Deutschland schöpft sein junges Gründungspotenzial nicht aus. Dabei zeigen aktuelle Studien: Die Lust am Gründen ist da – es fehlt aber an richtigen Rahmenbedingungen. Besonders finanzielle Unsicherheiten, unzureichender Zugang zu Kapital, mangelndes Wissen und fehlende Netzwerke hemmen junge Menschen beim Schritt in die Selbstständigkeit. Die Konsequenz: Obwohl Gründungen von jungen Menschen wichtige Impulse für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit liefern könnten, bleiben diese Potenziale bislang zu oft ungenutzt. Um das zu ändern, braucht es differenzierte und wirksame Unterstützungsangebote.
Gründungsinteresse ja – Umsetzung nein
Die Diskrepanz zwischen dem Interesse an einer Gründung und dem tatsächlichen Gründen ist auffällig. Zwar geben rund 40% der 14- bis 25-Jährigen an, sich eine Unternehmensgründung vorstellen zu können. Doch nur etwa 11% der 18- bis 24-Jährigen setzen diese Idee auch um. Zum Vergleich: In den Niederlanden und den USA liegt die Gründungsquote dieser Altersgruppe mit 23,3 bzw. 24,1% mehr als doppelt so hoch. Die OECD schätzt, dass in Deutschland rund 1,6 Millionen zusätzliche Gründungen möglich wären, wenn junge Menschen so gründungsaktiv wären wie die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen.
Die Ursachen für dieses Missverhältnis sind vielfältig: Neben finanzieller Unsicherheit hemmen vor allem fehlende Netzwerke, unzureichende unternehmerische Bildung und der erschwerte Zugang zu Startkapital die Gründungsaktivität. Hinzu kommen subjektive Hürden wie mangelndes Zutrauen oder Angst vor Überforderung. Rund 25% der jungen Befragten der repräsentativen Umfrage gaben an, eine Selbstständigkeit sei ihnen zu unsicher und weitere 20% trauten sich eine Selbstständigkeit nicht zu.
Was junge Gründer:innen wirklich brauchen
Der Young Founders Monitor beleuchtet, welche konkreten Unterstützungsangebote das Gründungsgeschehen befördern können. Grundlage ist ein Conjoint-Experiment mit 297 gründungsinteressierten jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die insgesamt 4.752 Entscheidungen zu hypothetischen Förderszenarien trafen. Untersucht wurden sieben Unterstützungsmaßnahmen, die in unterschiedlicher Ausprägung kombiniert wurden:
- Start-up-Grundsicherung
Eine unbürokratische finanzielle Absicherung für Erstgründer:innen von bis zu einem Jahr. Sie umfasst Leistungen in Höhe der allgemeinen Grundsicherung sowie einen Kündigungsschutz, falls eine abhängige Beschäftigung vorliegt. - Zugang zu Wagniskapital
Der vereinfachte Zugang zu Risikokapital durch digitale Plattformen, Austauschformate und spezifische Förderprogramme. - Vernetzungsmöglichkeiten
Angebote zum gezielten Austausch mit anderen Gründer:innen, Investor:innen, potenziellen Kund:innen und Förderpartner:innen. Sie ermöglichen frühe Kontakte zu unternehmerischen Netzwerken. - Mentoringprogramme
Programme, in denen erfahrene Gründer:innen oder Branchenexpert:innen als Sparringspartner für junge Gründende fungieren und mit Know-how, Kontakten und Erfahrungswissen unterstützen. - Spezifische Unterstützungsprogramme für junge Menschen
Maßnahmen, die sich gezielt an junge Erwachsene richten – z. B. Stipendienprogramme für Studierende, Auszubildende oder Berufseinsteiger:innen mit Gründungsambitionen. - (Weiter-)Bildungsangebote zu Start-up-Gründungen
Flächendeckende Bildungsformate, die Gründungsinteressierten praxisnahe Inhalte vermitteln – etwa zu Themen wie Business Development, Ideenvalidierung, Digitalisierung oder Teamführung. - Spezifische Unterstützungsprogramme für soziale Start-ups
Förderformate für gemeinwohlorientierte Gründungen, etwa durch soziale Innovationsstipendien, Coaching oder finanzielle Hilfen für unternehmerische Vorhaben mit gesellschaftlicher Wirkung.
Das Ergebnis: Alle Maßnahmen erhöhen die wahrgenommene Attraktivität einer Gründung – aber nicht gleichermaßen:

Finanzielle Unterstützung besonders wirksam
Am stärksten würde die Einführung einer Start-up-Grundsicherung die Gründungsattraktivität erhöhen: Wenn eine Start-up-Grundsicherung angeboten wird, erhöht sich die wahrgenommene Attraktivität einer Gründung, gemessen auf einer Skala von 1 bis 7, im Durchschnitt um 1,22 Punkte. An zweiter Stelle folgt der erleichterte Zugang zu Wagniskapital mit einem durchschnittlichen Zugewinn von 0,84 Punkten.
Die starke Wirkung finanzieller Maßnahmen verweist auf eine zentrale Barriere: Viele junge Menschen empfinden die finanzielle Unsicherheit als größte Hürde. Die Grundsicherung schafft Sicherheit in der Übergangsphase, während ein vereinfachter Zugang zu Wagniskapital die Chance auf Wachstum verbessert – was besonders für technologieorientierte oder innovative Gründungsvorhaben relevant ist.
Auch Netzwerke, Mentoring und Bildung sind gefragt
Maßnahmen mit mittlerer Wirkung sind Vernetzungsmöglichkeiten (+0,72), Mentoringprogramme (+0,70) und spezifische Förderprogramme für junge Menschen (+0,68). Hier geht es um Zugang zu erfahrenen Gründenden, um Austausch mit Investor:innen, Kund:innen oder Kooperationspartner:innen sowie um gezielte Unterstützung durch Stipendien oder Beratung.
(Weiter-)Bildungsmöglichkeiten zu Start-up-Gründungen zeigen ebenfalls positive Effekte (+0,59), etwa wenn sie Themen wie Business Development, Ideation oder den Einsatz digitaler Tools adressieren. Programme speziell für soziale Start-ups wirken zwar grundsätzlich positiv (+0,47), bleiben in der Effektstärke aber hinter anderen Formaten zurück.
Zielgruppenspezifische Unterschiede
Zu berücksichtigen ist auch, dass nicht alle Maßnahmen bei allen jungen Menschen gleich wirken. Die Studie zeigt deutliche Unterschiede nach Geschlecht, Herkunft, Gründungserfahrung und unternehmerischer Selbstwirksamkeit, also dem Vertrauen in die eigene Fähigkeit, unternehmerische Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können.
Junge Frauen legen besonders großen Wert auf finanzielle und soziale Sicherheit. Ihnen ist eine Start-up-Grundsicherung um 14 Prozentpunkte wichtiger als jungen Männern, spezifische Förderprogramme sogar um 32 Prozentpunkte. Gleichzeitig messen sie dem Zugang zu Wagniskapital deutlich weniger Bedeutung bei (-15 Prozentpunkte).
Junge Menschen mit Migrationshintergrund bewerten insbesondere Vernetzung (+20 Prozentpunkte) und den Zugang zu Wagniskapital (+17 Prozentpunkte) als deutlich relevanter. Da sie über weniger bestehende Netzwerke verfügen, sehen sie in diesen Maßnahmen einen entscheidenden Hebel, um strukturelle Nachteile auszugleichen.
Gründungserfahrene bewerten die meisten Unterstützungsangebote als weniger relevant. Dies vermutlich, weil sie davon ausgehen, bereits über das nötige Wissen und etablierte Netzwerke zu verfügen. Für sie ist die Relevanz einer Start-up-Grundsicherung um 13 Prozentpunkte geringer, Bildungsangebote und Programme für soziale Start-ups sind für sie sogar bis zu 39 Prozentpunkte weniger relevant.
Auch junge Menschen mit hoher unternehmerischer Selbstwirksamkeit reagieren generell zurückhaltender auf Unterstützungsangebote: Mentoringprogramme werden von ihnen um 18 Prozentpunkte, Bildungs- und Förderangebote um 28 Prozentpunkte weniger stark bewertet.
Drei Hebel für mehr Gründungsdynamik
Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich vor allem drei Hebel identifizieren, die die Gründungsdynamik erhöhen könnten:
Finanzielle Absicherung stärken: Die Einführung einer Start-up-Grundsicherung ist ein zentraler Hebel zur Steigerung der Attraktivität, ein Unternehmen zu gründen. Ergänzt um den gezielten Ausbau des Zugangs zu Wagniskapital, lassen sich die wichtigsten strukturellen Hemmnisse adressieren.
Zielgruppenspezifisch fördern: Ein differenzierter Blick auf die Bedarfe ist unerlässlich: Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Gründungsunerfahrene benötigen andere Formen der Unterstützung als erfahrene Gründer:innen mit hoher unternehmerischer Selbstwirksamkeit. Förderprogramme müssen dies widerspiegeln.
Bestehende Angebote besser sichtbar machen: Viele Maßnahmen scheitern nicht an ihrer Konzeption, sondern an fehlender Sichtbarkeit. Informationsasymmetrien können verhindern, dass junge Menschen überhaupt Kenntnis von passenden Unterstützungsformaten erhalten. Eine niederschwellige, zielgruppengerechte Kommunikation ist deshalb unerlässlich.
Fazit: Innovationspotenziale konsequent aktivieren
Junge Menschen verfügen über Ideen, technologische Offenheit und Veränderungswillen. Sie gründen häufiger mit digitalen Technologien, sind exportorientierter und innovationsgetriebener als ältere Gründende. Doch ohne strukturelle Absicherung und gezielte Förderung bleiben viele Potenziale ungenutzt. Eine moderne Gründungspolitik muss daher mutiger investieren – in finanzielle Sicherheit, in differenzierte Angebote und in Sichtbarkeit. Nur so gelingt es, die nächste Generation von Unternehmer:innen zu mobilisieren – und die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern.
Zu den Autoren:
Jens Schüler ist Postdoc am Institut für Entrepreneurship und Innovation der Universität Bayreuth.
Matthias Baum ist Professor für Entrepreneurship und digitale Geschäftsmodelle am Institut für Entrepreneurship und Innovation der Universität Bayreuth.
Ivo Andrade ist Project Manager bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh.
Tobias Bürger ist Senior Project Manager und Co-Projektleiter bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh.