Leitfaden

Twitter ist auch für ÖkonomInnen da

Für deutsche Ohren klingt das immer noch seltsam: 140-Zeichen-Sätze sollen eine sinnvolle Diskussion ergeben können? Und doch ist es faszinierend, wie wertvoll Gespräche auf Twitter sein können – auch und gerade für ÖkonomInnen. Ein 10-Punkte-Leitfaden von Christian Odendahl.

Donald Trump ist kein Grund, sich ein Twitterkonto einzurichten. Das nur vorweg. Man sollte sich beteiligen, weil Twitter auch ohne US-Präsidenten ein zentraler Debattenraum der Welt geworden ist. Das klingt in deutschen Ohren immer noch seltsam: wie sollen 140-Zeichen-Sätze eine sinnvolle Diskussion ergeben? Und doch ist es faszinierend, wie selbstverständlich Gespräche auf Twitter zu neuen Erkenntnissen (oder zumindest neuen Fragen), und Hinweisen auf spannende Analysen und lesenswerte Texte führen. Auch und gerade für ÖkonomInnen.

Da ich nun, sehr zu meiner eigenen Belustigung, auf Platz 31 der „einflussreichsten ÖkonomInnen der Welt“ gelandet bin (es ist ein reines Social Media Ranking, und es wird meine Doktorväter sicher mit unglaublichem Stolz erfüllen, dass ich nun Twitterökonom geworden bin), gibt es hier nun meine Tipps, wie man Twitter für sich als ÖkonomIn nutzen kann. Denn eine häufige Reaktion auf meine gelegentlichen Twittergeschichten ist, dass man ja unbedingt Twitter selbst mal lernen müsse. Und in der Tat, es braucht etwas Zeit, bis es Klick macht. Aber wirklich schwer ist es eigentlich nicht.

10 Tipps für ökonomische Twitter-Neulinge

1

Twitterkonto einrichten, unter echtem Namen. Natürlich ist auch anonym denkbar und möglich, allerdings ist es schwieriger, damit auf Twitter Fuß zu fassen. Foto und Kurzbiographie auf dem Profil nicht zu formal halten, Bewerbungs- und Passbilder sind ungeeignet (allerdings weit verbreitet). Auf dem Bild sollte man aber trotzdem zu erkennen sein. Den Dr. im Namen bitte weglassen.

2

Leuten folgen. Es klingt selbstverständlich, und doch muss man es anscheinend sagen. Denn es gibt bekannte deutsche Ökonomen, die folgen bis heute niemandem. Anderen zu folgen ist der wichtigste Schritt, und gleichzeitig für Neulinge der schwierigste. Den “Stars” der ÖkonomInnenszene zu folgen (Krugman, Wolfers, Rodrik etc.) ist sicher richtig, allerdings sekundär. Denn mit den Stars zu interagieren wird schwierig. Besser ist es, ÖkonomInnen oder WirtschaftsjournalistInnen zu finden, die man schätzt und die weniger Follower als die Stars haben. Die sind für Gespräche und Diskussionen auf Twitter zugänglicher. Ich habe eine Liste der “ersten 500” zusammengestellt, denen ÖkonomInnen folgen sollten (mit ein paar nicht-ökonomischen Einsprenklern). Nein, 500 Leuten zu folgen ist nicht zu viel.

3

Institutionen und Publikationen folgen. Leider ist die Qualität hier sehr unterschiedlich. Manche Institutionen und Publikationen haben Twitter verstanden, andere betreiben es als “ach so, Twitter müssen wir ja auch machen”-Kanal. In den 500 sind ein paar Institutionen und Publikationen dabei, allerdings nicht viele.

4

Keinen PolitikerInnen folgen. PolitikerInnen haben auf Twitter größtenteils nichts beizutragen. Entweder sie tweeten ihre Befindlichkeiten, oder ihre PR-Teams schreiben die Tweets, beides ist sehr langweilig. Sollte es doch mal interessante und sehenswerte Tweets von PolitikerInnen geben, werden JournalistInnen sie ohnehin verbreiten.

5

Das Retweeten erst mal sein lassen. Viele sind am Anfang zu schüchtern und retweeten größtenteils anderleuts Äußerungen. Daran erkennt man recht zielsicher einen Anfängeraccount. Nett gemeint, ist aber nicht hilfreich. Denn wenn man möchte, dass andere einem folgen, muss man sich als Teil ihrer Timeline verstehen, als Teil eines Teams, sozusagen, wo jeder zu einem interessanten Gesamterlebnis für den Follower beiträgt. Das Retweeten von Leuten mit mehr als 10.000 Followern macht daher überhaupt keinen Sinn, denn die eigenen Follower folgen diesen bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit. Retweeten sollte man nur, wenn man eigene Gedanken hinzufügt, die für die Follower einen Mehrwert darstellen (man also den Tweet “zitiert”), oder jemanden retweetet, der selbst nicht viele Follower ( < 1.000) hat, und dessen Tweet man bemerkenswert fand.

6

Mitdiskutieren. Twitter funktioniert weder als passives Konsummedium noch als Sendungsantenne sonderlich gut. Twitter lebt von der Interaktion, der Diskussion. Daher ist es ein guter Anfang, wenn man sich zunächst hauptsächlich an Diskussionen beteiligt. Allerdings sollte man auch ein paar Tweets außerhalb von Diskussionen aussenden, denn potentielle Follower schauen schon, was der- oder diejenige denn sonst so twittert.

7

Minianalysen twittern. Daten und Graphen funktionieren auf Twitter sehr gut. Es ist natürlich etwas Arbeit, Daten und Zahlen aufzubereiten, allerdings können solche Minianalysen auf Twitter schnell Karriere machen. Es lohnt sich, etwas Arbeit zu investieren. Tweets über Frühstück, Hobbies und Reisen sollte man völlig sein lassen, denn die meisten Follower interessieren sich dafür überhaupt nicht.

8

Du oder Sie? Das ist jedem selbst überlassen, das eine Wort hat nur einen Buchstaben mehr als das andere, es macht also kaum einen Unterschied.

9

Lesbarkeit macht aber sehr wohl einen Unterschied. Denn viele scannen ihre Timeline mehr als dass sie alle Tweets lesen. Unlesbarkeit heißt man wird übersehen. Nach Satzzeichen kommt auch bei Twitter eine Leertaste, und einfach d Vkle wglssn sieht aus, als wäre die Katze über die Tastatur gelaufen. Lieber ein paar Sekunden investieren und überlegen, ob man das nicht sauber kürzer formulieren kann. Ein paar gängige (englische) Abkürzungen wie ICYMI (in case you missed it), IMHO (in my humble opinion), IIRC (if I remember correctly) sollte man kennen. Gut abkürzen lassen sich auch Länder (DEU oder GER, ITA etc.).

10

Englisch oder Deutsch? Da Twitter mittlerweile ein Übersetzungstool hat, kann man ruhig zweisprachig twittern, und muss nicht für jede Sprache ein eigenes Konto anlegen. Allerdings ist Twitter im englischsprachigen Raum sehr viel erfolgreicher, und alle deutschen Ökonomen können Englisch. When in doubt, tweet in English.

PS: Über Hinweise auf deutsche Ökonomen auf Twitter freue ich mich. Natürlich gerne auch via Twitter.

 

Zum Autor:

Christian Odendahl ist Chef-Volkswirt des Centre for European Reform (CER).