Panama Papers

Sollte die Erhebung von Steuern privatisiert werden?

Die Idee, die öffentliche Steuerverwaltung zu privatisieren, hat durch die Panama Papers wieder an Befürwortern gewonnen. Eine outgesourcte Steuererhebung könnte die Effizienz verbessern und die „Steuer-Lücke“ verkleinern, so die Überlegung. Allerdings birgt ein solcher Schritt auch erhebliche Risiken.

Werbekampagne der britischen Steuerverwaltung: Die Optimierung bestehender Steuern steht bei vielen Regierungen ganz oben auf der politischen Agenda. Foto: HM Revenue & Customs via Flickr (CC BY 2.0)

Die Veröffentlichungen im Zuge der Panama Papers sind noch lange nicht zu Ende, aber es gibt schon ein paar eindeutige Wahrheiten, die wir mitnehmen können. Menschen oder Unternehmen, die ihre Steuern nicht zahlen – ob nun bewusst oder aus Ignoranz – untergraben die Staatseinnahmen. Außerdem verzerren sie den Wettbewerb, indem sie aus nicht regelkonformen Verhalten einen Vorteil ziehen, und sie vergrößern die Ungleichheit, weil die besser Gestellten diejenigen sind, die häufiger dazu neigen, sich ihrer Pflichten zu entziehen.

Wenn sich Regierungen danach umschauen, wie sie leicht Einsparungen vornehmen oder ihre Einnahmen erhöhen können, scheuen sie sich oft davor, die Steuern zu erhöhen – aber es gibt einen guten ökonomischen Grund dafür, die Erhebung der bereits bestehenden Steuern zu verbessern. Die von den europäischen Regierungschefs seit dem Leak der lateinamerikanischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca verabschiedeten Maßnahmen betonen sowohl die Wichtigkeit von Kooperationen, als auch den potenziellen Wert innovativer Vorgehensweisen.

Die Steuer-Lücke

Die letzten Wochen haben die Bemühungen von Politikern, die Steuerehrlichkeit zu verbessern, wiederentfacht. In vielen Ländern ist dies zu einem zentralen politischen Anliegen geworden. Während die staatlichen Behörden schon früher und auch jetzt noch Probleme damit haben, Zugriff zu bekommen, ist die Idee umstritten, das Erhebungssystem zu privatisieren.

Je schwächer und ineffizienter die Steuerverwaltung eines Landes, desto größer ist in der Regel die „Steuer-Lücke“

Genau wie andere Regierungsbehörden sieht sich auch die Steuerverwaltung in vielen Ländern mit Forderungen konfrontiert, effizienter und glaubwürdiger zu werden. Ein großer Teil dieser Forderungen wird durch die Existenz der „Steuer-Lücke“ getrieben – den Unterschied zwischen den tatsächlich erhobenen Steuern und dem Potenzial, was erhoben werden könnte, wenn wir alle so viel zahlen würden, wie wir müssten. Je schwächer und ineffizienter die Steuerverwaltung eines Landes, desto größer ist in der Regel die „Steuer-Lücke“.

Der Umfang der Offshore-Steuervermeidung und -Flucht ist schwer zu kalkulieren, aber in jedem sind die Zahlen erheblich. Für Großbritannien hat die die britische Steuerbehörde HMRC die „Steuer-Lücke“ für das Finanzjahr 2013/14 auf 34 Milliarden Pfund geschätzt, was in etwa 6,4% aller Steuerverbindlichkeiten entspricht. Allein bei der Selbstbeschäftigungssteuer lag die Lücke für die Jahre 2010 bis 2012 bei 19,3%.

In Ländern mit weniger effizienten Steuerverwaltungen ist die Steuer-Lücke sicherlich noch größer. In Südafrika wird sie auf 15 bis 30% der Steuereinnahmen geschätzt. Wenn das Ausmaß der Korruption ein guter Maßstab für die Steuer-Lücke ist, wäre das Bild in der afrikanischen Sub-Sahara-Region sicher noch verdrießlicher.

Es ist leicht zu erkennen, warum die Reform der Steuerverwaltung ein zentraler Bestandteil der politischen Agenda ist. Seit der Finanzkrise haben die Staaten Schwierigkeiten, ihre öffentlichen Haushaltsdefizite anzugehen, die Stabilität wiederherzustellen und die hohen administrativen Kosten in Angriff zu nehmen. Der Fokus der Regierungsbehörden lag auf der Modernisierung ihrer Abteilungen zur Einnahmenerhebung und deren Unabhängigkeit von anderen staatlichen Stellen.

Das Geschäftsszenario

Dies steht eindeutig im Einklang mit einem stärkeren unternehmerischen Ansatz. Es geht darum, die Funktionsfähigkeit der Steuererhebung durch ein flexibleres Management von Budget und Humankapital zu gewährleisten. Daher erhalten die Steuerbeamten klar identifizierte Ziele (inklusive der zweckmäßigen Ausgestaltung von Steuervollzugsmethoden), Leistungsstandards (angemessen unterstützt durch die benötigten Ressourcen) und Anreizmechanismen (inklusive Ergebniszuschlägen).

Das Argument lautet, dass Steuerverwaltungen, die sehr unabhängig von der Regierung arbeiten, ihre Performance verbessern werden. Außerdem soll die Rechenschaftspflicht und Transparenz erhalten bleiben. Aber warum dann nicht den ganzen Weg gehen? Wenn eine Einnahmenverwaltung ineffizient ist, könnte ihre Effizienz vielleicht verbessert werden, wenn einige oder alle ihrer Aktivitäten in den Privatsektor outgesourcet und von der Regierung überprüft werden.

Ist eine outgesourcte Steuererhebung eine effizientere soziale Institution als eine von der Regierung betriebene Steuerverwaltung? Die jüngsten Beispiele von Outsourcing-Vereinbarungen über eine ganze Reihe von Aufgaben legen nahe, dass das Interesse an diesem Konzept wieder stärker geworden ist. Kein Zweifel, es ist in gewisser Weise attraktiv, administrativ ineffizienten Regierungen zu erlauben, die Kosten der Erhebung zu minimieren und dadurch dringend benötigte Einsparungen zu ermöglichen, die – zumindest prinzipiell – an die Konsumenten weitergereicht werden könnten.

Unterschiedliche Länder gliedern unterschiedlichen Ausgaben aus, aber einige gemeinsame Kategorien stechen heraus: In Australien, Neuseeland und Großbritannien wurde die Bereitstellung der Steuer-IT-Infrastruktur außer Haus gegeben; in Argentinien, Australien, Neuseeland, Griechenland, Schweden und den USA hat die Erhebung und Verarbeitung von Steuerzahlungen durch Banken und Postfilialen stattgefunden. Weniger üblich ist die Ausgliederung von Datenverarbeitungsprozessen (in Brasilien, Dänemark, Irland und Mexiko) und der Durchsetzung von Steuerschulden (in Australien, Irland, Italien, Singapur und Großbritannien).

Die Marktstände

Es gibt einen guten Grund dafür, dass einige Gebiete gegenüber anderen von einem ökonomischen Standpunkt aus bevorzugt werden. Die Effizienz von Märkten hängt von der freiwilligen Teilnahme der Parteien (also von Käufern und Verkäufern) an einer Transaktion ab, aber bei der Steuererhebung, wie vielleicht Al Capone bezeugen würde, ist das nicht immer der Fall. Tatsächlich legt die Existenz von Vermeidungspraktiken etwas anderes nahe: Steuertransaktionen sind verpflichtend, werden nicht belohnt und nicht zurückgezahlt – sie sind eben nicht freiwillig. Ebenfalls wichtig ist, dass der Prozess der Steuererhebung die Berücksichtigung der Rechte eines Steuerzahlers und dessen Schutz erfordert, insbesondere vor übereifrigen Steuereintreibern.

Dafür ist eine Überprüfung nötig, eine Aufgabe, die nur der Staat leisten kann – und die beträchtliche Mittel erfordert. Zudem könnten auch Interessenkonflikte entstehen, da private Agenten für die Erhebung Zugang zu vertraulichen und sensiblen Informationen bräuchten, die auch genutzt werden könnten, um einen unlauteren Vorteil zu erhalten. Es ist daher schwer zu argumentieren, dass man sich auf den Markt verlassen kann, um eine effizienteres Ergebnis bei der Steuererhebung zu generieren.

Der Spielraum für Privatisierungen bei den Kernfunktionen der Steuerverwaltung ist begrenzt

Können wir uns also auf die Ausgliederung zur Verbesserung der Effizienz stützen, und gleichzeitig die Fairness bei der Steuererhebung aufrechterhalten? Obwohl das Outsourcen attraktiv erscheint, ist der Spielraum für Privatisierungen bei den Kernfunktionen der Steuerverwaltung begrenzt. Die Ausgliederung zweitrangige Aufgaben oder sehr geringer Erhebungen von niedrigen Steuerschulden scheinen allerdings möglich. In einigen Ländern wurden bereits einige erste Schritte in diese Richtung gegangen.

So wurde beispielsweise 2006 in Australien erprobt, die Eintreibung von Schulden auf externe Schuldenagenturen zu übertragen, und ein Jahr später auch eingeführt. Die ersten Ergebnisse erscheinen einigermaßen vielversprechend. Sie deuten darauf hin, dass es tatsächlich einigen Raum für die Effizienzverbesserung durch die Ausgliederung gewisser Aspekte des Steuersystems gibt, aber es wäre schon eine kühne, und möglicherweise idiotische, Regierung, die die bestehenden Markthindernisse ignorieren würde, da eine pauschale Privatisierung voller Gefahren und Widersprüche ist.

 

Zum Autor:

Christos Kotsogiannis ist Wirtschaftsprofessor an der University of Exeter und Research Fellow am ifo-Institut.

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Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation auf englisch veröffentlicht und von der Makronom-Redaktion unter Zustimmung von The Conversation ins Deutsche übersetzt.The Conversation