Ungleichheit

Warum wir beim Kampf gegen den Klimawandel auch die Verteilungsfrage berücksichtigen müssen

Wenn Europa wie versprochen seinen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten will, wird es eine aggressivere Klimaschutzpolitik betreiben müssen. Aber diese wird die Reichen reicher und die Armen ärmer machen, weshalb es unverzichtbar ist, die Verteilungseffekte der Klimapolitik abzuschwächen. Ein Kommentar von Georg Zachmann.

Ärmere Haushalte werden hohe Benzin- und Besitzsteuern für ihre dreckigen alten Pkws zahlen müssen – womit die Regierungen dann reiche Haushalte subventionieren könnten, die sich ein Elektroauto kaufen. Foto: Pixabay

Europa hat nur 30 Jahre Zeit um aufzuhören, seine Autos mit Benzin zu betanken, seine Energie aus Kohle zu gewinnen und seine Wohnungen mit Öl zu heizen – oder es wird den Europäern nicht gelingen, ihren versprochenen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten.

Eine solche tiefgreifende Veränderung wird massive politische Interventionen erfordern: gesetzliche Standards werden den Einsatz bestimmter Technologien verbieten, CO2-Steuern die Nutzung schmutziger Energie verteuern und öffentliche Programme den Einsatz von saubereren Technologien fördern müssen. Und die zukünftigen Interventionen müssten wesentlich aggressiver sein als es die aktuelle Klimapolitik ist: Während der Preis für eine Tonne CO2-Ausstoß heutzutage bei unter 10 Euro liegt, könnten im Jahr 2050 über 100 Euro nötig sein, um einen niedrigeren Emissionsausstoß zu bewirken.

Diese Maßnahmen werden nicht nur Einfluss auf die Wirtschaft haben, sondern auch erhebliche verteilungspolitische Konsequenzen mit sich bringen. Ärmere Haushalte, die sich keine teuren neuen Elektroautos leisten können, werden hohe Benzin- und Besitzsteuern für ihre dreckigen alten Pkws zahlen müssen. Ironischerweise könnten die Regierungen dann ebendiese Steuereinnahmen verwenden, um reiche Haushalte zu subventionieren, die sich einen neuen Tesla kaufen.

Eine aggressivere Klimapolitik würde disproportional zu Lasten ärmerer Haushalte gehen

Ärmere Haushalte besitzen üblicherweise auch keine Häuser und können somit auch nicht aktiv in öffentlich subventionierte Solarpanels, energetische Gebäudesanierungen oder Ladestationen investieren. Und selbst wenn sie ein Haus besitzen, haben sie keinen Zugang zu Kapital, um diese Investitionen zu finanzieren. Sie werden also einen wachsenden Anteil ihrer niedrigen Einkommen für Strafzahlungen für Umweltverschmutzung ausgeben, während reichere Haushalte – die ohnehin einen geringeren Teil ihres Einkommens für den Energieverbrauch ausgeben – es sich leisten können, fossilen Energiequellen den Rücken zu kehren, um höhere CO2-Steuern zu vermeiden. Eine aggressivere Klimapolitik würde also disproportional zu Lasten ärmerer Haushalte gehen.

Im Gegensatz dazu erhalten Unternehmen weiterhin kostenlose Emissionszertifikate, um ihre internationale Wettbewerbsposition zu stärken. Diese Firmen übertragen ihre CO2-Kosten oftmals vollständig auf ihre Konsumenten. Gleichzeitig implizieren die massiven Investitionen, die für die Wende hin zu einer CO2-armen Wirtschaft benötigt werden, eine gewaltige Kapitalnachfrage – die Weltbank spricht von einem zusätzlichen Investitionsvolumen von vier Billionen US-Dollar während der nächsten 15 Jahre. Eine höhere Kapitalnachfrage übersetzt sich in höhere Kapitalkosten, was bedeutet, dass Kapitalbesitzer mit höheren Erträgen rechnen können.

Somit könnten zunehmend aggressivere Klimapolitiken die Reichen reicher und die Armen ärmer machen. Eine wachsende Ungleichheit wird wiederum das Wirtschaftswachstum und die politische Stabilität verringern. Diese Verteilungseffekte werden die politische Akzeptanz für die Klimapolitik untergraben. Aber die Alternativen – also den Klimawandel zu ignorieren oder die Haushalte nicht dazu zu drängen, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern – sind nicht tragbar. Ärmere Haushalte leiden disproportional stärker unter dem Klimawandel, weil sie weniger Kapazitäten haben, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen oder sich gegen Klimarisiken abzusichern.

Es wird daher immer wichtiger werden, die Verteilungseffekte der Klimapolitik zu adressieren, und dies fängt an bei der Art und Weise, wie Klimaschutzmaßnahmen entwickelt werden. Die Diskussionen zur Klimapolitik werden momentan von Industrievertretern (dazu zählen auch die Gewerkschaften aus den die Umwelt verschmutzenden Industrien) und Umweltschützern dominiert, aber soziale Bedenken sind kaum repräsentiert. Das muss sich ändern, damit alle Entscheidungsträger sich viel intensiver mit den Fairnessaspekten der Klimapolitik beschäftigen.

Es ist möglich und entscheidend, die Verteilungseffekte der Klimapolitik abzuschwächen, weil sonst die notwendigen massiven Interventionen politisch nicht akzeptabel sein werden

Eine offensichtliche Möglichkeit liegt in der Umverteilung der steigenden Einnahmen aus CO2-Steuern. Wenn ein größerer Teil dieser Einnahmen genutzt werden würde, um den CO2-Fußabdruck der ärmeren Haushalte zu reduzieren – beispielsweise indem ihnen Finanzmittel für die Investition in energieeffizientere Geräte bereitgestellt werden – könnten sie letztlich sogar von der Klimaschutzpolitik profitieren. Wir sollten uns außerdem Gedanken machen, wie wir verschiedene CO2-Quellen unterschiedlich besteuern können. So sind Steuern für den Elektrizitätsverbrauch besonders unfair gegenüber ärmeren Haushalten, die traditionell einen weitaus höheren Anteil ihres Einkommens für Elektrizität ausgeben, während Benzinsteuern tendenziell eher zu Lasten reicherer Haushalte gehen.

Einen entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt wäre es jedenfalls möglich, die Verteilungseffekte der Klimapolitik abzuschwächen. Und das ist absolut entscheidend, weil ansonsten die notwendigen massiven Interventionen – also CO2-Preise, die das heutige Niveau um mehr als das Zehnfache übersteigen – politisch nicht akzeptabel sein werden.

 

Zum Autor:

Georg Zachmann ist Senior Fellow beim Thinktank Bruegel. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Energie- und Klimapolitik. Auf Twitter: @GeorgZachmann

 

Hinweis:

Dieser Beitrag ist auf der Bruegel-Homepage zuerst in englischer Sprache erschienen.