Datenanalyse

So stark sind Staatsschulden überbewertet

Eine neue Datenreihe der Bank für Internationalen Zahlungsgleich bietet die Möglichkeit, den Nominalwert von staatlichen Verbindlichkeiten mit deren Marktbewertung abzugleichen. Dabei bieten sich jede Menge spannende Erkenntnisse.

Schöne Blasen. Foto: Pixabay (CC0 Public Domain)

In ihrem vorletzten Quartalsbericht (September 2015) hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die Veröffentlichung einer hochspannenden neuen Statistikreihe bekanntgegeben: Ab sofort kann die Verschuldung von Ländern nicht nur in nominalen Werten betrachtet werden, sondern auch zu Marktpreisen.

Zum Verständnis: Wenn ein Staat neue Kredite aufnehmen will, tut er dies in der Regel über die Begebung einer Staatsanleihe am Primärmarkt. Diese Anleihe wird ausgewählten Finanzinstituten auf einer Auktion angeboten. Auf dieser Auktion wird der Zins, den der Staat für diesen Kredit zahlen muss ermittelt. Der Käufer mit dem für den Staat besten Zins erhält die Anleihe. Der Staat erhält den Kredit, der Käufer im Gegenzug die Anleihe. Jetzt hat die Anleihe einen Nominalwert: Dieser errechnet sich aus der Höhe des Kredits, der am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden muss, plus die Zinsen („Kupon“), die jedes Jahr für die Anleihe fällig werden.

Der besondere Reiz von Anleihen gegenüber „normalen“ Krediten ist, dass Anleihen auf dem Sekundärmarkt weiterverkauft werden können. Die Primärmarkt-Käufer bieten ihre Papiere anderen Marktteilnehmern an. Je nach Nachfrage steigt oder fällt der Kurs der Anleihe.

Daraus ergibt sich die aktuelle Marktbewertung: Die Anleihe kann jetzt deutlich mehr oder weniger wert sein als ihr Nominalwert, einfach deswegen, weil ihr auf den Finanzmärkten ein anderer Wert zugewiesen wird. Hier zwei Beispiele, die zeigen, wie weit Nominal- und Marktwert auseinanderlaufen können:

BIZ_Nominal_Marktwerte_Staatsschulden_Griechenland_Deutschland
Quelle: BIZ.

Die Charts zeigen die Entwicklung des Nominal- und des Marktwertes für Griechenland und Deutschland. Bis zum Beginn der Eurokrise 2010 verlaufen die Kurven für beide Länder in etwa deckungsgleich. Danach ändert sich das Bild schlagartig.

Aus Angst vor einem Staatsbankrott Griechenlands stoßen Anleger massenhaft griechische Anleihen ab – der Marktwert sinkt deutlich unter den Nominalwert. Das Gegenteil passiert in Deutschland: Aus Angst vor einem Kollaps der Eurozone suchen Anleger einen sicheren Hafen für ihr Geld – und finden ihn in deutschen Staatsanleihen. Der Marktwert steigt deutlich über den Nominalwert.

Das Beispiel zeigt nur einige der möglichen Erkenntnisse, die sich aus der neuen BIZ-Reihe ableiten lassen. Diese sind:

  • Eine Unterbewertung gemessen am Marktwert zeigt die Sorge der Finanzmärkte vor einem Zahlungsausfall
  • Eine starke Überbewertung zeigt die Funktion eines Landes als „sicherer Hafen“ an

Über- und Unterbewertungen sind also in gewisser Form auch ein Indikator für mögliche Finanzmarktblasen. Die Kurse von Anleihen mit einer starken Überbewertung werden irgendwann kräftig fallen müssen – schließlich erhalten Anleihenbesitzer nur den Nominal- und nicht den Marktwert der Anleihe zurück. Das Prinzip gilt andersherum für Anleihen mit einer Unterbewertung: Diese werden irgendwann steigen, wenn der Zahlungstermin näher rückt.

Die folgende Übersicht zeigt, zu wie viel Prozent die Marktbewertung derzeit über dem Nominalwert der Staatsschulden liegt. Zum Vergleich haben wir auch noch den Stand des 2. Quartals 2007 hinzugefügt (rote Balken).

BIZ_Nominal_Marktwerte_Staatsschulden
Daten: BIZ, Berechnungen: Makronom.

Die Marktbewertung der Staatsverschuldung nahezu aller großen Volkswirtschaften liegt also deutlich über ihrem Nominalwert. Das ist eine außergewöhnliche Situation, die es so vor der Finanzkrise nicht gab. Insbesondere die Eurostaaten weisen eine sehr starke Überbewertung auf.