Was macht manche Länder reich und andere arm? Gibt es Maßnahmen, die ein Land ergreifen kann, um den Lebensstandard seiner Bürger zu verbessern? Ökonomen beschäftigen sich seit Jahrhunderten mit diesen Fragen. Wenn die Antwort auf die zweite Frage „Ja“ lautet, könnte dies enorme Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben.
Der diesjährige Preis der Sveriges Riksbank für Wirtschaftswissenschaften (allgemein bekannt als Wirtschaftsnobelpreis) ging an drei Forscher, die Antworten auf diese Fragen geliefert haben: Philippe Aghion, Peter Howitt und Joel Mokyr.
Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte war wirtschaftliche Stagnation die Norm – modernes Wirtschaftswachstum ist aus historischer Sicht eine sehr junge Erscheinung. Die diesjährigen Preisträger wurden für ihre Beiträge zur Erklärung der Frage geehrt, wie nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreicht werden kann.
Zu Beginn der 1980er Jahre wurden die Wachstumstheorien weitgehend von den Arbeiten des amerikanischen Ökonomen Robert Solow dominiert. Daraus ergab sich eine wichtige Schlussfolgerung: Langfristig wird das Pro-Kopf-Einkommenswachstum durch den technologischen Fortschritt bestimmt.
Solows Modell erklärte jedoch weder, wie sich Technologie im Laufe der Zeit akkumuliert, noch welche Rolle Institutionen und Politik bei ihrer Förderung spielen. Daher kann die Theorie weder erklären, warum Länder über längere Zeiträume hinweg unterschiedlich wachsen, noch welche politischen Maßnahmen einem Land helfen könnten, sein langfristiges Wachstum zu verbessern.
Man könnte argumentieren, dass technologische Innovationen aus der Arbeit von Wissenschaftlern hervorgehen, die weniger durch Geld motiviert sind als der Rest der Gesellschaft. Daher könnten Länder kaum eingreifen – technologische Innovationen wären das Ergebnis der eigenen Interessen und Motivationen der Wissenschaftler.
Diese Denkweise änderte sich jedoch mit dem Aufkommen der endogenen Wachstumstheorie, die erklären soll, welche Kräfte Innovation vorantreiben. Dazu gehören die Arbeiten von Paul Romer, Nobelpreisträger 2018, sowie die diesjährigen Preisträger Aghion und Howitt.
Diese drei Autoren vertreten Theorien, nach denen technologischer Fortschritt letztlich darauf zurückzuführen ist, dass Unternehmen versuchen, neue Produkte zu entwickeln (Romer) oder die Qualität bestehender Produkte zu verbessern (Aghion und Howitt). Damit Unternehmen neue Wege beschreiten können, brauchen sie die richtigen Anreize.
Schöpferische Zerstörung
Während Romer die Bedeutung von Rechten des geistigen Eigentums anerkennt, um Unternehmen für die Entwicklung neuer Produkte finanziell zu belohnen, unterstreicht das Modell von Aghion und Howitt die Bedeutung der sogenannten „schöpferischen Zerstörung”. Dabei entsteht Innovation aus dem Wettbewerb zwischen Unternehmen, die versuchen, die besten Produkte zur Befriedigung der Verbraucherbedürfnisse anzubieten. In ihrem Modell bedeutet eine neue Innovation die Verdrängung einer bestehenden.
In ihrem Grundmodell ist der Schutz geistigen Eigentums wichtig, um Unternehmen für Innovationen zu belohnen. Gleichzeitig kommen Innovationen jedoch nicht von Marktführern, sondern von neuen Marktteilnehmern. Etablierte Unternehmen haben nicht denselben Anreiz zur Innovation, da dies ihre Position in der Branche nicht verbessert. Folglich führt ein zu starker Schutz zu Markteintrittsbarrieren und kann das Wachstum verlangsamen.
Weniger Beachtung findet in ihren Arbeiten jedoch die Idee, dass jede Innovation Gewinner (Verbraucher und innovative Unternehmen) und Verlierer (Unternehmen und Arbeitnehmer, die von der alten, verdrängten Technologie betroffen sind) hervorbringt. Diese Spannungen könnten das Wachstum eines Landes entscheidend beeinflussen – wie andere Arbeiten gezeigt haben, könnten die Eigentümer der alten Technologie versuchen, Innovationen zu blockieren.
Hier ergänzt Mokyr diese Arbeiten perfekt, indem er einen historischen Kontext liefert. Mokyrs Forschung konzentriert sich auf die Ursprünge der industriellen Revolution sowie auf die Geschichte des technologischen Fortschritts von der Antike bis heute. Er stellte fest, dass wissenschaftliche Entdeckungen zwar hinter dem technologischen Fortschritt standen, eine wissenschaftliche Entdeckung jedoch keine Garantie für technologische Fortschritte war.
Erst als die moderne Welt begann, das von Wissenschaftlern entdeckte Wissen auf Probleme anzuwenden, die das Leben der Menschen verbessern würden, erlebten die Menschen ein nachhaltiges Wachstum. In seinem Buch The Gifts of Athena argumentiert Mokyr, dass die Aufklärung hinter der Veränderung der Motivationen von Wissenschaftlern stand.
In Mokyrs Werken ist es für ein nachhaltiges Wachstum von entscheidender Bedeutung, dass Wissen fließt und sich ansammelt. Dies war der Geist, der die industrielle Revolution prägte, und er förderte die Gründung der Institution, an der ich arbeite – der Universität Sheffield, die im 19. Jahrhundert finanzielle Unterstützung von der Stahlindustrie erhielt. In seinen späteren Werken betont Mokyr die Schlüsselrolle einer Wissenskultur für Wachstum, das den Lebensstandard verbessert. Daher ist Offenheit für neue Ideen von entscheidender Bedeutung.
In ähnlicher Weise ist das Rahmenwerk von Aghion und Howitt zu einem Standardinstrument in der Wirtschaftswissenschaft geworden. Es wurde verwendet, um viele wichtige Fragen zum menschlichen Wohlergehen zu untersuchen: die Beziehung zwischen Wettbewerb und Innovation, Arbeitslosigkeit und Wachstum, Wachstum und Einkommensungleichheit sowie Globalisierung und viele andere Themen.
Analysen, die auf ihrem Rahmenkonzept basieren, haben auch heute noch Einfluss auf unser Leben. Sie finden sich in politischen Debatten über Big Data, Künstliche Intelligenz und grüne Innovationen wieder. Und Mokyrs Analyse darüber, wie Wissen akkumuliert wird, wirft die zentrale Frage auf, was Länder tun können, um ein Innovationsökosystem zu fördern und das Leben ihrer Bürger zu verbessern.
Der diesjährige Preis ist jedoch auch eine Warnung vor den Folgen einer Beeinträchtigung der Wachstumsmotoren. Die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern mit Unternehmen zur Verbesserung des Lebensstandards ist das ultimative Elixier für Wachstum. Hingegen dürfte die Untergrabung von Wissenschaft, Globalisierung und Wettbewerb kein erfolgsversprechender Ansatz sein.
Zum Autor:
Antonio Navas ist Senior Lecturer für Volkswirtschaftslehre an der University of Sheffield.
Hinweis:
Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation in englischer Sprache veröffentlicht und von der Makronom-Redaktion unter Zustimmung von The Conversation und des Autors ins Deutsche übersetzt.