Analyse

Wie die Mietpreisbremse gewirkt hat

Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele der negativen Vorurteile über die Mietpreisbremse angesichts ihrer messbaren Effekte revidiert werden müssen. Dennoch sollte das Gesetz nachgebessert und weitere Maßnahmen ergriffen werden, um das Problem der Wohnungsnot zu reduzieren. Ein Beitrag von Andreas Mense und Claus Michelsen.

Bild: Pixabay

Die Mietpreisbremse gilt mittlerweile seit gut drei Jahren, und nur wenige Gesetze wurden seither in der Öffentlichkeit kontroverser diskutiert. Die häufig zugespitzte Debatte hat mutmaßlich auch die Erwartungshaltung an die Regulierung überhöht, sodass die tatsächliche Wirkung – wie sie denn auch in einigen empirischen Studien gezeigt werden konnte – kaum mehr als solche wahrgenommen wurde. Das Meinungsspektrum reicht daher von Forderungen einer radikalen Verschärfung bis hin zum Ruf nach einer ersatzlosen Abschaffung der Mietpreisbremse.

Gut drei Jahre nach der Einführung der Regulierung wurde nun Bilanz gezogen. Das DIW Berlin hat gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersucht, was die Mietpreisbremse bewirkt hat, und welche Befürchtungen sich als falsch oder wahr herausgestellt haben. Um es vorweg zu nehmen: ein Großteil der Aufregung der letzten drei Jahre war umsonst. Viele Vorurteile über die Mietpreisbremse müssen angesichts ihrer messbaren Effekte revidiert werden.

Missverständnisse und unzureichend geeichte Blitzer

Das verbreitetste Urteil: Die Mietpreisbremse wirkt offensichtlich nicht – die Mieten steigen und steigen. Letzteres ist richtig, fußt aber auf einem Missverständnis, das möglicherweise schon in der Namensgebung angelegt ist: Die Mietpreisbremse ist nicht dahingehend konstruiert, dass sie steigende Mieten grundsätzlich verhindert. Vielmehr ist sie konstruiert, um Preisspitzen, also das Überschießen von Mieten, abzuschneiden. An der fundamentalen Hauptursache für steigende Mieten – nämlich fehlenden Wohnungen – kann und soll die Mietpreisbremse nichts ändern.

Dennoch ist es falsch, dass die Mietpreisbremse gar keine messbare Wirkung entfaltet hätte. Häufig wird in Studien darauf abgestellt, dass viele Mietinserate in den bekannten Onlineportalen offensichtlich über der erlaubten Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete von plus zehn Prozent liegen. Diese Studien versuchen also zu messen, wie viele „Geschwindigkeitsüberschreitungen“ stattfinden. Und es „blitzt“ sehr häufig in der Radarfalle: Mehr als 50 Prozent aller Inserate liegen auf den ersten Blick über dem zulässigen Wert.

Allerdings sind die Blitzer unzureichend geeicht. So gibt es einige gesetzliche Ausnahmen, die hier keinen klaren Befund zulassen. Eine Wirkung der Mietpreisbremse lässt sich aber dennoch feststellen. Betrachtet man die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit, sprich: den Anstieg der Durchschnittsmiete, so finden sich deutliche Bremspuren in Regionen, in denen die Mietpreisbremse eingeführt wurde. Die Mieten regulierter Altbauten sind nach Einführung der Mietpreisbremse langsamer gestiegen als die unregulierter Neubauten.

Ist die Mietpreisbremse eine Neubaubremse?

Ein zweites sehr oft vorgetragenes Argument lautet: Die Mietpreisbremse verhindert den Neubau und wirkt so kontraproduktiv. Auch dieses Vorurteil zeugt eher davon, dass Kommentatoren sich nicht mit der Ausgestaltung des Gesetzes auseinandergesetzt haben. Denn die Mietpreisbremse hat im Gegenteil eher eine neubauanregende Wirkung, weil die Nachfrage nach den regulierungsbedingt „günstigen” Wohnungen im Bestandssegment künstlich angefacht wird: Mehr Menschen versuchen innerhalb der Städte Wohnraum zu finden, als dies ohne Mietpreisbremse der Fall gewesen wäre. Die zusätzliche Nachfrage treibt aber die Mieten im Neubausegment noch an, die Rentabilität der Investitionen dort steigt und dürfte weitere Bauherren auf den Markt locken. Statistisch lässt sich dies zeigen: die Mieten steigen, Preise von Neubauten ziehen an, Bodenpreise ebenfalls. Jüngste Zahlen zu Baugenehmigungen deuten keinesfalls auf eine geringere Bauaktivität hin.

Strittig ist, was mit dem Bestand regulierter Wohnungen passieren wird – hier wird oft befürchtet, dass weniger in die Instandhaltung investiert und damit die Qualität der Wohnungen sinken wird. Langfristig müssten sogar Gebäude abgerissen werden. Diese so aus dem regulierten Markt gedrängten Wohnungen würden theoretisch aber wieder durch unregulierte Neubauten ersetzt. Die Mietpreisbremse erlaubt zudem moderate Mietsteigerungen bei kleineren Modernisierungen. Empirisch lassen sich weder negative Effekte auf die Modernisierung noch auf die Umwandlung in Eigentumswohnungen feststellen. Kurzum: Es spricht wenig dafür, dass die Investitionstätigkeit reduziert wurde – wahrscheinlicher ist, dass gerade wegen der Mietpreisbremse mehr Wohnraum neu gebaut und so das Angebot langfristig sogar über die Menge eines unregulierten Marktes hinaus steigen würde.

Wie soll es mit der Mietpreisbremse weitergehen?

Alles gut also? Kann die Mietpreisbremse sorgenfrei deutschlandweit und ohne die Begrenzung auf fünf Jahre eingeführt werden? So einfach ist es nicht.

Begründet werden kann ein derartiger Eingriff in den Markt in erster Linie deshalb, weil die Regulierung temporäre Preisspitzen – ausgelöst durch starke Nachfrageschübe bei gleichzeitig unflexiblem Wohnraumangebot – kappt und so soziale Kosten starker Marktschwankungen reduziert. Die Politik nimmt damit eine Stabilisierungsfunktion wahr. Dem Ansinnen des Mieterschutzes steht aber ein berechtigtes Interesse an verlässlichen Rahmenbedingungen für Immobilieneigentümer gegenüber. Das Instrument wurde als ein vorübergehender Eingriff eingeführt – unter dieser Maßgabe haben Investorinnen und Investoren bislang gehandelt. Fällt diese Begründung weg, sollte in der Konsequenz auch die Regulierung entfallen.

Einer bundesweiten und dauerhaften Einführung der Mietpreisbremse stehen aber auch ganz praktische Gründe entgegen. Ein positiver Nebeneffekt der Mietpreisbremse ist der Investitionsimpuls, der sich in der kurzen Frist auch empirisch zeigt. Dieser Effekt beruht maßgeblich darauf, dass im Vertrauen auf eine dauerhafte Ausnahme von Neubauten von der Mietpreisbremse höhere Erträge erwartet werden als im Bestandssegment. In der Diskussion um eine Verlängerung der Mietpreisbremse oder eine Entfristung der Regelung wird auch die Frage nach einer Änderung der Stichtagsregelung für Neubauten gestellt. Bei einer dauerhaften Einführung der Mietpreisbremse stellt sich diese Frage noch drängender, da der regulierte Bestand immer kleiner und der unregulierte Bestand immer größer wird.

Für Vermieter gibt es einen ökonomischen Anreiz, gegen die Mietpreisbremse zu verstoßen

Eine Änderung der Stichtagsregelung bereits jetzt hätte aber problematische Nebeneffekte. Denn zu diesem Zeitpunkt würden, am Gesamtbestand gemessen, nur vergleichsweise wenige zusätzliche Wohnungen in den regulierten Teil des Markts einbezogen. Gleichzeitig würde das Vertrauen von Investorinnen und Investoren erheblich erschüttert. Derzeit werden Wohnungen in großen Städten für mehr als das 25-fache einer Jahreskaltmiete gehandelt. Eine Änderung der Gesetze hinsichtlich des Stichtags nach weniger als fünf Jahren würde diese langfristigen Investitionen unterbinden und das Vertrauen nachhaltig erschüttern.

In der praktischen Anwendung bestünde in vielen Regionen zudem das Problem, dass die notwendige Bezugsgröße – die ortsübliche Vergleichsmiete – nicht in Mietspiegeln veröffentlicht wird. Laut Mietspiegeldatenbank des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) gibt es zwar in den meisten Großstädten eine entsprechende statistische Grundlage, gerade in kleineren Städten mit bis zu 50.000 Einwohnern sind es aber deutlich weniger als die Hälfte der Kommunen. In Gemeinden unter 20.000 Einwohnern sind es gar nur zwei Prozent, die über einen Mietspiegel verfügen.

In weiten Teilen Deutschlands müsste damit von Mieterinnen und Mietern aber auch von Eigentümerinnen und Eigentümern erheblicher Aufwand betrieben werden, um das zulässige Mietniveau auf alternativen Wegen zu ermitteln. Ohne eine einfach zugängliche und belastbare statistische Grundlage ist die Mietpreisbremse praktisch schwer anwendbar.

Dies führt zum letzten Punkt: das Gesetz ist in seiner aktuellen Fassung schwer anwendbar, weil es häufig an den notwendigen Informationen für die Durchsetzung fehlt – Verbesserungen wurden hier immerhin schon auf den Weg gebracht.

Schwerwiegender ist aber, dass es einen ökonomischen Anreiz gibt, gegen das Gesetz zu verstoßen. Als Teil des Vertragsrechts ist ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse ein zivilrechtlich zu klärendes Problem zwischen den Vertragsparteien. Derzeit droht lediglich die Rückzahlung der ab dem Zeitpunkt einer berechtigten qualifizierten Rüge zu viel bezahlten Miete. Alle bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Mietzahlungen bleiben davon unberührt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich Vermieterinnen und Vermieter bei einer Missachtung des Gesetzes ökonomisch nur besserstellen können, sofern sie keinen kostspieligen Prozess über die zulässige Miethöhe führen. Dieser Anreiz ist für die faktische Geltung des Gesetzes kontraproduktiv und sollte durch eine Regelung ersetzt werden, die eine Rückerstattung der zu viel gezahlten Mieten bis zum Beginn des Vertragsverhältnisses erfordert. Um den Rechtsfrieden zu sichern wäre es denkbar, für eine Rüge eine Frist einzuführen: So könnte beispielsweise die Möglichkeit der Beschwerdeführung auf die ersten drei Jahre eines Mietverhältnisses beschränkt werden.

Weder Fehlschuss noch Allheilmittel

Unter dem Strich ist festzuhalten, dass die Mietpreisbremse nicht der politische Fehlschuss ist, zu dem sie gerne gemacht wird. Sie ist aber auch kein Allheilmittel. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Mietpreisbremse wird auch angeführt, dass diese nur eines von mehreren Elementen einer aktiven Wohnungsmarktpolitik sein kann. Benötigt würden auch weitere Maßnahmen, wie beispielsweise die Bereitstellung von Bauland, die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus, eine aktive kommunale Liegenschaftspolitik sowie die Unterstützung von altersgerechtem Umbau oder die Förderung der energetischen Modernisierung. Die gewonnene Zeit wurde offenbar nicht in ausreichendem Maß genutzt, um die Knappheit auf den Wohnungsmärkten zu reduzieren. Hierauf sollte die Politik ihre Kräfte konzentrieren.

 

Zu den Autoren:

Andreas Mense ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Sozialpolitik, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Auf Twitter: @amensee

Claus Michelsen ist Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Auf Twitter: @clausmichelsen

 

Hinweis:

Hier finden Sie die vollständige Studie, auf der dieser Beitrag beruht.