenden Erläuterungen.

QE-Käufe und EZB-Bilanz

Eine wichtige Frage nach der Tapering-Ankündigung vom Oktober war, wie die EZB konkret ihr Kaufvolumen reduzieren würde: ob sie also eher beim PSPP (dem Staatsanleihen-Programm) oder bei den privaten Unternehmensanleihen Abstriche machen würde. In den ersten drei Monaten nach der Reduzierung hat die EZB diese Frage eindeutig beantwortet: Sie kauft deutlich weniger Staatsanleihen. Deren Anteile an den monatlichen Gesamtkäufen liegen seit Jahresbeginn bei nur noch um die 70%, zuvor waren meist deutlich über 80%.

Zinsen

Daraus leitet sich unter anderem die Frage ab, wie sich das deutlich verringerte Kaufvolumen auf die Renditen für europäische Staatsanleihen ausgewirkt hat. Antwort: nicht wirklich. So ist die Zinskurve für alle Anleihen der Eurostaaten zusammen derzeit immer noch etwas flacher als im Oktober 2017. Die Renditen für deutsche Bundesanleihen sind im Trend weiter moderat gestiegen, etwas weniger stark auch die französischen. Der schon seit längerem andauernde Zinsrückgang in der Euro-Peripherie hat sich dagegen weiter fortgesetzt. Alles in allem liegen die Zinsunterschiede („Spreads“) der übrigen Eurostaaten gegenüber Deutschland unverändert auf sehr niedrigem und weiter sinkenden Niveau.

Kreditvergabe

Mittlerweile liegen auch erste Indizien für die Zeit nach der QE-Reduzierung für die Entwicklung der Kreditvergabe an die Privatwirtschaft vor, und auch hier ist von einem Bremseffekt durch die reduzierten Anleihekäufe nichts zu sehen. Die Finanzierungskosten der realwirtschaftlichen Unternehmen sind in den meisten Ländern weiter leicht gesunken, das Wachstum der neuvergebenen Kredite hält an.

Inflation

Bei ihrem Hauptziel – der Preisentwicklung – gibt es für die EZB jedoch keine zufriedenstellenden Nachrichten. Die Inflationsrate für die Eurozone liegt mit derzeit 1,3% weiterhin deutlich unter der 2%-Zielmarke. Die Kerninflation kommt ebenfalls nicht vom Fleck und verharrt seit geraumer Zeit bei um die 1%. Zudem liefern weder die marktbasierten noch die umfragebasierten Inflationserwartungen Hinweise auf eine nachhaltige Entwicklung in die von der EZB gewünschte Richtung.

Arbeitsmarkt

Ob die Inflationsrate sich in Richtung des EZB-Zielwerts entwickelt, hängt auch stark von der Entwicklung auf den europäischen Arbeitsmärkten ab. Die Beschäftigungssituation hat sich in den größeren Eurostaaten auch zu Jahresbeginn weiter verbessert, lediglich in Italien sinkt die Arbeitslosigkeit nicht. An dieser Stelle gilt es aber wie immer darauf hinzuweisen, dass es auch Anzeichen dafür gibt, dass die Arbeitslosenquote die Lage auf dem Arbeitsmarkt besser zeichnet als sie tatsächlich ist. Das könnte der Grund dafür sein, dass die Löhne in der Eurozone weniger als erwartet gestiegen sind.  So berücksichtigt die „offizielle” Arbeitslosenquote unter anderem keine Menschen, die es aufgegeben haben, aktiv nach Arbeit zu suchen. Laut den neuesten Daten für das 4. Quartal 2017 war die Arbeitslosigkeit aber auch in dieser breiteren Definition weiter zurückgegangen.

Wechselkurse

An der Wechselkurs-Front ist es für die EZB nach der starken Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar zu Jahresbeginn inzwischen wieder ziemlich ruhig geworden. Die Gemeinschaftswährung war gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner zuletzt ziemlich stabil.

Aktienmärkte

Deutlich bewegter ging es dagegen in den letzten Wochen und Monaten auf den Aktienmärkten zu – was für die EZB durchaus relevanter sein dürfte, als es manche ihrer Vertreter gelegentlich betonen. So hat die Zentralbank gerade während einer Anpassungsphase ihrer Politik noch mehr als sonst ein gewisses Interesse an einer hohen Finanzstabilität. Somit wird es durchaus im Sinne der EZB gewesen sein, dass es auch an den europäischen Aktienmärkten nach den teils herben Abwärtskorrekturen im Februar und März zuletzt wieder aufwärts ging.

Hier noch abschließend die Übersicht aller von uns berücksichtigten Indikatoren. Wenn Sie auf einen Indikator klicken, öffnet sich ein Fenster mit den dazugehörigen Charts sowie Erklärungen, warum wir das Verfolgen dieses Indikators für wichtig erachten.

 

QE-Käufe & EZB-Bilanz

Inflation

Kreditvergabe

Zinsen

Arbeitsmarkt

Wechselkurse

Profitabilität der Banken

Aktienmärkte

 

Zu den Autoren:

Lukas Nüse ist Student an der Hertie School of Governance in Berlin und hat zuvor Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn studiert. Außerdem hat er u.a. bei der Bertelsmann-Stiftung in Brüssel, im Bundesfinanzministerium sowie im Bundesministerium für Arbeit und Soziales gearbeitet.

Philipp Stachelsky ist Herausgeber des Makronom.