Economists for Future

Warum die Energiewende droht, neue Monopole zu schaffen

Die Energiewende ist als gesellschaftliches und ökologisches Projekt gedacht. Doch Tech-Giganten wie Google, Amazon und Microsoft sind auf dem Weg, durch die Kontrolle von Energiedaten und KI die ökonomischen Gewinne einzufahren.

Bild: Pixabay

Unsere Gesellschaft befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Im Zentrum steht die Wirtschaft – und die Suche nach Wegen zur Nachhaltigkeit. Die nächsten Jahre werden entscheiden, inwiefern dieser Wandel by disaster geschieht oder uns by design gelingt.

Die Debattenreihe #econ4future widmet sich den damit verbundenen ökonomischen Herausforderungen und diskutiert mögliche Lösungsansätze. Die Beiträge analysieren Engführungen in den Wirtschaftswissenschaften und Leerstellen in der aktuellen Wirtschaftspolitik. Zugleich zeigen sie Orientierungspunkte für ein zukunftsfähiges Wirtschaften auf und geben Impulse für eine plurale Ökonomik, die sozial-ökologische Notwendigkeiten ernst nimmt.

Die Kooperation mit Economists for Future e.V. begann im September 2019. Seitdem erscheint jährlich eine neue Staffel mit wechselnden Themenschwerpunkten. Die siebte Ausgabe widmet sich der Frage, wie sich soziale Sicherheit im Spannungsfeld von Klimakrise und wirtschaftlicher Transformation neu denken lässt. Was braucht es aus ökonomischer Perspektive, um sozialer Spaltung sowie dem Erstarken autoritär-nationalistischer Tendenzen entgegenzuwirken? Und wie können Wohlfahrtsstaat, Eigentumsverhältnisse, Versorgungssysteme und Institutionen so gestaltet werden, dass demokratischer Zusammenhalt, ökologische Stabilität und ökonomische Resilienz gestärkt werden?

Alle bisher erschienenen Beiträge der Economists for Future-Reihe finden Sie hier.

Die Energiewende ist eine Chance für die gesellschaftliche Transformation. Sie sollte dazu beitragen, die Macht der großen Ölkonzerne abzubauen, lokale Wertschöpfung zu schaffen und die demokratische Kontrolle über Energiesysteme zu stärken. Diese Möglichkeiten ergeben sich, weil Brennstoffe wie Gas und Öl von bestimmten Akteuren (Staaten und/oder Firmen), die ein geografisches Gebiet mit Ressourcen kontrollieren, monopolisiert werden können. Im Gegensatz dazu sind Sonne und Wind überall verfügbar – und größtenteils nicht zu monopolisieren: Haushalte, Firmen und andere Akteure können deshalb ihren eigenen Strom produzieren.

Es wird häufig argumentiert, dass durch diese breitere Verteilung von erneuerbaren Energieressourcen ein demokratischeres Energiesystem entstehen kann („Energy Democracy”, siehe Szulecki, 2018). Ich argumentiere aber, dass Macht und Wertschöpfung nicht automatisch mit Energiequellen verbunden sind; sondern davon abhängen, wer über neue Infrastrukturen und Technologien verfügt. Daher birgt die Energiewende neue Möglichkeiten zur Monopolisierung von wichtigen Daten mit Hilfe Künstlicher Intelligenz.

Warum Daten und KI für die Energiewende wichtig sind

Erneuerbare Energiesysteme benötigen aus zwei Gründen Daten und KI. Erstens durch die steigende Nachfrage durch Elektrifizierung und die sogenannte Sektorkopplung, also die Verbindung der Bereiche Wärme, Verkehr und Industrie mit dem Stromnetz. Da diese Sektoren von fossilen Brennstoffen auf Strom umsteigen, steigt die Nachfrage danach enorm und wird schwieriger vorherzusagen.

Der zweite Grund ist die periodische Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien: Da es zu bestimmten Tageszeiten ein erhöhtes Angebot an erneuerbaren Energien gibt, soll die Nachfrage dem Angebot angepasst werden. Das unterscheidet sich von der bisherigen Herangehensweise, wo das Angebot an fossilem Strom einfach der Nachfrage angepasst wird. Die gestiegene Nachfrage aus verschiedenen Sektoren mit einem fluktuierenden Stromangebot zu bedienen, ist daher kompliziert und erfordert große und detaillierte Datenmengen, um Vorhersagemodelle zu trainieren.

Diese Modelle ermöglichen es, Entscheidungen darüber zu treffen, wann beispielsweise die Akkus von Elektroautos geladen oder sie ihren Ladestrom wieder zurück ins Stromnetz einspeisen sollen. Eine entscheidende Frage der Energiewende ist somit, wem die energiebezogenen Daten, die Rechenleistung und die künstliche Intelligenz gehören (Weko, 2024). Derzeit befinden sich diese zentralen Ressourcen zum Training dieser Modelle vor allem unter der Kontrolle großer Technologieunternehmen wie Amazon, Google und Microsoft.

Diese Unternehmen haben in anderen Sektoren bereits Monopole aufgebaut, die auf der Kontrolle immaterieller Vermögenswerte beruhen (Durand & Milberg, 2020, Rikap, 2023). Dazu gehören Daten, Algorithmen, Software und andere Formen digitaler Infrastruktur. Sie haben durch ihre Cloud-Dienste Macht und Einfluss auf die globale Wirtschaft und Politik gewonnen.

Die Energiewende und die Abhängigkeit von Big Tech

Die „Cloud“ ist im Grunde genommen eine Datensammlung, die in den Rechenzentren der Unternehmen gespeichert und analysiert wird. Anstatt dass jedes Unternehmen eigene Datenzentren betreibt, ist diese Form der Datenverwaltung oft effizienter als eine individuelle Datenverwaltung, da Größenvorteile entstehen. Die physische und digitale Komponente von Clouds werden mit der Zentralisierung effizienter. Rechenzentren sind umso effizienter, je mehr Nutzer sie haben, weil die Besitzer der Rechenzentren die Speicherkapazität und Rechenleistung optimal verteilen können. Das bedeutet auch, dass Cloud-Infrastrukturunternehmen die Nutzung ihrer Rechenzentren optimieren können, um das Beste aus ihren Anlagen herauszuholen. Einige Cloud-Unternehmen nutzen diese Flexibilität zudem, um stromintensive Vorgänge auf Tageszeiten zu verlegen, zu denen Energie billiger oder umweltfreundlicher ist.

Gleichzeitig führt dies jedoch zu einer starken Abhängigkeit von Big Tech, da die zugrundeliegenden Systeme und Technologien eine Black Box sind. Akteure, die „Cloud-Dienste“ nutzen, bauen ihre täglichen Operationen auf diese Infrastrukturen auf, können dann aber nur mit viel Aufwand wechseln. Diese Abhängigkeit schafft komplexe Beziehungsgeflechte, in denen sowohl Unternehmen als auch Staaten auf die Infrastrukturen von Cloud-Giganten angewiesen sind. Selbst große und innovative Firmen geraten in Abhängigkeit von diesen Plattformen (Franco et al., 2024, Franco et al., 2023). Firmen, die KI-Cloud-Dienste nutzen, können auch ohne Zugang zu ihren Daten zur Informationsquelle für Google, Amazon und Microsoft werden. Ihre Algorithmen lernen und verbessern sich durch das Behandeln von Daten, auch wenn diese Daten verschlüsselt sind (Lauter, 2022).

Dasselbe gilt für den Energiesektor: Viele Akteure in diesem Bereich nutzen die Cloud-Dienste großer Technologieunternehmen, um Energiesysteme zu steuern und Innovationen zu entwickeln. Diese Dynamik führt dazu, dass Cloud-Giganten von ihren Daten lernen und eigene Innovationen für Energiesysteme entwickeln.

Cloud-Giganten fördern aktiv einen „lock-in“ in ihre Cloud-Infrastruktur für verschiedene Energie-Akteure. Ein Beispiel dafür sind sogenannte „Cloud Grants“, also finanzielle Förderungen oder kostenlose Nutzung von Cloud-Services im Rahmen von Start-up-Wettbewerben von Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure. Start-ups, die an solchen Programmen teilnehmen, entwickeln ihre grünen Innovationen auf der Cloud-Infrastruktur der großen Technologieunternehmen. Dadurch werden sie langfristig von diesen Anbietern abhängig (Rikap & Weko, 2025).

Anhand eines Beispiels von Google im Zusammenhang mit Übertragungsnetzbetreibern wird diese Entwicklung deutlich. „Tapestry“ ist ein Projekt von Google X, Technologien für Stromnetze zu entwickeln (visualisieren und planen). Verschiedene Übertragungsnetzbetreiber, unter anderem der chilenische „Coordinador Eléctrico Nacional“ arbeiten mit Tapestry und teilen ihre Daten, um eine nahezu in Echtzeit funktionierende Virtualisierung des Stromnetzes zu entwickeln und neue Werkzeuge für die Netzplanung zu schaffen. Tapestry erhält dabei Zugriff auf wertvolle Daten, die zur Weiterentwicklung ihrer Modelle dienen. Seit September 2024 basiert die Netzplanung des chilenischen Betreibers vollständig auf den Systemen von Tapestry. Tapestry wiederum nutzt Google Cloud und Deepmind für ihre Modelle, und arbeitet auch eng mit anderen Energieakteuren in den USA zusammen. Das heißt: Google spielt bei der Planung von Energiesystemen zunehmend eine wichtige Rolle, was der Konzern eventuell zu seinen Gunsten nutzen kann.

Auch in anderen Bereichen des Energiesystems geraten innovative und große Firmen in die Abhängigkeit von Cloud-Giganten. Diesen Firmen sehen die Cloud als günstige Alternative und bauen ihre eigenen digitalen Infrastrukturen ab. Beispielsweise hatte das dänische Windkraftunternehmen Vestas früher hohe Kapazitäten für Energie-Modellierung: Vestas entwickelte eigene Modelle auf dem Supercomputer „Firestorm“, der einer der schnellsten privatwirtschaftlich genutzten Computer der Welt war. Aber im Jahr 2021 begann Vestas, seine Modelle auf der Cloud-Plattform Azure von Microsoft auszuführen und verlagerte 2024 schließlich seine gesamte Modellierung dorthin.

Gleichzeitig entwickeln die großen Technologieunternehmen eigene Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien, um ihren Profit zu steigern. Ein Beispiel ist Amazon, das in den Bereichen Windenergie, Solarenergie, Batterietechnologie und Elektromobilität aktiv ist. Amazon begann 2016, erneuerbare Energietechnologien für seine eigenen Datenzentren auszubauen – in 2025 hat der Konzern mehr als 25 Gigawatt Kapazität. Um seinen Energieverbrauch möglichst effizient zu steuern, gründete Amazon ein eigenes Team namens „Renewable Energy Operations“ (REO), das mit KI die Nutzung und Produktion von Stromressourcen optimiert. Solche Innovationen sind für Cloud-Giganten wichtig, weil Stromkosten und Nachhaltigkeit für KI zunehmend ein Thema sind. Gleichzeitig werden Innovationen an anderen Unternehmen und Energieakteure verkauft, wodurch neue Abhängigkeiten und Renditen entstehen.

Digitale Infrastruktur gehört in die öffentliche Hand

An dieser Stelle könnte man einwenden: Wo ist das Problem? Big-Tech-Firmen interessieren sich fürs Klima, und Energieakteure können durch ihre Technologien und Produkte effizienter arbeiten. Das Problem ist allerdings, dass solche Entwicklungen längerfristige Abhängigkeitsbeziehungen schaffen. Die Literatur zu diesen Technologieunternehmen demonstriert, dass Unternehmen, die ihre Systeme auf den Cloud-Plattformen von Cloud-Giganten aufbauen, in sogenannte Lock-in-Situationen geraten. Sie können die Plattformen nicht ohne hohen Aufwand wechseln und sind gezwungen, steigende Preise für Infrastruktur und Innovationen zu akzeptieren. Zudem behindern die großen Technologieunternehmen Wettbewerb, indem sie kleinere Konkurrenten aufkaufen oder deren Entwicklung behindern (Durand & Milberg, 2020; Rikap, 2023; Rikap & Lundvall, 2022).

Diese Prozesse wirken sich auch auf die ökologische Transformation aus. Obwohl die Energiewende als gesellschaftliches und ökologisches Projekt gedacht ist, können durch die Monopolisierung von Daten und KI große Technologieunternehmen die ökonomischen Gewinne einfahren. Außerdem versuchen Big-Tech-Firmen durch die Verbreitung von Narrativen über den „richtigen“ Transformationspfad – der ihren Interessen dienen –, die sozio-ökologische Transformationen zu steuern (Rikap & Weko, 2025). Dadurch wird nicht nur die Energiewende, sondern die gesamte Umwelt zu einem weiteren Feld, in dem Tech-Monopole ihre Macht sichern und ausbauen.

Eine zukunftsfähige Ökonomie sollte jedoch anders aussehen. Sie sollte lokale Wertschöpfung fördern, insbesondere auch in Europa, und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Möglichkeit geben, Innovationen zu entwickeln. Sie sollte demokratisch gestaltet sein und sich sowohl von „Big Oil“ als auch von „Big Tech“ lösen.

Es sind daher politische Maßnahmen notwendig, um Monopole strenger zu regulieren. Der Digital Markets Act (DMA) der Europäischen Union ist ein Schritt in diese Richtung, weil er versucht, den Lock-in-Effekt zu bekämpfen, indem Cloud-Anbieter verpflichtet werden, den Wechsel zu anderen Anbietern zu ermöglichen. Allerdings besitzen die Cloud-Giganten Google, Amazon und Microsoft 70% des Marktanteils in Europa, was es schwierig macht, einen anderen Anbieter zu finden. Obwohl andere Akteure (in Deutschland zum Beispiel „Schwartz Digits“) versuchen, ihre eigenen Cloud-Dienste aufzubauen, ist es quasi unmöglich, mit Google, Amazon und Microsoft zu konkurrieren. Bestehende Cloud-Giganten haben nicht nur die bestehende Infrastruktur, sondern schon auch über Jahrzehnte Daten gesammelt und bearbeitet, die besten Start-ups gekauft und globale Wissenschaftssysteme so gesteuert, dass sie ein Monopol auf Wissen besitzen (Rikap, 2023).

Es wäre also notwendig, bestehende Monopole aktiv aufzubrechen und Cloud-Dienste von den Plattformunternehmen organisatorisch zu trennen. Dazu müssen durch internationale Zusammenarbeit zuverlässige, öffentliche Alternativen zu den US-Cloud-Giganten geschaffen werden.

Es gibt in Europa schon Versuche, solche Alternativen aufzubauen, zum Beispiel die Gaia-X-Initiative. Deren ursprüngliche Idee war, durch aktive Industriepolitik eine europäische Infrastruktur aufzubauen. Die Cloud-Giganten stiegen allerdings schnell in das Projekt ein und hielten es mit einer Diskussion um Standards und Interoperabilität klein (Obendiek & Seidl, 2023). Alternative Initiativen müssen wieder in die Hände des öffentlichen Sektors, weil die Cloud eine öffentliche Infrastruktur wie Energie und das Transportwesen ist: Ohne diese digitale Infrastruktur funktioniert die moderne Wirtschaft nicht.

Wenn gewinnorientierte private Akteure diese Infrastrukturen monopolisieren, wird die Cloud immer private Interessen bedienen. Eine öffentliche Cloud könnte allerdings auch so gestaltet werden, dass ihre Einnahmen und die daraus entstehenden Innovationen der Allgemeinheit zugutekommen (Rikap et al., 2024). Auf diese Weise würde sie nicht ausschließlich den Interessen großer Technologieunternehmen dienen, sondern zur Förderung gemeinschaftlicher und demokratischer Strukturen beitragen.

Nur wenn diese Schritte umgesetzt werden, kann die Energiewende tatsächlich zu einer gerechten, nachhaltigen und demokratisch kontrollierten Transformation werden. Andernfalls droht sie, zu einem weiteren Feld zu werden, in dem Macht und Profit in den Händen weniger konzentriert bleiben, während die gesellschaftlichen Versprechen der Energiewende unerfüllt bleiben.

 

Zur Autorin:

Silvia Weko ist seit 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Nachhaltigkeitspolitik der FAU Erlangen-Nürnberg, wo sie im NFDI4Energy Projekt forscht. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Politik der Nachhaltigkeitswende und die verschiedenen Akteure, die darauf abzielen, die Schaffung und Verteilung von wirtschaftlichem Wert zu gestalten. Ihre Dissertation schloss sie 2023 an der Universität Erfurt am Graduiertenzentrum für effektive und innovative Politikgestaltung in umstrittenen Kontexten (EIPCC) ab und wurde dafür mit dem 2. Platz des Deutschen Studienpreises ausgezeichnet.