Analyse

Wie sich Fernsehnachrichten auf Verbrauchervertrauen und Anlegerverhalten auswirken

US-amerikanische und deutsche Fernsehnachrichten folgen tatsächlich bis zu einem gewissen Grad dem oftmals vermuteten „Bad news sind good news“-Ansatz. Doch wie wirkt sich dies auf Investoren und Konsumenten aus? Ein Beitrag von Hans-Jörg Naumer.

Im Mai habe ich an dieser Stelle eine Studie vorgestellt, die der Frage nach ging, ob und inwiefern in den US-amerikanischen und deutschen Fernsehnachrichten der oftmals vermutete „Bad news sind good news“-Ansatz vorherrscht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Nachrichtensender diesem Prinzip tatsächlich bis zu einem gewissen Grad folgen – wobei die Krisen der letzten Jahre diese Tendenz verstärkt zu haben scheinen.

Daran knüpft die Frage an, wie sich dieser Bias nun konkret auswirkt. Aus makroökonomischer Sicht ist dabei beispielsweise von besonderem Interesse, ob die Medien das Anlegerverhalten beeinflussen und Auswirkungen auf die Stimmungslage der Konsumenten haben. Auch dieser Frage bin ich in der erwähnten Studie mit Hilfe von Mediadaten und Fondszu- und abflüssen in Deutschland und den USA nachgegangen.

Für diesen Zweck analysierte Media Tenor die Abendnachrichtensendungen der führenden Fernsehsender in den USA und Deutschland mit einer Reichweite von 27,4 Millionen in den USA und 16,5 Millionen Zuschauern in Deutschland. Insgesamt wurden 424.164 Fernseh-Sendungen für die USA und 545.969 für Deutschland im Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2018 ausgewertet und nach Tonalität („positiv“, „neutral“, „negativ“) sowie Thema kategorisiert (weitergehende Erläuterungen zur Methodik finden Sie hier).

Das Mediensentiment

Um die Nachrichtenlage präziser zu erfassen, wird in einem nächsten Schritt ein Medien Sentiment Indikator (MSI) konstruiert. Dafür werden für jeden Monat die negativen von den positiven Meldungen abgezogen und durch die Anzahl aller Nachrichten dividiert. Dabei zeigt sich, dass der MSI für beide Länder gleichermaßen und unabhängig von den Themen über den gesamten Zeitraum hinweg negativ ist.

Das Anlegerverhalten wird mittels der Netto-Mittelzuflüsse aktiver wie passiver Fonds in den USA (Morningstar) und Deutschland (Lipper) gemessen. Um aktive Allokationsentscheidung und nicht etwa Rebalancierungen zu erfassen, wird der so genannte „excess flow“ herangezogen.  Die Stimmungslage der Anleger wird mittels des Konsumentenvertrauens für die beiden Länder gemessen.

Zur Messung des Allokationsverhaltens werden die excess flows der einzelnen Fonds-Anlageklassen in zwei unterschiedliche „Töpfe“ gepackt: einen Topf mit risikoreicheren Anlageformen (Aktien, Multi-Asset-Fonds einem Aktienanteil von 50% und mehr, High Yield- und Emerging Market-Anleihen), einen Topf mit risikolosen Anlagen (Geldmarktfonds).

Als Kontrollvariablen werden u.a. die Volatilitätsindizes VIX bzw. VDAX als Maß für die Unsicherheit gewählt. Auch der monatliche Ertrag an den Aktienmärkten sowie der 3-Monatsgeldmarkzins als Maß der Opportunitätskosten der Geldhaltung gehen als Kontrollvariablen in das Modell ein. Ein möglicher „Januar-Effekt“ sowie die Krisenjahre 2008 und 2009 werden mittels Dummy-Variablen berücksichtigt. Zusätzlich werden mögliche Ankereffekte untersucht, wofür die relative Abweichung von ehemaligen Höchstständen (6.000 Indexpunkte beim DAX und 1.500 beim S&P 500) genommen werden. Da die deutschen Fondsanbieter bei der Auflage neuer Multi-Asset-Fonds besonders aktiv waren, fließt auch die Anzahl der monatlich netto neuaufgelegten Fonds mit in die Berechnungen ein.

Als Modell wird eine Vektor-Autoregression mit zwei „lags“ herangezogen, die sich gemäß AIC (Akaike information Kriterium) und FPE (Final prediction error) als am geeignetsten erwiesen haben. Von dem gemäß Dickey-Fuller-Test nicht stationären Konsumentenvertrauen wird die 1. Ableitung genommen.

Investoren unbeeindruckt, Konsumenten beeinflusst

Die Ergebnisse der Vektor-Autoregression zeigen:

  • Während der MSI keinen Zusammenhang mit der aktiven Allokationsentscheidung aufweist,
  • sind die Ergebnisse für das Konsumentenvertrauen des Folgemonats mit einem negativen Vorzeichen hoch signifikant. Dies geht allerdings nur eine Richtung: Steigt der MSI, fällt das Vertrauen im Folgemonat. Aber ein fallendes Konsumentenvertrauen zeigt – wie zu erwarten – keinen Zusammenhang mit dem MSI.
  • Die Fernsehzuschauer scheinen dabei zwischen den Themen der Nachrichten zu unterscheiden. Z.B. haben Nachrichten, die weder einen Bezug zur Wirtschaft noch zu den Unternehmen haben, keinen Einfluss auf das Konsumentenvertrauen. Das gilt auch für Meldungen über Terrorismus und rein innenpolitische Angelegenheiten.

Die Kontrollvariablen zeigen ebenfalls einige interessante Korrelationen auf:

  • So scheinen die Anleger umso eher in risikoreichere Anlageklassen zu investieren, je niedriger die Geldmarktzinsen sind, wobei dies bei deutschen Anlegern, im Vergleich mit US-amerikanischen, weniger ausgeprägt ist.
  • Während ein Januar-Effekt, der unterstellt, dass es im Januar zu besonders starken Zuflüssen in Aktien(fonds) kommt, kaum nachweisbar ist, zeigt sich bei den US-amerikanischen Anlegern ein Ankereffekt: Je relativ näher sich der S&P 500 bei alten Hochs bewegt, desto stärker ist deren Verkaufsneigung – der Verlust in Relation zum „Anker“ wird minimiert, ungeachtet dessen, was an zukünftigen Erträgen noch zu erwarten ist.
  • Werden die beiden Risiko-Cluster weiter in die einzelnen Vermögensklassen unterteilt, so zeigt sich, dass die Aktienfonds durch die neu aufgelegten Multi-Asset-Fonds in Deutschland verloren haben.

In der Gesamtsicht zeigen die Ergebnisse, dass die deutschen wie die US-amerikanischen Publikumsfonds-Investoren bei ihren Anlageentscheidungen weitestgehend unbeeindruckt von der TV-Berichterstattung bleiben, wenngleich das Konsumentenvertrauen darauf reagiert. Fonds-Investoren scheinen nicht dort zu investieren, wo ihre Stimmung bzw. wie die Nachrichtenlage ist.

 

Zum Autor:

Hans-Jörg Naumer ist Leiter der Abteilung Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors. Auf Twitter: @NaumerOekonom

Hinweis:

Das diesem Beitrag zugrundeliegende Paper finden Sie hier.