Unternehmensmacht und Geoökonomie

Die drei Arenen strategischer Koordination

In den Debatten um ein neues Zeitalter der internationalen Konfrontation gilt es, die Koordinationsformen und -mechanismen zwischen staatlichen und ökonomischen Eliten stärker in den Blick zu nehmen. Im Zentrum stehen dabei drei politökonomische Arenen.

BASF-Werk in Ludwigshafen. Bild: Pixabay

Anfang März machte der Volkswagen-Konzern deutlich, dass der Standort seiner neuen Batteriezellfabriken nicht zuletzt von einer zügigen europäischen Antwort auf den Subventionshammer des US-amerikanischen Inflation Reduction Act abhängen wird. Dies machte erneut sichtbar, was der Debatte über Geoökonomie oftmals entgeht: Die Neujustierung von globalen Märkten und Sicherheitsarchitekturen ist keine rein zwischenstaatliche Angelegenheit, sondern ein politischer Aushandlungsprozess, in dem transnationale, global orientierte Unternehmen eine entscheidende Rolle einnehmen.

Das betrifft nicht nur industriepolitische Konfrontationen, sondern die Investitions- und Handelsregime in Gänze. Ausländische Direktinvestitionen unter Sicherheits- oder Dekarbonisierungsgesichtspunkten umzulenken, gelingt nicht ohne die passive oder aktive Einwilligung der bedeutendsten Unternehmen und Kapitalfraktionen. Das klare „Nein“ des Chemiegiganten BASF zu einer konfrontativen China-Strategie wird zum Beispiel in seinem 10 Milliarden Euro starken Investitionsprojekt in der Provinz Guangdong deutlich.

Geoökonomie: Koordination von staatlichen und unternehmerischen Strategien

Das hat Implikationen für die lebhafte Debatte über ein neues Zeitalter der internationalen Konfrontation, die Verwebung von Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik und mögliche geoökonomische Strategien. Wir wollen in diesem Beitrag daher dafür plädieren, die Koordinationsformen und -mechanismen zwischen staatlichen und ökonomischen Eliten stärker in den Blick zu nehmen und deren jeweilige Präferenzen und machtpolitischen Instrumente intensiver zu durchleuchten und einzuordnen.

In der politikwissenschaftlichen Beschäftigung mit geoökonomischen Prozessen steht die Beziehung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, zwischen Staatskunst und Marktbeherrschung, und zwischen Handlung und Struktur seit jeher im Mittelpunkt. Für den Neorealisten Edward Luttwak beispielsweise gibt es nicht nur die eindeutigen Fälle, in denen Regierungen für geoökonomische Strategien auf die compliance „ihrer“ Unternehmen angewiesen sind oder umgekehrt Unternehmen die Macht von Staaten und Bürokratien zur Unterstützung ihrer Akkumulationsstrategien heranziehen.

Vielmehr entsteht oftmals eine Konstellation „wechselseitiger Manipulation“, in der Staat und Unternehmen ihre Interessen nicht notwendigerweise aktiv verflechten, jedoch in jeweiliger Abhängigkeit durchzusetzen versuchen. Dann mögen die deutschen Botschaften zwar „Dienstleister der deutschen Außenwirtschaft“ sein, wie der Journalist Gerd Appenzeller einst zuspitzte. Diese Exportindustrie schafft aber im Gegenzug Beschäftigung, Wachstum und Staatseinnahmen, stabilisiert das deutsche Wachstumsmodell international und trägt zur Projektion deutscher soft power bei.

Diese Konstellationen genauer zu untersuchen, kann über die Konflikte und politischen Dynamiken Aufschluss geben, die den Umbau der Weltwirtschaftsordnung prägen. Dies gilt zum einen für Konflikte zwischen Staaten, deren Wirtschaftsstrukturen, komparative Vorteile und dementsprechend Macht sektoraler Blöcke sich unterscheiden. Zum anderen gilt dies aber eben auch für Konflikte zwischen Staaten und Unternehmen und zwischen Unternehmen, da unterschiedliche sektorale Interessen in unterschiedlichem Maße von diesem Umbau betroffen sind.

Im Folgenden skizzieren wir daher drei Arenen, in denen die Koordination von staatlichen und unternehmerischen Strategien zusammenläuft und die es aus unserer Sicht besonders genau zu betrachten gilt in der Debatte um eine neue Geoökonomie.

Strategien der Außenwirtschaftspolitik

Die erste Arena, in der sich gegenwärtig ein komplexer und konfliktreicher Abstimmungsprozess zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten entfaltet, betrifft die strategische Neuausrichtung der Außenwirtschaftspolitik. Im Mittelpunkt steht eine grundlegende Überarbeitung des „Wandel durch Handel“-Ansatzes.

Der unmittelbare Anstoß dafür ist Russlands Krieg gegen die Ukraine, der die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von russischem Öl und Gas offenbarte und viele deutsche Unternehmen dazu zwang, ihre Handels- und Investitionsbeziehungen kurzfristig und verlustreich abzubrechen. Nicht zuletzt in Bezug auf den möglicherweise eskalierenden Taiwan-Konflikt sowie anhaltende Menschrechtsverletzungen stellt sich aber die Frage, ob die engen wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu China eine ähnliche Gefahr darstellen, und was gegebenenfalls getan werden sollte, um solche Risiken zu mindern.

Die sich diesbezüglich anbahnende „China-Strategie“ ist besonders instruktiv. Grundsätzlich stehen bei der von der Bundesregierung angestrebten Neuausrichtung, die innerhalb der Koalition stark umstrittenen ist, drei Handlungsoptionen zur Debatte: eine „China+“- Strategie“ zur Öffnung zusätzlicher Märkte (siehe dazu die unten besprochene Wirtschaftsdiplomatie), eine Rückbesinnung auf den europäischen Binnenmarkt zum Aufbau heimischer Kapazitäten und zur Abfederung potenzieller Schocks, oder eine gezielte Abkopplung von China trotz der damit verbundenen aber weitgehend unkalkulierbaren volkswirtschaftlichen Kosten.

Chemie- und Elektroindustrie sind potenzielle Kandidaten für eine Abkehr von China, während Maschinenbau und vor allem Autoindustrie sich dagegen aussprechen

Jede dieser Optionen beinhaltet unterschiedliche Grade der Konfrontation mit der die deutsche Außenwirtschaftspolitik traditionell dominierenden Exportindustrie. Zwar beklagen deren Vertreter:innen seit längerem, dass China seine Wirtschaft zu langsam und selektiv öffne; dass es ausländische Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt tätig sind, diskriminiere; und dass es chinesische Firmen bei ihrer internationalen Expansion unfair subventioniere. Gleichzeitig besteht kein Interesse daran, den USA in ihrem aggressiven Handels- und Technologiekrieg gegen China zu folgen, und selbst moderatere Pläne der deutschen Regierung, einseitige Abhängigkeiten von China zu reduzieren, stoßen auf erhebliche Skepsis. Gemessen an den öffentlichen Interventionen der Vorstände führender Unternehmen, zumindest scheint es, als würde der deutsche Exportblock auf ein business as usual gegenüber China beharren, ohne sich den neuen Markchancen und Subventions- und Schutzmaßnahmen zu verwehren, die ihm durch Handelsoffensiven und Industriepolitiken der EU und USA geboten werden.

Die entscheidende Frage dabei ist, ob diese Präferenz für das gesamte deutsche Kapital gilt oder ob sich sektorale Interessen ausmachen lassen, die dazu bereit sind, eine konfrontativere China-Strategie mitzutragen. Dabei ist zu erwarten, dass Unternehmen, die weniger stark in China involviert sind, eine Neuorientierung leichter verkraften können und dass Unternehmen, die der chinesischen Konkurrenz direkter ausgesetzt sind, leichter für eine solche zu gewinnen sind. Entsprechende Analysen deuten darauf hin, dass Teile der Chemie- und Elektroindustrie potenzielle Kandidaten für eine Abkehr von China sind, während Maschinenbau und vor allem Autoindustrie sich dagegen aussprechen.

Zwei weitere Herausforderungen

Zwei weitere Herausforderungen stellen sich allen, die sich für den Druck und die Zwänge interessieren, unter denen eine neue China-Strategie ausgehandelt wird. Die erste besteht darin, dass sich Unternehmensmacht nicht nur in der Kontrolle über Investitionen, sondern auch über Informationen ausdrückt. So ist es für politische Entscheidungsträger:innen und vor allem eine kritische Öffentlichkeit nur schwer nachzuvollziehen, wie diversifiziert oder abhängig die Produktionsnetzwerke transnationaler Konzerne tatsächlich sind. Dies mag erklären, warum das deutsche Außenministerium die Vorstandsvorsitzenden großer deutscher Konzerne wie etwa Siemens und BASF zu vertraulichen Gesprächen einlud, um deren Abhängigkeit von China zu erörtern. Weitere Forschung mit zuverlässigeren Daten ist daher unabdingbar, um aufzeigen zu können, wie weit, wohin und speziell welche Unternehmen ihre Geschäftstätigkeiten als Reaktion auf neue geoökonomische und geopolitische Rivalitäten verlagern.

Die zweite Herausforderung betrifft die Erfordernis, strategische Neuausrichtungen der Außenwirtschaftspolitik nicht nur mit der Exportindustrie und anderen gesellschaftlichen Kräften koordinieren zu müssen, sondern auch mit Deutschlands europäischen Partnern und insbesondere den Vereinigten Staaten zu verhandeln. Letztere sind fest entschlossen, China den Zugang zu Hochtechnologien im Namen der nationalen Sicherheit zu beschränken, was den Spielraum Deutschlands entscheidend beeinflusst. In gleicher Weise muss Deutschlands neue Strategie mögliche Ausgleichs- und Vergeltungsmaßnahmen Chinas antizipieren und darauf entsprechend reagieren.

Wirtschaftsdiplomatie

Die zweite und damit verbundene Arena, in der die Koordination staatlicher und ökonomischer Eliten die geoökonomische Aufstellung prägt, ist die Wirtschaftsdiplomatie. Zielsetzungen, Instrumente und Abläufe der Wirtschaftsdiplomatie können sehr zahlreich sein, sind aber gemeinhin zentraler Bestandteil einer Analyse ökonomischer Staatskunst (economic statecraft), wie sie in der geoökonomischen Debatte hervorgehoben wird. Aber auch hier ist eine strikte Grenzziehung zwischen „politischen“ und „ökonomischen“ Interessen und Akteuren nicht unbedingt zielführend. Ein instruktives Beispiel dafür sind die Delegationsreisen der Bundesregierung, die unter Beteiligung von Wirtschaftsvertreter:innen stattfinden.

Noch Ende 2022 sorgte die China-Reise des Bundeskanzlers für eine breitere Kontroverse, die vor dem Hintergrund des Russisch-Ukrainischen Krieges und der Debatte um ein decoupling von China zu verstehen ist. Wie Adam Tooze dazu bemerkte, nahm Olaf Scholz nicht einfach Teile des deutschen BIPs mit auf diese Reise, sondern in erster Linie die Vorstände der alten Deutschland AG – „large and powerful, highly sophisticated corporate organizations enmeshed in national and international networks of power“ – deren politökonomischer Einfluss ihren Beitrag zum BIP bei weitem übersteigt. Die Beteiligung der DAX-Unternehmen an den Delegationsreisen variiert, denn Verbände und sogenannte hidden champions spielen je nach Reiseziel eine nicht unerhebliche Rolle.

Die Abhängigkeiten von China sind in wiederholten staatlich-koordinierten Anläufen gefestigt worden, die Ausdruck einer exportorientierten Machstruktur im deutschen Wirtschaftsmodell sind

Tatsächlich aber hat nahezu keine China-Delegationsreise des Bundeskanzleramts oder des Wirtschaftsministeriums zwischen 2014 und 2019 – immerhin neun an der Zahl – ohne BASF, Siemens und VW stattgefunden (siehe dazu die kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke im Bundestag hier und hier). Die nun so heftig diskutierten Abhängigkeiten von China sind demnach in wiederholten staatlich-koordinierten Anläufen gefestigt worden, die Ausdruck einer exportorientierten Machstruktur im deutschen Wirtschaftsmodell sind.

Eine neue Qualität ist allerdings auch in den Beziehungen zu wichtigen Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu beobachten. Hier geht es nicht mehr primär um Entwicklungspolitik, sondern deutsche Unternehmen und Ministerien formulieren ihre Interessen explizit. So widmen sich nun nicht mehr nur das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt der Beziehungspflege zu diesen Kontinenten, sondern auch das Bundesfinanzministerium und insbesondere das neue Großministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) arbeiten an Lösungen zur Diversifizierung der deutschen Abhängigkeiten. So hat das BMWK schnell eine Notiz zur zweiten Rohstoffstrategie von 2020 verfasst, die sich mit der veränderten Lage seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine und den Implikationen für die deutsche Energieversorgung befasst. Bundeskanzler Scholz hat auf seiner Afrikareise im Mai 2022 deutlich gemacht, dass er zu gerne senegalesisches Flüssiggas kaufen würde und im Zuge der jüngsten Reise der Entwicklungsministerin Schulze und des Arbeitsministers Heil wurde eine größere Offenheit gegenüber afrikanischer Arbeitsmigration verlautbart.

Deutsche Unternehmen wie Siemens beginnen aktiv ihre Produktionsstandorte zu diversifizieren. Indonesien, Vietnam, Thailand und andere fast growing economies sind dabei im Fokus als neue Wachstumsmotoren. In Bezug auf China stehen dabei nicht nur die geopolitischen Risiken im Vordergrund, sondern auch die Annahme, dass die Zeiten des sprunghaften Wachstums möglicherweise bald vorbei sein könnten.

Staaten als Eigentümer

Die dritte Arena betrifft die Rolle von Staaten als Unternehmenseigentümer. Obwohl die neoliberale Globalisierung seit Ende der 1980er Jahre vor allem den weltweiten Abbau staatlichen Eigentums durch Privatisierungswellen vorantrieb, gelang es gleichzeitig Ländern wie China oder auch Norwegen, ihre staatseigenen Unternehmen und Firmenanteile entscheidend zu modernisieren. Institutionen wie etwa die chinesische State-owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) bündelten ineffiziente, ministerial koordinierte Industriekonglomerate und reduzierten zunächst den totalen Staatsanteil an der heimischen Wirtschaft. Zugleich wurden die neu geschaffenen Staatsunternehmen zu hocheffizienten, modernen, und mit reichlich Staatskapital ausgestatteten globalen Akteuren.

Länder wie Deutschland haben dabei merklich Schwierigkeiten, ihre relativ offenen Volkswirtschaften mit dem Schutz heimischer Industrien vor „staatskapitalistischen“ Übernahmen auszutarieren. Die Debatte um die Natur von Staatsfonds in der deutschen Politik nach der Weltfinanzkrise 2008 oder die Skepsis gegenüber chinesischen Staatsinvestitionen seit Ende der 2010er Jahre spiegeln die politischen Folgen dieses Aufstiegs wider. Staatskapital ist, zumindest in der Wahrnehmung deutscher Entscheidungsträger:innen, keine neutrale Komponente globaler Wirtschaftskreisläufe.

Die vor kurzem begonnene Geoökonomisierung globaler Wirtschaftspolitik – etwa durch die Einführung von Investitionsprüfungsinstrumenten in der EU oder das Comeback von protektionistischer Industriepolitik in den USA – verschärft diese Skepsis gegenüber Staatskapital nochmals. Die Forschung zur Instrumentalisierung globaler Interdependenzen betont die Wichtigkeit wirtschaftlicher Verflechtung in einer geoökonomischen Welt: Wenn mächtige (Staats-)Akteure entscheidenden Zugriff auf Infrastrukturen und wirtschaftliche Netzwerke wie etwa Zahlungssysteme oder Lieferketten haben, können sie diese zu ihren Gunsten instrumentalisieren. Staatskapital spielt hier eine besondere Rolle: Politische Eliten und Entscheider:innen müssen nicht private Akteure überzeugen oder zwingen, globale Netzwerke in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Die Integration von Staatsunternehmen und Staatsfonds in globale Lieferketten, Schlüsselindustrien wie etwa der Energieversorgung, oder in globale Finanzmärkte während der Phase neoliberaler Globalisierung verleihen diesen Akteuren heutzutage wichtige Machtpositionen in der globalen Ökonomie.

Staatskapital ist, zumindest in der Wahrnehmung deutscher Entscheidungsträger:innen, keine neutrale Komponente globaler Wirtschaftskreisläufe

Die problematisch gewordene deutsch-russische Energieverflechtung illustriert die Geoökonomisierung von Staatskapital besonders gut. Das mehrheitlich russische Staatsunternehmen Gazprom konnte in den letzten drei Jahrzehnten wichtige Energieinfrastrukturen mit Deutschland und Westeuropa aufbauen, etwa die Gaspipeline Nord Stream 1. Zudem integrierten sich Tochterunternehmen von Gazprom (z.B. Wingas in Deutschland) und weitere Investitionen in gemeinsame europäische Projekte (etwa das Nord Stream 2-Konsortium) sukzessive in die europäische und vor allem deutsche Energielandschaft.

Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat sich auch hierzulande das Verständnis dieser Prozesse über „normales“ Wirtschaftsgebaren hinaus durchgesetzt. Gazprom und Co. wurden im Zuge des Überfalls auf die Ukraine außenpolitisch instrumentalisiert, und die deutsche Wirtschaft und Politik hat merkliche Probleme, diesen strategischen Vorteil auszuhebeln. Weniger verstanden ist jedoch, dass die Instrumentalisierung staatseigener russischer Firmen keine Ad-hoc-Entscheidung Putins war, sondern ihr ein längerer Prozess globaler Integration russischen Staatskapitals vorausgegangen ist. Die Rolle neoliberaler Globalisierung und Verflechtung als Grundlage heutiger geoökonomischer Prozesse sollte, insbesondere aus deutscher und europäischer Sicht, viel besser verstanden werden – auch, um strategische Entscheidungen in einer geoökonomischen Realität abwägender treffen zu können.

Natürlich kann Staatskapital in der neuen geoökonomischen Welt auch ganz anders agieren, wie beispielsweise die Macht des norwegischen Staatsfonds bei seinen Disinvestitionsankündigungen im Gas- und Ölsektor zeigt. Beides ist jedoch nur auf der Grundlage einer global verflochtenen Weltwirtschaft möglich, die durch die neoliberale Globalisierung erst geschaffen wurde. Das global integrierte Staatskapital von Ländern wie China, Norwegen, oder vieler Golfstaaten wird in einer geoökonomischen Ordnung dazu beitragen, die Diskussionen um die Verschmelzung von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik zu intensivieren.

Zusammenfassung

Die aktuelle geoökonomische Debatte würde davon profitieren, nicht zu sehr auf ein unterkomplexes Verständnis harmonischer „nationaler Interessen“ und des Staates als einheitlichem Akteur abzustellen, sondern interne Heterogenität und Kräfteverhältnisse stärker zu berücksichtigen. Anhand dreier politökonomischer Arenen – Neuausrichtung außenwirtschaftspolitischer Strategien, Wirtschaftsdiplomatie und Staaten als Eigentümer – haben wir vor allem auf die Bedeutung sektoraler Interessen und Unternehmensmacht in diesem Zusammenhang verwiesen. Die spezifischen Formen der Verflechtung von Staaten und Unternehmen (unterschiedlicher Sektoren), die daraus resultierenden Koordinationsmechanismen und Interessenskonflikte sowie zuletzt die Rückwirkungen auf die Form transnationaler Wirtschaftsintegration sollten dabei im Mittelpunkt stehen. Nur dann werden wir zu einem besseren Verständnis der Spaltungslinien und politischen Bearbeitung der neuen geoökonomischen Ordnung gelangen.

 

Zu den Autoren:

Milan Babic ist Assistant Professor in Global Political Economy am Institut für Sozial-und Wirtschaftswissenschaften der Universität Roskilde. Auf Twitter: @mbabic_1

Julian Germann ist Senior Lecturer in International Relations, School of Global Studies, an der Universität Sussex. Auf Twitter: @Julian_Germann.

Kai Koddenbrock ist Nachwuchsgruppenleiter an der Universität Bayreuth und ab August 2023 Professor für Politische Ökonomie am Bard College Berlin. Auf Twitter: @KaiKodden

Daniel Mertens ist Professor für Internationale Politische Ökonomie am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück. Auf Twitter: @DanMertens