Dass diese beiden Namen in der Überschrift nebeneinanderstehen, wird einige Leser vielleicht überrascht haben. Was haben ein Sozialdemokrat, der den Kommunismus reformieren wollte, und ein rechtspopulistischer, milliardenschwerer Magnat gemeinsam? Wenn wir uns auf ihre Ideologien und Biografien (insofern sie von Belang sind) konzentrieren, lautet die Antwort: nichts – und nicht nur „fast nichts“, sondern wirklich „gar nichts“!
Aber wenn wir die Dinge aus einer strukturellen Perspektive betrachten, gibt es doch unübersehbarer Ähnlichkeiten.
Gorbatschow kam 1985 an die Macht und wollte den Sowjet-Kommunismus dahingehend reformieren, dass er ökonomisch effizienter würde und höhere Einkommen für die Bevölkerung generieren sollte. Er stand an der Spitze eines hierarchischen Systems: International waren die Länder des sozialistischen Lagers so organisiert, dass die UDSSR der Kopf war. Die UDSSR wiederum wurde von der Kommunistischen Partei geführt. Und die Kommunistische Partei wurde von ihrem Generalsekretär geführt.
Was auch immer der Generalsekretär also entschied, machte die UDSSR, und was auch immer die UDSSR wollte, musste von ihren „Alliierten“ oder Satellitenstaaten hingenommen oder imitiert werden. Ein in den 50er Jahren in der UDSSR stationierter jugoslawischer Botschafter sagte einmal, dass „wir uns alle Wintermäntel anziehen“ müssten, wenn es in Moskau kälter würde; und wenn es wärmer wird, wie während Chruschtschows Tauwetter-Periode, „würden wir alle kurzärmelige Hemden tragen“.
Als Gorbatschow an die Macht kam und anfing, den im Kreml vorherrschenden Ton massiv zu verändern, waren die sowjetischen und osteuropäischen kommunistischen Eliten vollkommen verblüfft und paralysiert. Die Reform des ökonomischen und politischen Systems und die Erlaubnis für die Staaten des Warschauer Pakts, ihren eigenen Weg zu gehen, waren für die Eliten hochproblematisch und standen ihrer Macht und der ideologischen Legitimation ihrer Herrschaft diametral entgegen.
Aber die Eliten konnten sich nicht vorstellen, den Generalsekretär direkt zu attackieren, weil dieser – ähnlich wie der Papst – als unfehlbar betrachtet wurde. Im Zwiespalt zwischen einer offensichtlichen Unterminierung ihrer Herrschaft und der Unfähigkeit, eine Verteidigung aufzubauen, warteten sie hilf- und tatenlos auf das Ergebnis. Inzwischen wissen wir, dass dieses Ergebnis aus der Auflösung der Sowjetunion, sowie dem Ende der kommunistischen Regime in Osteuropa und des Kommunismus als gesellschaftliche Organisationsform bestand.
Die kapitalistische Welt des Westens war 1945 in einer ähnlichen hierarchischen Weise organisiert worden. Alle Länder waren „gleich“ – aber eines war noch etwas „gleicher“. Und Tatsache ist, dass Europa und Japan heute nicht so aussehen würden wie sie es tun, wenn die USA in diese Regionen nicht so viel Geld und Mühe hätten.
An der Spitze des etwas „gleicheren“ Landes sitzt der Präsident. Natürlich hatten alle US-Präsidenten ihre Eigenheiten (Carter war nicht Nixon), aber dennoch gab es einige Grundregeln, die sie alle berücksichtigten: die enge militärische und politische Union kulturell ähnlicher, von den USA angeführten Demokratien stand nie zur Debatte. Die westlichen Eliten, inklusive der in den USA, mögen einen Präsidenten mehr als den anderen gemocht haben (die europäische Schwärmerei für Barack Obama war wirklich außergewöhnlich), aber sie waren sich immer sicher, dass die Grundarchitektur des von den USA geschaffenen internationalen Systems auch von den USA verteidigt werden würde.
Im Käfig mit Tiger Trump
Jetzt wo Trump den Modus Operandi auf die gleiche Weise in Frage stellt, wie Gorbatschow die Notwendigkeit des Warschauer Pakts anzweifelte, ist diese Sicherheit verschwunden (oder es scheint zumindest so). Die EU ist für Trump genauso wenig sakrosankt wie die WTO oder die gesamte internationale Architektur, die die USA seit 1945 aufgebaut haben.
Genau wie die kommunistische Eliten vor rund 30 Jahren wissen jetzt die Eliten im Westen nicht mehr weiter. Die aus Washington kommende Rhetorik nachzuäffen oder sie zu akzeptieren geht gegen ihre Überzeugungen, die sie während der letzten 70 Jahre aufgebaut und verteidigt haben.
Allerdings ist es für sie keine Option, gegen Washington Stellung zu beziehen, genauso wie die kommunistischen Eliten damals nicht in Opposition gegen den Generalsekretär gegangen sind. Denn keine europäische Macht – oder eine Kombination von ihnen – ist in der Lage, ein vergleichbares System zu errichten. Die westlichen Eliten behandeln Trump wie sie einen Tiger behandeln würden, mit dem sie unfreiwillig in einen Käfig gesteckt wurden: Sie versuchen, freundlich zu dem Tiger zu sein, und hoffen, nicht von ihm gefressen zu werden und dass er bald den Käfig verlässt.
Wird Trump einen ähnlich verheerenden Effekt auf die Demokratien haben, wie Gorbatschow auf den Kommunismus hatte? Ich bezweifele es, weil die demokratischen Gesellschaften des Westens widerstandsfähiger und organischer sind. Um Nassim Talebs Terminologie zu benutzen: Sie sind vielleicht nicht „anti-fragil“ und gedeihen nicht im Chaos – aber sie sind doch zumindest robust. Die hierarchischen kommunistischen Gesellschaften waren dagegen extrem zerbrechlich. In den westlichen Gesellschaften sind technokratische Eliten an der Macht, aber diese Eliten müssen wiedergewählt werden und unterliegen demokratischer Kontrolle.
Außerdem ist der Kapitalismus – anders als der Kommunismus – ökonomisch erfolgreich. Es gibt in Frankreich nur sehr wenige Menschen, die gerne so regiert werden würden, wie die Menschen heute in China regiert werden – aber es gab in Polen Millionen von Menschen, die gerne wie die Menschen in Frankreich regiert worden wären.
Ich denke nicht, dass Trump einige jener essentiellen Strukturen zerstören wird, die das westliche System nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat. Aber er könnte mit seiner derben, chaotischen und unvorhersehbaren Regierungsführung die herrschenden Eliten des Westens erschrecken, Revisionisten ermutigen und jene Welt verändern, die die Konferenzen von Jalta und Potsdam geschaffen haben.
Viele Menschen (inklusive mir selbst) fanden es bedauerlich, dass die Clinton-Administration darin versagt hat, das Momentum am Ende des Kalten Krieges zu nutzen, um eine internationalere Weltordnung zu schaffen. Diese hätte auf den Prinzipien des Rechts basieren können, wäre nicht in zwei Teile gespalten oder sogar in Gut und Böse aufgeteilt. Sie hätte Russland einbeziehen und nicht draußen in der Kälte stehen lassen können.
Trump wird wahrscheinlich keine neue Struktur schaffen, aber er kann Teile der alten zerbrechen. Falls er das tut, könnte er eine Post-Kalter-Kriegs-Ära einleiten und das Buch von 1945 zuklappen. Aber wir sollten auch bedenken, dass der Kalte Krieg immerhin ein gutes Feature hatte: er war kalt.
Zum Autor:
Branko Milanovic ist Professor an der City University of New York und gilt als einer der weltweit renommiertesten Forscher auf dem Gebiet der Einkommensverteilung. Milanovic war lange Zeit leitender Ökonom in der Forschungsabteilung der Weltbank. Er ist Autor zahlreicher Bücher und von mehr als 40 Studien zum Thema Ungleichheit und Armut. Außerdem betreibt er den Blog Global Inequality, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist.