Asylpolitik

Wie geht es mit den syrischen Geflüchteten in Deutschland weiter?

Der Umsturz in Syrien hat eine Debatte über die Zukunft der Geflüchteten in Deutschland ausgelöst. Wie könnte eine kluge Asylpolitik aussehen, die sowohl Integration als auch Rückkehrperspektiven sinnvoll gestaltet? Ein Beitrag von Enzo Weber.

Dem Umsturz in Syrien folgte auf dem Fuße eine polarisierte Debatte in Deutschland: Muss die neue Lage sofort genutzt werden, um möglichst viele Geflüchtete loszuwerden? Oder bricht ohne sie der deutsche Arbeitsmarkt zusammen?

Ein Blick auf die Fakten: Die Beschäftigung von Syrer:innen in Deutschland ist über die Zeit deutlich gestiegen. In sozialversicherungspflichtigen Jobs waren es nach Statistik der Bundesagentur für Arbeit – ohne Eingebürgerte – zuletzt knapp 240.000, in Minijobs 50.000. Die häufigsten Berufe liegen in der Logistik, Produktion, Gesundheit sowie im Handel und Gastgewerbe. Syrer:innen machen 0,6% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus. Die Berufe liegen überproportional in Engpassbereichen, wie Logistik und Gesundheit mit Anteilen über 1%. Ein gewisser Aderlass im Arbeitsmarkt durch Fortzug nach Syrien würde also drohen.

Gesamtwirtschaftlich wären die Effekte aber begrenzt. Ein Beispiel: Derzeit sind rund 6.000 syrische Ärzt:innen in Deutschland beschäftigt. Verluste wären hier spürbar, gerade in Regionen mit ohnehin geringer Ärztedichte. Andererseits ist die Zahl der beschäftigten Ärzt:innen in Deutschland seit geraumer Zeit um mehr als 10.000 pro Jahr gestiegen.

Für Festlegungen ist es angesichts der aktuellen Situation in Syrien ohnehin zu früh. Aber eines ist bereits klar: Es ginge nicht um einen kompletten Wegfall der Beschäftigung von Syrer:innen in Deutschland. Aus Erfahrung bleiben viele Menschen auch dann, wenn das Herkunftsland stabil werden sollte. Das betrifft gerade langjährig gut Integrierte. Derzeit lässt sich das besonders deutlich an den stark steigenden Einbürgerungen von Syrer:innen ablesen, 2023 waren es 75.000, seit 2015 bereits 165.000.

Die sozialversicherungspflichtigen Jobs liegen zu je 44% auf Fachkraft- und Helferniveau, die übrigen darüber. Die Mehrheit arbeitet also in qualifizierten Tätigkeiten. Dennoch liegt ein Schwachpunkt darin, dass viele Zugewanderte ihr Potenzial in Deutschland nicht hinreichend nutzen können. Wichtig ist deshalb, unbürokratisch und zügig Kompetenzen anzuerkennen sowie gezielt berufsbegleitend Qualifizierung zu initiieren und Spracherwerb zu fördern.

Die Zahl der syrischen Arbeitslosen lag zuletzt bei 155.000, die Quote bei 37%. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ist das immens. Zu beachten ist aber, dass Eingebürgerte – die typischerweise gut integriert sind – als Deutsche zählen. Und essenziell ist ein Blick auf die Kohorten: Bei den Mitte der 2010er Jahre Geflüchteten liegen die Erwerbstätigenquoten mittlerweile über zwei Drittel, in Europa ein Spitzenwert. Viele Geflüchtete sind allerdings erst in den vergangenen Jahren eingetroffen und befinden sich daher in einer früheren Phase des Integrationsprozesses. Deshalb sollten wir weiter investieren: Qualifizierung, Sprachförderung, Anerkennung von Abschlüssen, zügige Verfahren, Kinderbetreuung. Und weiter an der Integration der Frauen arbeiten, denn deren Erwerbsquoten zeigen Nachholbedarf.

Wenn Syrien sicher werden sollte, muss auch über das Auslaufen von Asylgründen entschieden werden. Wichtig ist dabei, für die Betroffenen wie auch Arbeitgeber langwierige Unsicherheit zu vermeiden und für die Asylverwaltung die Belastung angesichts hunderttausender Fälle zu reduzieren. Denn letztere könnte jahrelange Bearbeitungszeiten mit sich bringen.

Wir sollten deshalb in zwei Richtungen denken. Wenn Menschen in Deutschland bleiben möchten und die Voraussetzungen erfüllen, sollte es dafür rechtlich klare Bleibeperspektiven, einfache Verfahren im Inland und gute Beratung geben. Für den Übergang wäre ein Aufenthaltsrecht bei Erwerbstätigkeit mit Kriterien wie bei der Westbalkanregelung bzw. der Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration denkbar. Wenn Menschen nach Syrien zurückkehren, sollten auch sie dabei praktisch unterstützt werden. Derartige Lebensentscheidungen unter Ungewissheit werden zudem leichter, wenn Türen offenbleiben. Bei freiwilliger Ausreise könnte eine einmalige Wiedereinreiseoption nach Deutschland in einer Anfangsphase eine Möglichkeit sein. Für einen Verbleib in Deutschland wären auch dann die üblichen Voraussetzungen zu erfüllen.

Eine Perspektive weist über den Fall Syrien hinaus: Kehren Menschen aus Deutschland zurück, können sie Wissen, Erfahrung, Werte, Sprache weitergeben und mit deutschen Institutionen vor Ort Netzwerke aufbauen. Eine solche Partnerschaft mit anderen Ländern ließe sich auch als Teil von Migrationsabkommen entwickeln. Deutsche Aufenthaltstitel erlöschen allerdings, wenn man sechs Monate außer Landes ist oder aus nicht vorübergehenden Gründen ausreist. Mit flexibleren Regeln – Kanada und Frankreich etwa sehen drei Jahre vor – könnten Kontakte besser gehalten werden.

 

Zum Autor:

Enzo Weber leitet den Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen” des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung, insbesondere Makroökonometrie und Arbeitsmarkt, der Universität Regensburg.

Hinweis:

Dieser Beitrag ist zuerst im Wirtschaftsdienst erschienen (veröffentlicht unter CC BY 4.0 International).