Es ist Europawahljahr – und das bedeutet nicht nur, dass im Juni das Europäische Parlament neu zusammengesetzt wird, sondern auch eine neue Europäische Kommission im Herbst. Wie in parlamentarischen Demokratien üblich, wird die Kommission vom Europäischen Parlament gewählt (Art. 17 (7) (3) EUV). Anders als in parlamentarischen Demokratien üblich, liegt das Vorschlagsrecht dafür allerdings beim Rat, der seinerseits die Liste der Kommissionsmitglieder „im Einvernehmen mit dem gewählten [Kommissions-]Präsidenten“ und „auf der Grundlage der Vorschläge der Mitgliedstaaten“ annimmt (Art. 17 (7) (2) EUV).
Vorschläge der Regierungen
In der Praxis bedeutet das, dass jede der nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten ein Kommissionsmitglied vorschlägt, aber das Parlament ein Veto gegen diese Vorschläge einlegen kann – und das auch tatsächlich immer wieder tut. Lehnen die Abgeordneten eine Kommissar:in ab, wird deren Ersatz dann allerdings ebenfalls von der jeweiligen nationalen Regierung vorgeschlagen. Ein zaghafter Versuch des Parlaments, einen eigenen Namensvorschlag ins Spiel zu bringen, blieb 2014 erfolglos.
Etwas mehr Einfluss kann die Präsident:in ausüben, da diese auch für die „interne Organisation“ der Kommission zuständig ist – insbesondere die Ressortverteilung zwischen den verschiedenen Mitgliedern. Regierungen, die der von ihnen vorgeschlagenen Kommissar:in ein attraktives Tätigkeitsfeld sichern wollen, tun deshalb gut daran, sich im Vorfeld mit der Präsident:in abzusprechen.
Sowohl 2014 als auch 2019 forderte die Präsident:in die Regierungen auf, nicht nur einen, sondern mehrere Bewerber:innen vorzuschlagen, und dabei insbesondere auch auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu achten. Dem kamen allerdings nur wenige Mitgliedstaaten nach. Bis heute sind in der Kommission deshalb mehr Männer als Frauen vertreten, auch wenn sich das Verhältnis im Lauf der Zeit etwas verbessert hat.
Die Kommission ist parteipolitisch immer bunt
Die starke Rolle der nationalen Regierungen bei der Ernennung der Kommission beeinflusst auch deren parteipolitische Zusammensetzung. In parlamentarischen Demokratien spiegelt die Regierung typischerweise die Parlamentsmehrheit wider, während Oppositionsparteien nicht darin vertreten sind. Die Europäische Kommission hingegen ist parteipolitisch grundsätzlich „bunt“ und reflektiert in etwa die Zusammensetzung der mitgliedstaatlichen Regierungen zum Zeitpunkt ihrer Ernennung.
Allerdings ist die Kommission parteipolitisch auch nicht einfach eine Kopie des Europäischen Rates. Zwar ist es in vielen Mitgliedstaaten üblich, dass die stärkste Regierungspartei auch das Kommissionsmitglied stellt. In anderen Ländern gilt der Kommissionsposten aber auch als Verhandlungsmasse bei der nationalen Koalitionsbildung, wodurch auch kleinere Parteien zum Zug kommen können. Und manche nationalen Regierungen sind sogar bereit, Angehörige von Oppositionsparteien als Kommissionsmitglied vorzuschlagen, wenn sie sich dadurch einen größeren Einfluss für ihr Land erhoffen. Die genaue Zusammensetzung der Kommission ist deshalb immer von der spezifischen Situation in jedem einzelnen Mitgliedstaat abhängig.
Die Übersicht
Aber wer wird nun in der neuen Kommission vertreten sein? Wirklich fest steht dabei natürlich noch kaum etwas: Bis die Kommission im Sommer wirklich ernannt wird, kann noch einiges passieren. In einigen Ländern finden bis dahin sogar noch nationale Wahlen statt, sodass noch nicht einmal klar ist, welche Regierung überhaupt den Vorschlag machen wird. In vielen anderen Mitgliedstaaten hingegen hat die Debatte über das nächste „eigene“ Kommissionsmitglied bereits begonnen. In einigen Fällen wurden bereits erste Namen bekannt, in anderen steht wenigstens fest, welche Partei den Vorschlag machen wird.
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die möglichen Kandidat:innen und über die nationalen Konstellationen, die den Vorschlag beeinflussen werden. In Fällen, in denen noch keine neuen Namen kursieren, zeigt die Tabelle das bisherige Kommissionsmitglied des Landes in grauer Schrift, sofern dessen Partei weiterhin an der nationalen Regierung beteiligt und eine weitere Amtszeit möglich ist. Andernfalls steht die Angabe „NN“.
Wenn neue Informationen bekannt werden, wird diese Tabelle künftig weiter überarbeitet werden. Die regelmäßig aktualisierte Tabelle finden Sie unter diesem Link.
Zum Autor:
Manuel Müller ist Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Er betreibt das Blog „Der (europäische) Föderalist“, wo dieser Beitrag zuerst erschienen ist. Auf X: @foederalist