In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Afrika, einmal ohne Katastrophen und Elefanten
piqer:
Frank Lübberding
Afrika hat es in den Medien schwer. Es wird dort meistens nur aus zwei Anlässen zum Thema: Entweder passieren Katastrophen oder als Naturfilm. Elefanten und Löwen machen sich immer gut, wie mir schon vor Jahren ein Afrika-Korrespondent erzählte. Insofern sollte man für dieses Interview der Bild-Zeitung dankbar sein. Dort macht Carola Rackete den Kontinent zum Thema. Daraus ergab sich eine interessante Debatte über die Frage, welche Rolle der Kolonialismus für die ökonomische Misere in Afrika spielt.
Fangen wir mit den Fakten an: In diesem Link findet man die Entwicklung in ausgewählten Weltregionen seit dem Jahr 1975. Er dokumentiert die ökonomische Stagnation in Schwarzafrika. Aber es gibt auch positive Beispiele wie Botsuana. Ein wichtiger Schritt ist in diesen Tagen die Gründung der afrikanischen Freihandelszone CFTA. In den hier zusammengestellten Artikeln wird deren Bedeutung gut beschrieben. Ausgangspunkt ist diese Überlegung von Helmut Asche:
„Das Projekt hat strategische Bedeutung. Afrika ist zwar mittlerweile gut in den Welthandel integriert – mit etwa 67% der Wirtschaftsleistung, aber nur 12% des Handels findet im Inneren des Kontinents statt.“
In einem Interview mit dem Cicero hat Robert Kappel als einer der Herausgeber dieses Blogs zudem deutlich gemacht, worum es jetzt geht: Das „Vertrauen auf die eigenen Kräfte“ zu stärken und „einen Wandel der Mentalität vieler Regierungen … Denn zunehmend übt die Mittelschicht mehr Druck auf ihre Entscheidungsträger aus.“ Was in den drei Beiträgen etwas zu kurz kommt: Eine solche Freihandelszone umfasst Regionen mit höchst unterschiedlichen historischen und kulturellen Voraussetzungen. Was verbindet einen Marokkaner mit einem Südafrikaner, außer auf einem Kontinent zu leben? Sollte das Projekt gelingen, wäre das eine herausragende politische Leistung. Die Europäer sollten natürlich wissen, wie schwierig das in der Praxis ist. Für Hochmut gibt es keinen Grund.
Die Erfindung des Geldes – die Geburtsjahre unseres schon immer kriselnden Bankensystems
piqer:
Daniel Schreiber
Das Leben ist von vielen Sicherheiten geprägt, die man nie hinterfragt. Eine davon ist die Rolle des Geldes und der Banken in unserer Gesellschaft – man kann sich kaum vorstellen, dass es jemals ein anderes Finanzsystem gab als das heutige.
Dabei sind Papiergeld, Zentralbanken und das Mindestreserve-System relativ junge Erfindungen, die im Wesentlichen auf das 18. und 19. Jahrhundert zurückgehen. John Lanchester verfolgt die Spuren dieser Erfindung zurück bis zum von Marco Polo beschriebenen Papiergeldsystem der Yuan-Dynastie im 13. Jahrhundert und zur Erfindung der Bank of England durch Wilhelm III., der Ende des 17. Jahrhunderts irgendwie den Pfälzischen Erbfolgekrieg mit dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. bezahlen musste, auf den er sich eingelassen hatte.
Zwei Figuren stechen in dieser Geschichte besonders hervor: Der Schotte John Law, der, um die französische Krone vor dem Bankrott zu retten, für besagten Ludwig XIV. ein Finanzsystem errichtete, das im Wesentlichen unserem heutigen Finanzsystem gleicht, und en passant das erfolgreichste Unternehmen gründete, das jemals existiert hat. Und der viktorianische Banker Walter Bagehot, der die Idee der Zentralbank popularisierte. Eines haben alle diese Finanzsysteme gemeinsam: Sie endeten immer in der Katastrophe. Entweder in einem großen Crash wie dem in Frankreich zu Beginn des 18. Jahrhunderts oder in immer wiederkehrenden Finanzkatastrophen, wie die, die das viktorianische England des 19. Jahrhunderts prägten. Faszinierender Text.
Macht Zufriedenheit mit den eigenen Lebensverhältnissen politisch unzufrieden?
piqer:
Thomas Wahl
In gewissen Situationen scheint es so zu sein! Es ist wahrlich paradox. Bekanntlich wählen Bürger, die in ihrem Leben glücklich und zufrieden sind, eher die etablierten Parteien bzw. die Amtsinhaber.
….. happiness is the main determinant of whether a government gets re-elected, more important than jobs or wages. Make voters happier and you will get back in. Fail to do so and you will be booted out.
Nur im heutigen Europa ist dies anders. In fast allen Ländern haben Parteien in den letzten etwa zehn Jahren Zuwachs, die mit der gegenwärtigen Lage unzufrieden sind. Das aber, obwohl die Zufriedenheits-Indikatoren nach oben zeigen, die Wähler mit ihrem eigenen Leben eigentlich zufrieden sind:
According to Eurobarometer … the proportion of Germans who consider themselves very or fairly satisfied with life has risen from 73% in 2003 to 93% in 2017, a substantial increase in a measure that in most of the world, most of the time, is fairly stable. In Britain the share went from 88% to 93%, and the share of those pronouncing themselves very satisfied soared from 31% to 45% in 2003-17, …. In the EU as a whole, the share of those who say they are very or fairly satisfied rose from 77% in 1997 to 82% two decades later.
Diese Lebenszufriedenheit wird auch durch weitere Parameter gestützt. Mehrheiten sagen, sie würden Politik, Justiz, Armee und den Medien vertrauen. Aber Sie wählen „Populisten“! Liegt das an der alternden Wählerschaft? Handeln Menschen irrational, weil sie irrelevanten Ereignissen folgen? Hat eine schon länger wohlhabende Gesellschaft wachsende Angst vor Verarmung? Oder stimmt etwas mit unseren Kommunikationsmedien nicht? Wie auch immer, das (individuell eingelöste) Glücksversprechen scheint nicht alles zu sein. Gesellschaften folgen offensichtlich keiner einfachen, intuitiven Logik. Sie sind als Systeme nichtlinear. Das sollten wir auch in unserer Streitkultur bedenken. Es gibt wohl keine einfachen Argumente …
Alte versus neue Eliten: Widersprüche einer modernen Gesellschaft
piqer:
Anja C. Wagner
Wer sich fragt, wie es weltweit zu diesem nationalistischen, populistischen Rückfall kommt angesichts einer zunehmend vernetzteren Gesellschaft, wird in diesem langen Interview fündig.
Globalisierung und Neoliberalisierung (vor vielen Jahren angestoßen aus einem wertkonservativen Milieu; Anm. acw) führten zu einer Art „Querfront der Verlierer“, die interessanter Weise sich wieder genau diesem Milieu zurechnen lassen. Die dialektische Rückwirkung global entgrenzter Räume, die zunächst den Konzernen, dann den „Hidden Champions“, später den kosmopolitischen Milieus in die Karten spielte, führte auf der anderen Seite auch …
zu einer inneren Öffnung, also zu einer Veränderung in den kulturellen tiefen Schichten der Gesellschaft. So dass sich ganz verschiedene Gruppen über diese Fragen plötzlich als zurückgesetzt empfinden. Gruppen, die früher etabliert waren und die durchaus auch teilweise der Oberschicht angehören.
Viele enttäuschte Männer vor allem, die ihre Privilegien verloren. Das tradierte, hegemoniale Gesellschaftsbild kam ins Rutschen. Auf der anderen Seite profitierten andere Milieus, die sich durch die Grenzverschiebungen aus den alten Zwängen befreien konnten.
Hinzu kommen politische Kämpfe, die mit der hegemonialen globalen Wirtschaftsentwicklung einhergehen und einerseits zu vielfältigen Migrationsbewegungen führten, andererseits zu unvollkommenen politischen supranationalen Bewegungen wie der EU, der bis heute ein sozialer Layer fehlt.
Diese Zusammenhänge zu verstehen scheint dringend geboten. Es werden sich im zukünftigen Wandel der Arbeitswelt weitere kulturelle „Verlierer“ einfinden, steuert man hier nicht rechtzeitig gegen und bietet ihnen Möglichkeiten der Teilhabe.
Die alten Arbeitnehmertugenden verlieren nun mal ihren Wert, die „gute Arbeit“ verschwindet zunehmend. Und damit das große gesellschaftliche Narrativ, das nationale Kulturen zusammen hielt. Wir müssen neue identitätsunterstützende Narrative entwickeln, mindestens auf europäischer Ebene …
Wie der Markt die Braunkohle ins Aus drängt
piqer:
Ralph Diermann
Jahrzehntelang konnten die Versorger mit dem Betrieb von Braunkohlekraftwerken in Deutschland glänzende Geschäfte machen. Diese Zeiten sind nun offenbar vorbei: Die Betreiber haben im ersten Halbjahr 2019 rechnerisch einen Verlust von mehr als 650 Millionen Euro eingefahren. Das zeigen Berechnungen des britischen Thinktanks Sandbag, die der Tagesspiegel präsentiert. Die Gründe dafür liegen vor allem in gestiegenen CO2-Preisen sowie niedrigen Preisen an der Strombörse. Die Experten prognostizieren, dass die nächsten Jahre für die Betreiber noch schlechter ausfallen werden: Alte Kraftwerke werden nur noch 54 Prozent ihrer Kosten erwirtschaften können.
Interessant sind diese Zahlen unter anderem deshalb, weil die Bundesregierung derzeit mit den Versorgern über eine Entschädigung für die Stilllegung der Anlagen gemäß des Fahrplans der Kohlekommission verhandelt. RWE zum Beispiel verlangt bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Gigawatt. Bei den gut 10 Gigawatt Braunkohle-Kapazitäten, die RWE besitzt, wären das also 15 Milliarden Euro (das entspricht ungefähr dem gesamten derzeitigen Börsenwert von RWE. Für das Geld könnte der Staat also theoretisch auch gleich den ganzen Konzern übernehmen, die Braunkohlekraftwerke schließen und den Rest wieder verkaufen – das nur nebenbei).
Wie will RWE solche Entschädigungssummen rechtfertigen, wenn die Anlagen ohnehin Verluste machen? Schön, dass Tagesspiegel-Redakteur Jakob Schlandt dazu RWE selbst zu Wort kommen lässt: Der Konzern verweist darauf, dass er durch Termingeschäfte mit dem Kohlestrom real immer noch Geld verdient. Er rechnet in den nächsten Jahren hier gar mit steigenden Gewinnen. Zudem sieht er im ersten Halbjahr 2019 eine Ausnahmesituation, mit sehr niedrigen Gaspreisen und hohen Wind- und Solarerträgen.
Unternehmertum braucht mehr als individuelle Fähigkeiten & Risikobereitschaft
piqer:
Anja C. Wagner
Zugegeben: Ich denke auch, wir brauchen weit mehr Entrepreneure für den digitalen Transformationsprozess. Die klassische Angestellten-Mentalität ist nicht wirklich hilfreich in solch fragilen Phasen.
Leider gehen die Zahlen von Unternehmensgründungen mit Angestellten in Deutschland stetig zurück. Das sieht auch das deutsche Wirtschaftsministerium als ein Problem und hat mit der Gründungsoffensive GO! einen 10-Punkte-Plan erstellt, um Menschen zu ermutigen und zu „empowern“, diesen riskanten Weg zu gehen. So weit, so gut.
In dem hier vorgestellten Artikel wird in Frage gestellt, ob individuelle Kompetenz das ausschlaggebende Moment ist, warum sich Menschen auf den Weg machen, gewisse Entbehrungen auf sich zu nehmen, um ein Unternehmen aufzubauen. Sofern man nicht absolut mit dem Rücken zur Wand steht und keine Chance auf dem gängigen Karrierepfad hat, sind es vor allem Menschen aus abgesicherten Verhältnissen, die sich auf den Weg machen (können).
Aber was in diesen Gesprächen oft verloren geht, ist, dass der häufigste gemeinsame Charakterzug unter Unternehmern der Zugang zu finanziellem Kapital ist – Familiengeld, ein Erbe oder ein Stammbaum und Verbindungen, die den Zugang zur finanziellen Stabilität ermöglichen. Während es scheint, dass Unternehmer dazu neigen, eine bewundernswerte Vorliebe für Risiken zu haben, ist es in der Regel der Zugang zu Geld, der es ihnen ermöglicht, Risiken einzugehen.
Und das ist ein entscheidender Vorteil: Wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind, ist es einfacher, kreativ zu sein; wenn man weiß, dass man ein Sicherheitsnetz hat, ist man eher bereit, Risiken einzugehen. „Viele andere Forscher haben die Erkenntnis repliziert, dass es bei Unternehmertum mehr um Cash als um Dash geht“, sagt Andrew Oswald, Professor an der University of Warwick, gegenüber Quartz. „Gene sind wahrscheinlich wichtig, wie in den meisten Dingen des Lebens, aber nicht viel.“
Unternehmertum ist v. a. eine Elitenpraxis. Es sei denn, man sichert alle Menschen ab.
Eine neue Volkswirtschaftslehre für unsere unsichere Welt?
piqer:
Thomas Wahl
Wie wirtschaftet man in einer Welt, die zunehmend komplexer und unvorhersehbarer wird? Sind unsere ökonomischen Modelle dafür geeignet? Lassen sich die zukünftigen Risiken unserer Gesellschaften damit wirklich berechnen? Der britische Ökonom John Kay sagt nein, das konnten sie noch nie.
Wir brauchen eine neue Ökonomie, die unter Risiken wieder eher das versteht, was auch der Mann auf der Straße damit meint: nichts Ausgewogenes, sondern etwas eher Schlechtes im Vergleich zu bestimmten Plänen und Erwartungen. Niemand sagt: „Es besteht ein Risiko, dass ich im Lotto gewinne“, so reden höchstens Statistiker. Es sagt auch niemand: „Es besteht ein Risiko, dass ich nicht im Lotto gewinne“, weil man gar nicht davon ausgeht, zu gewinnen … Wir sprechen von einer Erzählung: Die Leute haben eine Erwartung im Kopf, wie sich die Dinge entwickeln sollen. Ein Risiko ist, was diese Referenzerzählung stört. Unsicherheit ist, dass man einfach nicht weiß, was geschehen wird. Und das ist meistens der Fall! Radikale Unsicherheit macht den größten Teil der Welt aus.
Im Grunde setzt er bei der Beurteilung auf einfachere Modelle mit gesundem Menschenverstand. Risiken ließen sich relativieren, in dem man mehreren solcher Referenzerzählungen folgt. Es bleiben Unwägbarkeiten. Gesellschaften ohne Risiko wären extrem abgeschottete und stagnierende Systeme – Beispiele sind etwa China und Japan vom 16. bis zum 19. Jahrhundert oder auch Staaten in den Sozialismusexperimenten. Langfristig sind solche statischen Systeme also selbst das eigentliche, nicht berechenbare Risiko.
Dies zeigt auch die Vorteile einer Welt voller Unsicherheiten. Es ist die Offenheit, die Herausforderung einer durch Kreativität, Unternehmertum, mit vielfältigen Experimenten gestaltbaren Zukunft. Herausforderungen, die uns Menschen, als Individuen und als Bürger prägen und uns den Raum für Freiheit aufspannen.
Warum es die Gesellschaft tief spaltet, wenn Wohnen immer teurer wird
piqer:
Alexandra Endres
In diesem Text geht es um die steigenden Wohnungspreise in Berlin. Autorin Elizabeth Zerofsky vom New Yorker hebt das Thema auf eine Ebene, die auch Nicht-Berliner*innen betrifft. Sie berichtet, wie die Stadt sich verändert hat, seit sie dort lebt. Sie erzählt von den Versuchen der Regierung (und Bewohner*innen) Berlins, gegen die Preissteigerung anzugehen.
Am interessantesten wird der Text in seiner zweiten Hälfte, in der sie nach Frankreich schaut, wo der Geograph Christophe Guilluy angeblich die Gelbwesten-Proteste vorhergesagt hat:
Guilluy worked for years as a housing consultant, and wrote a series of books that described the “implosion of the periurban-enduring middle class”—by which he meant the residents of some suburbs, small towns, or even pockets of hollowed-out urban areas, who, if they had the financial means, would probably choose to live… closer to or within a handful of economically dynamic metropolitan areas. (…) But, in order to own property, … the members of this middle class had to move farther out.
Weil ihre Immobilien nicht so schnell im Wert steigen wie jene in den Stadtzentren, sitzen diese Leute dann buchstäblich fest. Zögen sie um, verlören sie Geld. Wer noch in die Städte zieht? Menschen, deren Arbeitskraft gefragt ist und die sehr gut verdienen. Manche kommen aus dem Ausland, so wie Zerofsky. Weil die neuen Stadtbewohner aber bereit sind, auch sehr hohe Wohnungspreise zu bezahlen, wird das Leben in der Stadt immer teurer, selbst wenn immer mehr Wohnungen gebaut werden.
Die Folge: Die Gesellschaft spaltet sich in wohlhabende Bewohner der Metropolen (oder bestimmter Viertel) und jene, die außen vor bleiben. Zerofsky schreibt, sie habe in den USA und Frankreich erlebt, wie sowas ende: Mit Gelbwestenprotesten und einem gespaltenen politischen System,
not to mention the fact that the British Parliament was in a hopeless stalemate. (The top three most expensive real-estate markets in the world are, in order, London, New York, and Paris.)
Hintergund: Armut, Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit
piqer:
Maximilian Rosch
Im Juni hatten wir Julia Friedrichs, Martin Zeyn und Michael Hirsch zum piqd Salon in München eingeladen. Das Gespräch und die Diskussion mit Moderator Florian Schairer könnt ihr jetzt im piqd Hintergrund nachhören.
Seit über zehn Jahren recherchiert die Journalistin Julia Friedrichs zur Verteilung von Vermögen. Sie hat unter anderem die Arbeit in einem Jobcenter für drei Monate begleitet und ein Buch über das Erbe(n) geschrieben. Im letzten Jahr haben sie und ihr Team mit Ungleichland, der ersten Staffel des Dokuprojekts Docupy, auf die krassen Vermögensungleichheiten in Deutschland aufmerksam gemacht.
[Wir können] als erschütternde Bilanz sagen, dass die unteren 40 Prozent von den letzten 20 Jahren Wachstum nicht profitiert haben. Das ist eine Bilanz, die einer Demokratie nicht würdig ist. – Julia Friedrichs
Dafür konnten sie mit dem polarisierenden Immobilienunternehmer Christoph Gröner einen sehr vermögenden Menschen begleiten. Gröner findet, Unternehmer sollten Verantwortung übernehmen, und sagt, dass die wirkliche Macht bei den Vermögenden liege.
BR Nachtstudio-Leiter Martin Zeyn und Philosoph Michael Hirsch haben gemeinsam einen sehr dichten Beitrag über Armut geschaffen. In „Symbolische Gewalt: Was Armut und soziale Unsicherheit anrichten“ fragten sie sich, „wie es zu dieser ‚Bestrafung der Armen‘ (Loïc Wacquant) kommen konnte – und was getan werden muss, damit sie endet.“ Armut ist letztlich ein soziales Konstrukt, keine Konsequenz persönlichen Fehlverhaltens.
Wieso erlaubt eine Gesellschaft, dass es Arme gibt, wenn sie selbst reich ist? Und wie kann sie das legtimieren und welche Prozesse laufen da ab? – Martin Zeyn
Friedrichs, Zeyn und Hirsch stellten zunächst ihre Beiträge vor, um dann in eine gemeinsame Diskussion einzusteigen. Es ging um Hartz IV, um den Umgang von Verwaltungsmitarbeiterinnen mit Armen, um die zugrundeliegenden politischen Strukturen, unser Wirtschaftssystem, um den Arbeitsmarkt und zuletzt auch um Lösungen, wie Ungleichheit bekämpft werden kann.
Das klassische Arsenal einer rechtskonservativen Wirtschafts- und Sozialpolitik [ist es] immer gewesen, die Leute zu bedrohen und sie gefügig zu machen über eine repressive Sozialpolitik. – Michael Hirsch
Wie die steuerfinanzierte Arbeit von Millionen Wissenschaftlern ausgebeutet wird
piqer:
Rico Grimm
Ich bin mir nicht sicher, wie vielen Menschen außerhalb der Universitäten klar ist, wer mit der Wissenschaft wirklich viel Geld verdient. Vereinfacht gesagt läuft es so: Forscher A findet etwas heraus, schreibt es auf, Forscher B, C, D, E, F lesen das Geschriebene gegen, geben Tipps und Hinweise, Forscher A überarbeitet und das jeweilige „Journal“ (ein auf einen bestimmten Fachbereich spezialisiertes Magazin) veröffentlicht den Artikel. Nun aber passiert das Absurde. Wenn jetzt die Kollegen von Forscher A, auch von der gleichen Universität, auf seinen Aufsatz zugreifen wollen, müssen sie den Herausgeber-Verlagen der Journals Geld zahlen, zum Teil horrende Summen, die sich bei den größten Bibliotheken auf mehrere Millionen belaufen. Dieser Zugang wiederum wird immer teurer, die Preise steigen schneller als die für andere Güter.
Lange Vorrede, die aber für Nicht-Wissenschaftler nötig ist, um zu verstehen, warum dieser Artikel von vox.com wichtig und nötig ist: Darin beschreiben die Autoren die Geldmacherei mit steuerbezahlter Wissenschaft, aber auch: Wie sich die Universitäten und Forscher dagegen wehren, vorne dran auch 700 deutsche Einrichtungen. Sie weigern sich kurzerhand nach den alten Regeln zu spielen, sondern machen es anders: Sie zahlen einmal, dann aber kann jeder die Aufsätze lesen. Gleichzeitig nimmt auch Piraterie zu…
Das Thema scheint nischig, ist es aber nicht, wenn man es etwas anders formuliert: Hier geht es darum, den größten Wissensschatz, den die Menschheit je hatte, zu befreien.