Die Zentralbanken kommen ihren Inflationszielen näher
In vielen Volkswirtschaften haben sich die Preissteigerungsraten in den letzten drei Monaten den von den Währungshütern gesteckten Zielmarken angenähert. Insgesamt treffen derzeit aber nur vier der 26 wichtigsten Zentralbanken ihre Inflationsziele halbwegs präzise.
Das Primärziel der allermeisten Zentralbanken besteht darin, „Preisstabilität“ zu gewährleisten. Darunter versteht man in der Regel das Ansteuern eines bestimmten Zielwertes, den die Inflationsrate in einer Volkswirtschaft erreichen soll.
Bei welcher Inflationsrate diese Preisstabilität tatsächlich erreicht wird, ist wiederum keinesfalls eindeutig. Die meisten westlichen Zentralbanken haben sich ein Inflationsziel von 2% gesetzt. Andere Zentralbanken geben neben der Zielmarke auch einen Toleranzbereich an, in dem sich die Inflationsrate bewegen kann. Manche Notenbanken, wie z. B. die südafrikanische Zentralbank, verwenden auch nur ein Zielband, innerhalb dessen die Inflationsrate schwanken soll.
Im Makronom zeigen wir einmal pro Quartal, wie (un-)präzise die 26 wichtigsten Zentralbanken ihre Inflationsziele treffen. Den Monitor haben wir erstmals im Januar veröffentlicht. Seitdem haben wir die Methodik etwas angepasst: Um das Gewicht eventueller Ausreißer zu reduzieren, verwenden wir jetzt nicht mehr die Inflationsrate des letzten verfügbaren Monats, sondern bilden den Durchschnitt der letzten drei Monate ab.
Die Ergebnisse der aktuellen Auswertung zeigen, dass insgesamt zwölf der 26 Zentralbanken ihren Inflationszielen in den letzten drei Monaten nähergekommen sind. Die größten Fortschritte hat die russische Notenbank gemacht: Die durchschnittliche Inflationsrate in Russland ist von 14,5% im 4. Quartal 2015 auf inzwischen 8,4% gefallen. In sechs Ländern hat sich die Inflationsrate vom angepeilten Zielwert weg bewegt. Acht Zentralbanken – darunter auch die EZB – sind ihrem Ziel weder sonderlich nähergekommen, noch haben sie sich weiter von ihm entfernt.
Der Chart zeigt, dass es trotz der in den letzten Monaten erzielten Fortschritte derzeit nur sehr wenigen Zentralbanken gelingt, ihre Inflationsziele zu treffen. Lediglich fünf von ihnen – nämlich die Zentralbanken Kanadas, Mexikos und Indonesiens sowie mit Abstrichen auch die Islands– liegen nahe bei ihrem Zielwert bzw. innerhalb ihres Zielbands. Auffällig ist auch, dass Norwegen die einzige Industrienation ist, die derzeit eine Inflation oberhalb des Zentralbankziels verzeichnet.
Disclaimer: (Mittelfristige) Inflationserwartungen und unterschiedliche Prioritäten
Man muss allerdings erwähnen, dass der Monitor eine Schwachstelle hat: Er zeigt immer die jeweils aktuellste Inflationsrate an, wogegen viele Zentralbanken (wie z. B. die EZB) die gesteckten Inflationsziele „mittelfristig“ anpeilen. Das bedeutet, dass sie ihre Geldpolitik eher an den Inflationserwartungen, als an der aktuellen Inflationsrate orientieren. Wenn also eine Inflationsrate momentan nahe am Zielwert liegt, könnte sich eine Zentralbank dennoch zum Handeln gezwungen sehen, wenn die Inflationserwartungen eine deutliche Abweichung von diesem Ziel signalisieren.
Geldpolitik ist immer auch eine Frage von Prioritäten
Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass selbst eine Punktlandung bei der Inflationsrate nicht zwangsläufig etwas über die Qualität der jeweiligen Geldpolitik aussagt. Es ist nämlich keinesfalls ausgemachte Sache, dass eine Zentralbank, die ihr Inflationsziel perfekt trifft, auch die richtige Geldpolitik für die betroffene Volkswirtschaft macht. So kann man trefflich darüber streiten, ob beispielswese eine Straffung der Geldpolitik unter dem Primat der Preiswertstabilität auch dann richtig ist, wenn das Wachstum (zu) stark gebremst wird und zu einer ansteigenden Arbeitslosigkeit führt – Geldpolitik ist eben immer auch eine Frage von Prioritäten. Auch gibt es zahlreiche Diskussionen darüber, ob die gesteckten Inflationsziele überhaupt angemessen sind oder sie nicht vielleicht höher oder niedriger sein sollten.
Die Bezeichnung QE-Programm (Quantitative Easing) ist nicht die offizielle Bezeichnung des Programms der EZB, sondern bezeichnet lediglich eine geldpolitische Methode, bei der die Zentralbank Schuldtitel kauft, um das Niveau der Marktzinsen nach unten zu drücken. Das QE-Programm heißt im offiziellen EZB-Sprachgebrauch Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) und wurde Anfang 2015 beschlossen. Das APP bestand zunächst aus drei Einzelprogrammen zum Ankauf
gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3, Start Oktober 2014),
forderungsbesicherter Wertpapiere (ABSPP, Start November 2014) und
von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP, Start März 2015).
Im Juni 2016 kam das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) hinzu.
Eine genauere Beschreibung der einzelnen Programme finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Die EZB hat für die einzelnen Programme keine konkreten Kaufvolumina, sondern lediglich monatliche Zielmarken für das gesamte APP festgelegt.
März 2015 bis März 2016: 60 Milliarden Euro
April 2016 bis März 2017: 80 Milliarden Euro
April 2017 bis Dezember 2017: 60 Milliarden Euro
Januar 2018 bis September 2018: 30 Milliarden Euro
Was kauft die EZB genau?
Der Blick auf die pro Monat aufgekauften Wertpapiere zeigt, dass die EZB durchaus die Zusammensetzung ihrer Käufe variiert hat und im Rahmen der einzelnen Programme unterschiedlich aktiv war. Auch lag das monatliche Kaufvolumen nicht immer präzise bei den angekündigten 60 bzw. 80 Milliarden Euro – allerdings hat die EZB während der jeweiligen Phasen im Durchschnitt doch ziemlich exakt das angekündigte Volumen gekauft.
Die unterschiedliche Gewichtung der Unterprogramme wird im folgenden Chart noch etwas deutlicher. Dieser zeigt, wie hoch der Anteil der jeweiligen Programme während der einzelnen Monate seit Start des APP im März 2015 war. Daraus wird ersichtlich, dass die EZB den Anteil der gekauften Staatsanleihen zuletzt wieder etwas reduziert hat (von in der Spitze über 90% auf zuletzt etwa 80%).
Worauf es zu achten gilt: Konkrete Umsetzung und Reinvestitionen fälliger Anleihen
In den kommenden Monaten gilt es also vor allem zu beobachten, wie die EZB die angekündigte Reduzierung ihres Aufkaufvolumens konkret umsetzt, weil sich dies auf die betroffenen Marktsegmente unterschiedlich auswirken wird. So hat die EZB wie oben gezeigt seit Start ihrer Aufkaufprogramme demonstriert, dass sie in der Lage und gewillt ist, die angekündigten Kaufvolumina auch tatsächlich umzusetzen. Das heißt, dass die gesamten APP-Bestände in ihrer Bilanz ungefähr dem im folgenden Chart skizzierten Verlauf (rote gestrichelte Linie) folgen und Ende September 2018 ein Gesamtvolumen von ca. 2,6 Billionen Euro erreichen dürften – die Frage ist eben lediglich, durch welche Wertpapiere die große weiße Lücke im Chart konkret gefüllt wird.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass das APP noch lange über sein eigentliches Ende hinaus Wirkung entfalten wird. So hat die EZB bereits im Dezember 2015 angekündigt, die Einkünfte aus bis zur Fälligkeit gehaltenen Anleihen wieder zu reinvestieren und dieses Versprechen auf der Oktober-Ratssitzung noch einmal erneuert und präzisiert. Sollte also beispielsweise eine deutsche Staatsanleihe 2019 fällig und die EZB vom deutschen Staat ausbezahlt werden, wird sie – Stand heute – dieses Geld für den erneuten Erwerb einer (deutschen) Staatsanleihe nutzen. Ihre Bestände an Staatsanleihen werden sich somit nicht zwangsläufig verringern und ihre Präsenz auf den Märkten auch nicht sehr viel kleiner werden – sie schafft nur kein neues Geld, um Staatsanleihen zu erwerben.
QE-Käufe nach Ländern
Die EZB hat beim Start des PSPP (also des Staatsanleihen-Programms) angekündigt, dass sich das Kaufvolumen am Kapitalschlüssel der beteiligten Länder orientieren soll. Jedoch ist die EZB von diesem Ziel deutlich abgewichen: Sie hat mehr Staatsanleihen der großen Eurostaaten gekauft, als dies eigentlich nach dem Kapitalschlüssel angemessen gewesen wäre. So machen beispielsweise deutsche Staatsanleihen mittlerweile knapp 27% des aufgekauften Staatsanleihen-Portfolios aus, obwohl der deutsche Kapitalschlüssel nur bei knapp 18% liegt.
Diese „Bevorzugung“ der großen Staaten könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass es bei den kleineren Ländern schlicht nicht genug Anleihen gibt, damit die EZB ihr angepeiltes Kaufvolumen erreichen kann. Es wird sich zeigen, ob die EZB somit ihr Kaufverhalten ändern wird, wenn sie nur noch eine kleinere Summe an Staatsanleihen aufkaufen muss.
Bilanzsumme
Die im Rahmen des QE-Programms getätigten Käufe machen inzwischen fast die Hälfte der insgesamt knapp 4,4 Billionen Euro großen EZB-Bilanz aus. Wenn die EZB die Summe der monatlichen Anleihekäufe ab Januar senkt, ist in der kurzen Frist zu erwarten ist, dass sich die EZB-Bilanz zunächst etwas langsamer ausweiten wird. Um die tatsächliche expansive Wirkung der Geldpolitik zu beurteilen ist es aber auch notwendig zu beobachten, wie sich die übrigen Posten der Bilanz verändern, was aus heutiger Sicht aber nicht abschätzbar ist.
Glossar: Die Programme im Detail
Das erste Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programme, CBPP) wurde bereits 2009 von der EZB beschlossen, um nach der Finanzkrise den Markt für diese Papiere (z. B. Pfandbriefe) zu stabilisieren und Refinanzierungsproblemen der Banken entgegenzuwirken. Innerhalb eines Jahres wurden Wertpapiere im Gesamtvolumen von 60 Milliarden Euro angekauft. Ein zweites CBPP mit folgte dann von November 2011 bis Oktober 2012. Das aktuell laufende dritte CBPP wurde im Oktober 2014 verabschiedet.
Das Programm zum Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere (Asset Backed Securities Purchase Programme, ABSPP) wurde im September 2014 in Verbindung mit dem Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3) beschlossen. Dabei werden ABS-Papiere am Primär- und Sekundärmarkt aufgekauft.
Im Rahmen des Programms zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme, PSPP) werden seit März 2015 Wertpapiere des öffentlichen Sektors wie Staatsanleihen sowie Schuldtitel europäischer Institutionen und Agenturen gekauft. Für die Ankäufe im Rahmen des PSPP gibt es detaillierte Regeln. So dürfen Staatsanleihen beispielsweise wegen des Verbots der monetären Staatsfinanzierung nur am Sekundärmarkt erworben werden. Es dürfen nur Papiere mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufgekauft werden. Zudem will die EZB nicht mehr als 33% aller auf den Sekundärmärkten befindlichen Papiere aufkaufen.
Mit dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP) werden seit Juni 2016 auch Anleihen von Unternehmen in der Eurozone erworben. Ausgeschlossen sind Kreditinstitute und Unternehmen, deren Anleihen von den Ratingagenturen nicht mindestens als „Investment Grade“ bewertet werden. Die Anleihen müssen Laufzeiten zwischen sechs Monaten und 30 Jahren haben und können sowohl am Primärmarkt als auch am Sekundärmarkt gekauft werden.