Ukraine-Konflikt

Was die Russland-Sanktionen bisher gebracht haben

Vor rund zwei Jahren verhängte der Westen wegen der Besetzung der Krim-Halbinsel Sanktionen gegen Russland. Diese Politik hat massive Schäden in der russischen Wirtschaft angerichtet – die Machtbasis von Wladimir Putin wurde aber höchstens geringfügig geschwächt.

Euromaidan-Proteste in Kiew im Februar 2014. Foto: spoilt.exile via Flickr (CC BY-SA 2.0)

Vor zwei Jahren besetzten russische Truppen nach dem Fall des pro-russischen Janukowytsch-Regimes und der Bildung einer neuen pro-westlichen Regierung die Krim-Halbinsel und stifteten den Konflikt in der Ost-Ukraine an. Als Reaktion darauf verhängte der Westen strenge ökonomische und politische Sanktionen gegen Russland. Das Ziel dieser Reaktion war es, Russland zum Stopp der Besatzung der Krim und der Unterstützung für die Separatisten in der Ost-Ukraine zu bewegen.

Die Sanktionen richteten sich gegen ganze Sektoren der russischen Wirtschaft sowie gegen bestimmte Mitglieder des inneren Kreises von Präsident Wladimir Putin. Aus westlicher Perspektive zielten die Sanktionen auf eine Schwächung der russischen Wirtschaft ab, infolge derer die Fähigkeit Russlands geschwächt werden sollte, seine revisionistische Politik (bzw. aus russischer Perspektive: die Status quo-Politik) gegen die Ukraine und möglicherweise andere Republiken der früheren Sowjetunion weiter zu verfolgen.

Sie dürften auch darauf gezielt haben, die politische Situation in Russland durch Massenproteste wegen der Verschlechterung der sozioökonomischen Lage zu destabilisieren. Die persönlichen Sanktionen gegen die russische Führung sollten die Geschäftsinteressen von Putins innerem Kreis beeinträchtigen, der seine primäre Machtbasis ist, und Russlands politische und ökonomische Elite spalten.

Die westlichen Sanktionen haben der russischen Wirtschaft schwer geschadet

Was sind nun die bleibenden Folgen dieser Politik nach zwei Jahren? In Kombination mit den niedrigen Öl- und Gaspreisen haben die Sanktionen erhebliche Schäden in der russischen Volkswirtschaft angerichtet. Das nominale russische Bruttoinlandsprodukt ist von 2,01 Billionen US-Dollar im Jahr 2013 auf 1,23 Billionen im Jahr 2015 gefallen. Das russische BIP pro Kopf fiel im selben Zeitraum von 14.487 auf 8.447 US-Dollar. Teilweise ist dies auf den Absturz des Rubel/Dollar-Wechselkurses zurückzuführen: 2013 lag der durchschnittliche Wechselkurs bei 30,03 Rubel pro Dollar, während der Kurs 2015 bei durchschnittlich 68,73 lag.

Auch andere Parameter zeigen, dass sich die russische Wirtschaft in Schwierigkeiten befindet. Von 2013 bis 2015

  • stieg die Inflationsrate von 6,5% auf 12,9%,
  • sanken die Exporte von 523 auf 340 Milliarden US-Dollar,
  • fielen die Importe von 341 auf 194 Milliarden US-Dollar und
  • schrumpften die Devisenreserven von 510 auf 368 Milliarden US-Dollar.

Demzufolge haben die Sanktionen und die niedrigen Öl- und Gaspreise der russischen Wirtschaft erhebliche Schäden zugefügt, die sozioökonomische Situation hat sich ebenfalls verschlechtert.

Tatsächlich hat die Stagnation aber schon 2013 begonnen, also vor Einführung der Sanktionen und des Ölpreisverfalls, was einen Hinweis auf die ernsthaften strukturellen Probleme der russischen Wirtschaft gibt. Ein zusätzlicher Faktor, der die russische Position schwächt, ist die technologische Abhängigkeit Russlands vom Westen, insbesondere im Bereich der Ölproduktion.

Trotz der wirtschaftlichen Schwäche besitzt Russland immer noch eine erhebliche militärische Macht

Aber obwohl das Land wirtschaftlich geschwächt ist, besitzt es immer noch eine erhebliche militärische Macht. Russland demonstriert in der Ukraine und in Syrien, dass es über beeindruckende militärische und organisatorische Fähigkeiten verfügt und nicht zögert, diese auch einzusetzen, um seine Interessen zu verfolgen. Russland hat außerdem gezeigt, dass es in der Lage ist, neue, moderne Waffen einzusetzen, was viele westliche Analysten und Amtsträger überrascht hat.

Allerdings wird die ökonomische Schwäche ab einem gewissen Punkt auch die militärische Stärke des Landes beeinflussen. Die russischen Militärausgaben sind von 2013 bis 2015 bereits von 88,4 Milliarden US-Dollar auf 66,4 Milliarden gesunken – eine erhebliche Reduzierung um 25%.

Außerdem wird Russland durch einige weitere Ausgaben belastet. Russland muss Mittel für die Teile der Donezk- und Luhansk-Regionen bereitstellen, die von den pro-russischen Milizen kontrolliert werden. Des Weiteren werden die Krim, Abchasien, Südossetien und Transnistrien mit erheblichen Wirtschaftshilfen versorgt. Laut Stratfor-Angaben gibt Russland mindestens fünf Milliarden US-Dollar für diese Fälle aus, und die Ausgaben und somit auch der damit verbundene Druck auf den Staatshaushalt dürften weiter steigen.

Putins Machtbasis

Trotz der ökonomischen Folgen der westlichen Sanktionen waren die Bemühungen, die inländische Opposition gegen die russische Regierung zu stärken, weitaus weniger erfolgreich. Es hat keine nennenswerten Proteste im Land gegeben und ein erheblicher Anteil der Bevölkerung unterstützt auch weiterhin Wladimir Putin und seine Außenpolitik.

Die russische Bevölkerung macht eher den Westen als die eigene Regierung für die schwierige wirtschaftliche Lage verantwortlich

Tendenziell wird eher der Westen als die Regierung für die schwierige wirtschaftliche Lage verantwortlich gemacht. Umfragen legen nahe, dass es für große Teile der russischen Bevölkerung wichtiger ist, gegenüber den USA einen hohen Status zu haben, als kurzfristige wirtschaftliche Vorteile zu haben. Auf mittlere und lange Sicht könnte sich dies allerdings ändern.

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Nichtsdestotrotz hat Putin Maßnahmen ergriffen, sein Regime zu stärken, um mögliche Unruhen zu neutralisieren, wie etwa kürzlich die Bildung der russischen Nationalgarde zeigte, die symbolisch für die generelle Umverteilung von Kontrolle innerhalb der russischen Sicherheitsstrukturen ist. Wichtige Positionen in dieser neuen Struktur wurden an Personen vergeben, die Putin gegenüber persönlich loyal sind und mit ihm schon seit Jahren zusammenarbeiten. Tatsächlich wird die neue Nationalgarde unter Putins persönlicher Kontrolle stehen. Somit ist eine nennenswerte Schwächung des Putin-Regimes auf kurze Sicht unwahrscheinlich, insbesondere, wenn man die politische und organisatorische Schwäche von Opposition und Zivilgesellschaft berücksichtigt.

Momentan gibt es in Russland keine echte demokratische Alternative zum Putin-Regime

Momentan gibt es in Russland keine echte demokratische Alternative zum Putin-Regime. Es existieren keine starken demokratischen Anführer oder Strukturen, die von einem größeren Teil der russischen Bevölkerung unterstützt werden könnten. Außerdem sind die Ideale der liberalen Demokratien nach westlichem Vorbild in Folge der gescheiterten demokratischen Reformen der 90er Jahre in Russland diskreditiert. Daher ist die Vorstellung, Putins Regime durch ein freiheitlich-demokratisches Regime zu ersetzten, höchst problematisch.

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Aber das bedeutet nicht, dass Russland durch die ökonomischen und politischen Sanktionen in der Ukraine nicht erfolgreich Einhalt geboten werden könnte. Die Sanktionen zeigen Wirkung und, obwohl Russland sich nicht von der Krim zurückziehen wird, ist in der Ost-Ukraine ein Kompromiss realisierbar, wie das zweite Minsker Abkommen zeigt. Zumindest auf dem Papier hat Russland angedeutet, dass es die territoriale Integrität der Ukraine (mit Ausnahme der Krim) mittels der Föderalisierung des Landes – oder zumindest mittels der Gewährung eines Sonderstatus für Donezk und Luhansk – unterstützt. Aus russischer Perspektive würde die Föderalisierung die Integration des Landes in die EU und in die Nato verhindern und so den westlichen Einfluss ausgleichen.

Der Westen und die Ukraine

In der Praxis hat die Ukraine wenig Aussichten, in der nahen Zukunft in die EU oder in die Nato aufgenommen zu werden. Das jüngste Referendum in den Niederlanden hat gezeigt, dass große Teile der Westeuropäer nicht bereit sind, eine solche enge Verbindung mit der Ukraine zu unterstützen. Und es wäre ziemlich schwierig, den europäischen Steuerzahlern zu erklären, warum sie den Beitritt der Ukraine finanziell unterstützen sollten – ein armes Land mit schweren Korruptionsproblemen, einer beschädigten Infrastruktur und einer anderen Kultur. All diese Faktoren dürften den Glauben der ukrainischen Bevölkerung daran unterminieren, einen pro-westlichen Kurs zu verfolgen.

Das Beste, was der Westen für die Ukraine tun könnte, wäre, konkrete Hilfe für den Aufbau eines Staatswesens zu leisten. Die Bildung einer effektiven ukrainischen Bürokratie und einer aktiven Zivilgesellschaft sollten genau wie der andauernde Kampf gegen die Korruption die Hauptprioritäten sein. Diese Elemente sind die Grundlage für politische Stabilität in der Ukraine und der beste Schutz gegen den russischen Revisionismus.

Und wenn sich der Westen wünscht, die öffentliche Meinung in Russland zu beeinflussen, dann wird das am ehesten dadurch erreicht, in der Ukraine ein Zeichen zu setzen. Dieser Prozess könnte zwar Jahre an politischen und ökonomischen Bemühungen erfordern, aber ist nichtsdestoweniger der beste Weg nach vorne. Eine stabile und relativ gut entwickelte Ukraine könnte schlussendlich auch in der EU akzeptiert werden – dagegen sollten die Aussichten einer Nato-Mitgliedschaft dauerhaft aufgegeben werden, weil sie höchstwahrscheinlich die Quelle weiterhin anhaltender Spannungen zwischen dem Westen und Russland sein würde.

 

Zum Autor:

Alexander Tabachnik ist Doktorand an der Haifa University’s School of Political Sciences. Seine Forschungsschwerpunkte sind der post-sowjetische Raum, ethnischer Nationalismus und Separatismus sowie die russische Innen- und Außenpolitik.

 

Hinweis:

Die englische Originalfassung des Textes ist zuerst erschienen auf dem EUROPP-Blog der London School of Ecnomics and Political Science (LSE). Die Übersetzung erfolgte mit Genehmigung von EUROPP.