Die jüngsten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz haben weit verbreitete Ängste über die Zukunft der Arbeit ausgelöst. Diese Sorgen sind nicht unberechtigt. Im Gegensatz zu früheren technologischen Revolutionen, die letztlich die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöht haben, droht die aktuelle Welle der KI-Entwicklung das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital in einer Weise grundlegend zu verändern, wie wir es bisher noch nicht erlebt haben.
Ich glaube fest an die Kraft des technischen Fortschritts zur Verbesserung des menschlichen Wohlergehens. Innovation war im Laufe der Geschichte die wichtigste Triebkraft für die Erhöhung des Lebensstandards. Um jedoch sicherzustellen, dass diese Kräfte die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, muss der technologische Fortschritt in die richtige Richtung gehen und unsere Regierungsinstitutionen damit Schritt halten können.
In meiner jüngsten Forschungsarbeit bin ich gemeinsam mit Joseph Stiglitz der Frage nachgegangen, wie der technologische Fortschritt – insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz – so gelenkt werden kann, dass er die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöht, anstatt sie zu verringern. Während der technologische Fortschritt oft als unausweichliche Kraft dargestellt wird, die sich unserer Kontrolle entzieht, stellt unsere Arbeit diesen technologischen Fatalismus in Frage. Die Zukunft ist nicht durch blinde technologische Kräfte oder eine Marktdynamik vorbestimmt, die wir nicht beeinflussen könnten.
Stattdessen argumentieren wir, dass die Gesellschaft den technologischen Fortschritt aktiv in Richtung von Innovationen lenken kann und sollte, die die menschlichen Fähigkeiten erweitern, anstatt sie zu ersetzen. Wenn KI das Intelligenzniveau des Menschen erreicht, werden auf längere Sicht alternative Wege zur Sicherung des gemeinsamen Wohlstands erforderlich sein, und der technologische Fortschritt sollte sich auf die Verbesserung des menschlichen Wohlergehens im Allgemeinen konzentrieren.
Die alarmierende Entwicklung arbeitssparender Innovationen
Die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte geben Grund zur Sorge. Technischer Fortschritt erhöht zwar in der Regel die Wirtschaftsleistung. Aber wie diese Gewinne verteilt werden, hängt von der spezifischen Art der involvierten Innovationen ab. Der Fortschritt kann arbeitsintensiv (steigende Löhne) oder arbeitssparend (sinkende Löhne) sein. In der Vergangenheit haben selbst kapitalintensive Innovationen in der Regel die Löhne bis zu einem gewissen Grad erhöht.
Neuere Daten deuten jedoch auf einen beunruhigenden Trend hin: Viele aktuelle Innovationen sind eindeutig arbeitssparend, wodurch nicht nur eine vorübergehende Verdrängung von Arbeitsplätzen, sondern ein dauerhafter Lohndruck droht. Wenn Ökonomen wie Acemoglu und Restrepo die Auswirkungen von Industrierobotern auf das verarbeitende Gewerbe untersuchen, stellen sie anhaltende negative Auswirkungen auf Beschäftigung und Löhne fest, die weit über die direkt betroffenen Sektoren hinausgehen.
Dieser Trend wird noch deutlicher, wenn wir das Lohnwachstum der letzten Jahrzehnte betrachten. Während sich das reale Pro-Kopf-BIP seit 1980 etwa verdoppelt hat, sind die realen Medianlöhne der amerikanischen Arbeitnehmer nur um knapp 10% gestiegen. Die Reallöhne von Arbeitnehmern, die keine leitende Funktion haben, stagnierten. Diese Divergenz deutet darauf hin, dass der technologische Fortschritt die Arbeitnehmer zunehmend zurücklässt.
Wenn die Entwicklung der künstlichen Intelligenz so weitergeht, sehen wir einer Zukunft entgegen, in der Maschinen immer mehr Aufgaben billiger erledigen können als Menschen. Die Marktlöhne würden sich danach richten, wie kostengünstig Maschinen verschiedene Arbeiten ausführen könnten, was zu stetig sinkenden Löhnen führen würde, die schließlich unter das Existenzminimum fallen könnten.
Nicht jede KI ist gleich geschaffen
Die gute Nachricht ist, dass der technische Fortschritt nicht monolithisch ist. Einige Innovationen kommen den Arbeitnehmern zugute, während andere ihnen schaden. Unsere Forschung hat Schlüsselfaktoren identifiziert, die darüber entscheiden, ob eine Innovation eher arbeitsintensiv oder arbeitssparend ist:
- Komplementarität zur Arbeit: Macht die Innovation menschliche Arbeitskräfte produktiver oder ersetzt sie sie vollständig?
- Faktoranteil: Wie viel des durch die Innovation geschaffenen ökonomischen Wertes fließt auf die Arbeits- und nicht in zur Kapitalseite?
- Marktgröße und Nachfrageelastizität: Wie groß ist der Markt für die betroffenen Produkte, und wie stark steigt die Nachfrage, wenn die Preise fallen?
- Relatives Einkommen der betroffenen Arbeitnehmer: Sind die von der Innovation betroffenen Arbeitnehmer bereits vermögend oder relativ gesehen benachteiligt?
Nehmen wir die beiden folgenden gegensätzlichen KI-Anwendungen:
Autonome Fahrzeuge könnten potenziell Millionen von menschlichen Fahrern ersetzen, ohne dass die entlassenen Arbeitnehmer davon profitieren würden. Intelligente Assistenten hingegen erweitern die menschlichen Fähigkeiten, indem sie die Arbeitnehmer in Echtzeit anleiten und so produktiver machen. So könnten beispielsweise Augmented-Reality-Geräte weniger qualifizierte Arbeitnehmer bei der Ausführung komplexer Aufgaben unterstützen, indem sie Schritt-für-Schritt-Anweisungen geben.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Innovationen liegt nicht nur in ihren technischen Spezifikationen, sondern auch in ihrer Beziehung zur menschlichen Arbeitskraft. Die eine zielt darauf ab, Arbeitskräfte zu ersetzen – die andere darauf, ihre Fähigkeiten zu verbessern.
Den technologischen Fortschritt aktiv steuern
Unser technologischer Entwicklungspfad ist nicht unausweichlich. Er wird von den Entscheidungen geprägt, die wir treffen – als Einzelne, als Unternehmen und als Gesellschaft. Hier sind einige Ansätze, um den technologischen Fortschritt kurzfristig in eine arbeitnehmerfreundlichere Richtung zu lenken:
Ausbildung von Unternehmern und Entwicklern: Viele Technologieunternehmer und KI-Forscher wollen wirklich, dass ihre Innovationen der Gesellschaft auf breiter Ebene zugutekommen. Eine bessere Anleitung dazu, wie sich bestimmte Designentscheidungen auf die Arbeitsmärkte auswirken, könnte ihnen dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, die zu mehr integrativem Wohlstand führen. Momentane gibt es einen Fokus darauf, algorithmische Verzerrungen zu vermeiden. Dieser könnte auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ausgeweitet werden.
Anreize für arbeitsintensive Innovationen schaffen: Unser Steuersystem bietet derzeit Anreize, Arbeitnehmer durch Maschinen zu ersetzen. Arbeit ist oft der am höchsten besteuerte Faktor in unserem Wirtschaftssystem, was einen starken Anreiz für arbeitssparende Innovationen schafft. Eine einfache Anpassung dieser Anreize – durch die Senkung der Steuern auf Arbeit und die mögliche Einführung gezielter Steuern auf Technologien, die Arbeit ersetzen – könnte sich die Innovationskraft erheblich in Richtung arbeitskomplementärer Technologien verlagern.
Direkte staatliche Forschungsförderung: Ein wesentlicher Teil der KI-Forschung wird von staatlichen Stellen durchgeführt oder finanziert. Diese öffentlichen Investitionen sollten nicht nur nach ihren technologischen Vorzügen bewertet werden, sondern auch nach ihren wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte. Von Forschungsanträgen könnte verlangt werden, dass sie Bewertungen darüber enthalten, wie sich die daraus resultierenden Innovationen auf verschiedene Arten von Arbeitnehmern auswirken könnten.
Arbeitnehmer zu Entscheidungen über Technologien: Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter, die an Unternehmensentscheidungen beteiligt sind, können dazu beitragen, Unternehmen von Technologien abzubringen, die die Ersetzbarkeit von Arbeitnehmern erhöhen. Arbeitnehmer haben oft wertvolle Erkenntnisse darüber, wie die Technologie ihre Beiträge verbessern und nicht ersetzen könnte, aber diese Perspektiven werden im Innovationsprozess häufig übersehen.
Nicht-monetäre Vorteile der Arbeit: Arbeitsplätze sind mehr als nur Einkommen – sie bieten Identität, Bedeutung, Status und soziale Verbindungen. Bei der Bewertung der technologischen Auswirkungen sollten wir diese nicht-ökonomischen Dimensionen berücksichtigen. Je wohlhabender die Gesellschaft wird, desto wichtiger werden die nicht-monetären Aspekte der Arbeit im Vergleich zur reinen Einkommenserzielung.
Konkrete Beispiele für arbeitnehmerfreundliche KI
Wie könnte eine arbeitnehmerfreundlichere KI in der Praxis aussehen? KI-Diagnosesysteme könnten medizinisches Fachpersonal nicht ersetzen, sondern ergänzen, indem sie Empfehlungen aussprechen, die menschliche Ärzte bewerten und in ihre Entscheidungen einbeziehen können. Assistenten in der Fertigung könnten weniger qualifizierte Arbeiter durch komplexe Montageprozesse führen und sie so effektiv weiterbilden, anstatt sie zu ersetzen. KI-gestützte Plattformen könnten Arbeitskräfte auf der Grundlage ihrer individuellen Fähigkeiten und Präferenzen mit Stellenangeboten zusammenbringen und so zur Schaffung effizienterer Arbeitsmärkte beitragen.
Im Bildungsbereich könnte KI das Lernen personalisieren, um Arbeitnehmern zu helfen, im Laufe ihrer Karriere neue Fähigkeiten zu entwickeln, während Kommunikationstools Teams dabei unterstützen, über Sprachbarrieren und Zeitzonen hinweg zusammenzuarbeiten und so die Bandbreite der Projekte erweitern, die quer über den Global verteilte Teams durchführen können. Diese Beispiele zeigen, wie KI die menschlichen Fähigkeiten verbessern und durch Komplementarität statt durch Substitution Werte schaffen kann.
Ein Brückenschlag in die Zukunft
Während die oben genannten Strategien für die nahe Zukunft entscheidend sind, sollten wir auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie nicht für immer ausreichend sein werden. Unsere Gesellschaft hat sich jahrhundertelang um die Arbeit als primären Mechanismus für die Einkommensverteilung herum organisiert. Aber die KI-Entwicklung könnte dieses grundlegende Arrangement irgendwann in Frage stellen. Wir sollten die KI-Entwicklung in naher Zukunft in Richtung arbeitskomplementärer Technologien lenken, da wir wissen, wie tief die Arbeit in unsere sozialen Strukturen integriert und wie schwierig es ist, schnell zu einem alternativen System überzugehen.
Der langfristige Verlauf des technologischen Fortschritts legt jedoch nahe, dass wir gleichzeitig damit beginnen sollten, die institutionellen Grundlagen für eine Wirtschaft zu schaffen, in der die Menschen gedeihen können, auch wenn die Arbeit eine weniger zentrale Rolle spielen wird. Solche Institutionen sollten darauf abzielen, weit verbreiteten Wohlstand zu schaffen, auch wenn der ökonomische Wert der menschlichen Arbeit abnimmt.
Diese beiden Strategien stehen nicht im Widerspruch zueinander – sie sind komplementäre Ansätze, die auf unterschiedlichen Zeithorizonten arbeiten. Indem wir den technologischen Fortschritt jetzt aktiv in eine arbeitsfreundliche Richtung lenken, gewinnen wir Zeit, um die später möglicherweise erforderlichen grundlegenderen Veränderungen sorgfältig zu entwickeln und umzusetzen.
Langfristig könnte die Entwicklung der künstlichen Intelligenz dazu führen, dass Maschinen praktisch alle wirtschaftlich wertvollen Aufgaben billiger erledigen können als die Unterhaltskosten für menschliche Arbeitskraft. Diese potenzielle Zukunft würde grundlegende Veränderungen in der Organisation unserer Wirtschaft und Gesellschaft erfordern.
In dem Maße, wie die von autonomen Maschinen produzierte Leistung steigt und der Marktwert der Arbeit sinkt, wäre es optimal, die Arbeit schrittweise abzuschaffen. Die gute Nachricht ist, dass eine Welt mit einem Übermaß an maschineller Produktion ein noch nie dagewesenes Produktionsniveau bedeutet, das im Prinzip jeden Menschen ernähren könnte. Die Herausforderung besteht darin, Institutionen zu schaffen, die sicherstellen, dass dieser Überfluss auf breiter Basis geteilt wird.
Eine Lösung könnte ein Grundeinkommen sein, das automatisch mit der Entwicklung des Nicht-Arbeitseinkommens mitwächst. Alternative Ansätze sind öffentliche Beteiligungen an KI-Unternehmen oder Dividendensysteme, die die Erträge aus dem technologischen Fortschritt verteilen. Wenn die richtigen Institutionen vorhanden sind, um die Gewinne aus solchen Technologien zu verteilen, könnte das Ende der Arbeit nicht Not, sondern Befreiung bedeuten – und den Menschen erlauben, sich auf kreative Beschäftigungen, Beziehungen und Aktivitäten zu konzentrieren, die unabhängig von ihrem Marktwert Sinn und Erfüllung bringen.
Schlussfolgerung
Es steht viel auf dem Spiel, und wir müssen sowohl taktisch als auch strategisch denken. Kurzfristig spricht vieles dafür, die KI-Entwicklung aktiv in Richtung von Technologien zu lenken, die menschliche Arbeitskräfte ergänzen, anstatt sie zu ersetzen. Dieser Ansatz erhält die Lebensfähigkeit der Arbeitsmärkte, solange unsere sozialen Strukturen noch stark an die Beschäftigung als primäres Mittel der Einkommensverteilung gebunden sind.
Gleichzeitig müssen wir mit der schwierigen Aufgabe beginnen, unsere Wirtschaftsinstitutionen für eine Welt neu zu konzipieren, in der sich das traditionelle Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital möglicherweise grundlegend ändert. Durch diesen doppelten Ansatz – kurzfristige Steuerung der Technologie und langfristiger Aufbau neuer Systeme – können wir auf eine Zukunft hinarbeiten, in der der technologische Fortschritt dem menschlichen Wohlergehen im weitesten Sinne dient.
Der Weg der technologischen Entwicklung ist nicht vorbestimmt – er wird gewählt. Die Entscheidungen, die wir heute treffen – sowohl im technologischen als auch im institutionellen Bereich – werden nicht nur unsere unmittelbare ökonomische Landschaft prägen, sondern auch die gesellschaftlichen Grundlagen kommender Generationen.
Zum Autor:
Anton Korinek ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Virginia.
Hinweise:
Dieser Beitrag ist zuerst in englischer Sprache auf der Homepage des Institute for New Economic Thinking (INET) erschienen und wurde von der Makronom-Redaktion mit Zustimmung des Autors und INET ins Deutsche übersetzt.
Die vollständige Studie, auf der dieser Beitrag beruht, finden Sie hier.