Energiekosten

Wie sich die Strompreise für die Wirtschaft senken lassen können

Deutschlands Unternehmen klagen über hohe Energiekosten. Zwar könnten die Netzentgelte zeitweise gesenkt werden, doch das würde den Bundeshaushalt belasten und soziale Konflikte bringen. Langfristig wären andere Maßnahmen zielführender. Ein Beitrag von Thieß Petersen.

Die Preise, die Unternehmen in Deutschland für Strom zahlen müssen, haben sich vor allem durch die gestiegenen Erdgaspreise im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine spürbar erhöht. Doch immerhin erreichten sie im Durchschnitt des Jahres 2024 zumindest für Gewerbebetriebe (das sind Unternehmen, die jährlich 160.000 bis 20 Millionen Kilowattstunden Strom verbrauchen) wieder das durchschnittliche Niveau der Jahre 2014 bis 2020.

Staatliche Strompreiskomponenten bereits massiv reduziert

Bei einem Blick auf die Zusammensetzung des Strompreises für gewerbliche Betriebe fällt jedoch auf: Der Anteil der staatlichen Strompreiselemente hat sich in den letzten Jahren sichtlich verändert. So lag beispielsweise der durchschnittliche Preis für Gewerbekunden zwischen 2017 und 2024 bei 17,09 Eurocent pro Kilowattstunde Strom. 2017 machte die Summe aus Steuern, Abgaben und Umlagen mit etwas über 9 Eurocent noch rund 53% des zu zahlenden Strompreises aus. 2024 waren es dagegen mit 1,5 Eurocent weniger als 9%.

Ein zentraler Grund für diese Entwicklung ist die veränderte Förderung der erneuerbaren Energien. Bis 2022 zahlten Stromkunden auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eine EEG-Umlage, die in der Spitze bei fast 7 Eurocent pro Kilowattstunde Strom lag. Seit dem Sommer 2022 gibt es die EEG-Umlage jedoch nicht mehr. Dennoch ist eine finanzielle Förderung der erneuerbaren Energien nach wie vor notwendig. Die dafür erforderlichen Mittel kommen nun aus dem Bundeshaushalt. Im Jahr 2024 waren das rund 18,5 Milliarden Euro.

Auch die Stromsteuer für die Unternehmen ist mittlerweile auf das von der EU vorgeschriebene Mindestniveau gesenkt worden. Somit sind die Steuern und Umlagen bei den Strompreisen für Unternehmen schon weitgehend reduziert – und es bleibt nur noch ein staatliches Strompreiselement übrig: die Netzentgelte.

Reduktion der Netzentgelte als schnellwirkende Option

Die Netzentgelte decken eine Reihe von Kosten ab, die durch den Betrieb des Stromnetzes entstehen und über die Strompreise von den Kunden bezahlen werden. Um auch hier eine schnelle Preisreduktion zu erreichen, könnte die Finanzierung dieser Kosten ebenfalls über den Bundeshaushalt erfolgen. Ordnungspolitisch ließe sich das sogar rechtfertigen, schließlich werden auch andere Netze, wie beispielsweise das Straßennetz, staatlich finanziert.

Allerdings käme es so zu einer finanziellen Zusatzbelastung des Bundeshaushalts. Je nachdem, wie stark die Netzentgelte für einzelne Großabnehmergruppen reduziert werden, würden die anfallenden Mindereinnahmen bis zu 15 Milliarden Euro und mehr betragen.

Um diese Belastung des Bundeshaushalts möglichst gering zu halten, könnten differenzierte Netzentgeltermäßigungen zum Einsatz kommen. Denkbar wäre, entsprechende Entlastungen nur für Unternehmen oder Sektoren zu gewähren, die einen besonders hohen Stromkostenanteil aufweisen. Eine solche zielgruppenspezifische Entlastung reduziert die Mindereinnahmen – sie erhöht aber leider auch den bürokratischen Aufwand, der betrieben werden muss, um diejenigen zu identifizieren, deren Netzentgelte ermäßigt werden sollen.

Und es ist noch eine weitere Hürde zu berücksichtigen: Eine Netzentgeltentlastung für Unternehmen könnte zu sozialen Spannungen führen, wenn private Haushalte keine entsprechenden Ermäßigungen erhalten. Bekommen sie diese jedoch, wären die staatlichen Mindereinnahmen noch umfangreicher.

Sollte sich die Politik für strompreissenkende Netzentgeltentlastungen für Unternehmen entscheiden, wäre zu empfehlen, diese zeitlich zu begrenzen. Eine Dauersubventionierung sollte vermieden werden. Zudem ist bei Überlegungen zur Reduzierung der Strompreise für Unternehmen zu berücksichtigen, dass entsprechende Entlastungen idealerweise die langfristige Transformation des deutschen Stromsystems fördern.

Der Strommarkt der Zukunft

Bis zum Jahr 20245 will Deutschland klimaneutral werden. Ein zentrales Element zur Erreichung dieses Ziels ist ein klimaneutrales Stromsystem – was einen spürbaren Umbau des gesamten Stromsystems notwendig macht. Folgende Aspekte spielen hier eine besondere Rolle.

Die Stromerzeugung wird langfristig nahezu vollständig mit erneuerbaren Energien erfolgen, also vor allem mit Sonnen- und Windenergie. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist die Klimaneutralität nur so realisierbar. Zum anderen bietet Strom aus erneuerbaren Energien langfristig den günstigsten Strompreis, denn für Sonnen- und Windenergie fallen weder Kosten für Brennstoffe noch für den Erwerb von Emissionszertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems an.

Die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien ist naturgemäß wetter- und tageszeitabhängig. Damit das Stromangebot dennoch mit der Stromnachfrage übereinstimmt, braucht es eine Flexibilisierung der Stromnachfrage. Aktuell ist das Gegenteil der Fall: Die Flexibilität des Strommarktes liegt noch auf der Angebotsseite. Dort fahren fossile Kraftwerke ihre Produktion hoch, wenn die Stromnachfrage dies verlangt. Für die Zukunft heißt dies: Die Flexibilität der Stromnachfrage muss zunehmen, damit sie sich besser an das dann relativ unflexible Stromangebot anpassen kann.

Eine Möglichkeit für die Flexibilisierung der Stromnachfrage ist der Ausbau von Stromspeicherkapazitäten und Wärmespeichern. So kann überschüssiger Strom in Phasen mit geringer Stromnachfrage aufgenommen und im Fall eines zu geringen Stromangebots wieder in das System abgegeben werden.

Die Elektrifizierung zahlreicher Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Der Strombedarf wird daher in den nächsten zwei Jahrzehnten in Deutschland deutlich steigen. Genauer: Er wird sich voraussichtlich mindestens verdoppeln, möglicherweise sogar verdreifachen.

Um diese Strommengen transportieren zu können, ist der Ausbau des Stromnetzes erforderlich. Das betrifft vor allem die Trassen in Deutschland. Aber auch die Verbindungskapazitäten zwischen den nationalen Stromnetzen im gesamteuropäischen Stromnetz müssen erweitert werden, um so Angebot und Nachfrage europaweit auszugleichen.

Elemente einer umfassenden Langfriststrategie für wettbewerbsfähige Strompreise

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist also nicht nur aus Gründen der Klimaneutralität erforderlich. Er ist gleichzeitig auf Dauer gesehen ein zentraler Hebel zur Reduzierung der Strompreise in Deutschland. Allerdings werden die Märkte allein nicht in der Lage sein, ein klimaneutrales Stromsystem zu etablieren. Der Staat muss sie dabei unterstützen – und hat dafür insbesondere fünf mögliche Maßnahmen an der Hand.

1.

Förderung des Ausbaus der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien: Hier sind finanzielle Anreize hilfreich, entweder in Form von Finanzhilfen oder durch Steuererleichterungen. Konkrete Instrumente sind Marktprämien und Carbon Contracts for Difference für Anbieter von klimaneutralem Strom. Denkbar sind auch Superabschreibungen und Investitionskostenzuschüsse für Anlagenbetreiber. Mit Blick auf die privaten Haushalte ist an einen Bürokratieabbau beim Bau bzw. Einsatz von privaten Solaranlagen zu denken.

2.

Ausbau der Stromnetze und Speicherkapazitäten: Hierbei kann der Staat durch entsprechende Investitionen unterstützen. Hilfreich wären zudem Maßnahmen zur Mobilisierung von privatem Kapital sowie staatliche Förderungen für Heimspeicher und Großspeicher.

3.

Steigerung der Flexibilität der Stromnachfrage: Mögliche Ansatzpunkte sind eine bidirektionale Ladetechnologie für E-Autos, der Einbau von Smart Metern an allen Endverbrauchsstellen und eine bessere Nutzung der Preislenkungsmechanismen. Für Letzteres bieten sich dynamische Preise an. Sinnvoll wäre zudem eine Aufteilung der deutschen Strompreiszone in drei Teilzonen. Der Effekt dieser Aufteilung: Es können regionale Preissignale gestärkt und Kosten, die mit dem zeitlichen bzw. regionalen Auseinanderfallen von Stromangebot und Stromnachfrage verbunden sind, reduziert werden.

4.

Die Elektrifizierung von Wirtschaft und Gesellschaft ausbauen: Hier kommen z. B. Steuererleichterungen bzw. Finanzhilfen für den Kauf von E-Autos und Wärmepumpen infrage, um so die Verkehrs- und die Wärmewende. Auch für Unternehmen, die ihre Produktionsprozesse elektrifizieren, bieten sich finanzielle staatliche Hilfen dieser Art an.

5.

Stärkere Integration Deutschlands in den europäischen Strommarkt: Das kann helfen, die Strompreise zu senken und den Wettbewerb zu verbessern. Beispielsweise könnte Deutschland so zukünftig preiswerteren Strom aus sonnen-, wind- und wasserreichen Ländern importieren.

Zwei Maßnahmen zur Reduzierung der Energiekosten, die immer wieder in die Diskussion gebracht werden, sind die Nutzung von Atomkraft und von Schiefergas durch das sogenannte Fracking. Beide Optionen sind jedoch nicht sinnvoll. Die Gründe dafür:

  • Atomenergie ist vor allem zu teuer. Das betrifft in erster Linie die Problematik der Atommüllendlagerung und die Versicherung der Risiken, die mit der Nutzung von Atomenergie verbundenen sind.
  • Fracking wäre nur noch etwa zwei Jahrzehnte nutzbar und könnte in dieser Zeit nicht wirtschaftlich betrieben werden. So kommt auch das Umweltbundesamt zu der Einschätzung, dass eine „wirtschaftliche Förderung von Schiefergas in Deutschland … über realistische Planungs-, Genehmigungs- und Förderzeiträume … weiterhin nicht gegeben“ ist.

Ausblick

Die Transformation des deutschen Stromsystems kann realistischerweise nicht ohne staatliche Unterstützungen – wie vor allem Steuererleichterungen, Finanzhilfen und öffentliche Investitionen – erfolgen. Auch wenn das die öffentlichen Finanzen belastet: Eine Verschiebung dieser staatlichen Ausgaben wäre nicht sinnvoll, denn das Zieldatum für die Klimaneutralität ist festgelegt und je länger mit den notwendigen Transformationsmaßnahmen gewartet wird, desto größer sind die erforderlichen jährlichen Anpassungsmaßnahmen.

 

Zum Autor:

Thieß Petersen ist Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung und Lehrbeauftragter an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Hinweis:

Dieser Beitrag basiert auf dem Focus Paper „Industriestrompreise in Deutschland – Reformoptionen für wettbewerbsfähige Strompreise“.