Handelskrieg

So könnte die EU ihre Position gegenüber Trump verbessern

Trotz der Reisen von Friedrich Merz und vieler hochrangiger EU-Offizieller nach Washington zeichnet sich keine Lösung im Handelskonflikt mit den USA ab. Doch es gibt verschiedene Strategien, mit denen Europa seine ökonomische Stärke, Umweltstandards und globale Partnerschaften verteidigen kann – ohne sich den USA zu unterwerfen.

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Die EU steht handelspolitisch vor schwierigen Entscheidungen. Hohe Zölle und wiederholte Drohungen durch ihren wichtigsten Handelspartner, die USA, werden erhebliche ökonomische Verwerfungen nach sich ziehen. Trotz der Reisen von Friedrich Merz und vieler hochrangiger EU-Offizieller nach Washington zeichnet sich keine Lösung ab. Wie sollte sich die EU jetzt verhalten? Wir haben fünf Schritte skizziert, die aus unserer Sicht jetzt wichtig sind.

1.

Eskalation vermeiden: Auch wenn die Zölle der USA nicht unbeantwortet bleiben können – alleine, um durch Gegenmaßnahmen Verhandlungsmasse zu gewinnen – sollte die EU zunächst versuchen, eine Eskalation des Handelskonflikts zu vermeiden. Denn mit ihrem deutlichen Überschuss im Warenhandel hat sie die schlechteren Karten, sollte es zu einer Aufwärtsspirale bei den Zöllen kommen. Der erste Schritt heißt also: Ruhe bewahren und eine Eskalation vermeiden. Doch was sollte die EU stattdessen tun?

2.

Auf progressive Gegenmaßnahmen setzen: Die Zölle 1:1 zu kontern, würde auch den eigenen Verbraucher*innen und europäischen Unternehmen schaden. Stattdessen ist es sinnvoll, Zölle nur zu einem gewissen Grad und gezielt für Produkte von politisch einflussreichen Herstellern einzuführen. Diese könnten dann in Verhandlungen wieder zurückgenommen werden. Grundsätzlich sollte die EU jedoch Gegenmaßnahmen in Betracht ziehen, durch die sie andere wichtige Politikziele erreichen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Besteuerung von Unternehmen, die ihre Steuerlast durch Buchhaltungstricks und Steueroasen minimieren. Vor allem die großen Digitalkonzerne wie Amazon, Google und Meta haben massiv von laschen Steuerregeln und Schlupflöchern profitiert. Obwohl die EU zu ihren wichtigsten Absatzmärkten gehört, zahlen sie dort nur sehr geringe Steuern.

Um diesen Missstand zu beheben, wurde in Verhandlungen bei der OECD ein Mindestbesteuerungsabkommen ausgehandelt, das die Trump-Regierung jedoch bereits wieder verlassen hat. Während die EU einen Teil der globalen Vereinbarungen zur Mindestbesteuerung bereits umsetzt, liegt ein weiterer Teil, der insbesondere die großen Digitalkonzerne betreffen würde, auf Eis. Eine EU-weite und einheitliche digitale Dienstleistungssteuer würde für mehr Gerechtigkeit sorgen. Sie würde fairere Wettbewerbsbedingungen zwischen Digitalkonzernen und der übrigen Wirtschaft schaffen und dringend benötigte Einnahmen generieren. Ein solches Vorgehen würde die negativen Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft minimieren, den Aufbau einer eigenen digitalen Infrastruktur in Europa erleichtern und langfristig zu einer gerechteren Verteilung der Steuerlast beitragen.

3.

Stark bleiben bei europäischen Schutzstandards: Die EU darf sich nicht durch Drohungen aus den USA zur Rücknahme von Nachhaltigkeitsregeln und europäischen Standards drängen lassen. Viele wichtige Vorhaben der EU, wie das Lieferkettengesetz, die Entwaldungsverordnung, die EU-Methanverordnung und der Kohlenstoffgrenzausgleich (CBAM), würde die US-Regierung gerne ersatzlos streichen.

Hier einzuknicken, würde nicht nur die regulatorische Souveränität der EU bedrohen. Europäische Unternehmen, die bereits Investitionen tätigen, um Nachhaltigkeitsvorgaben zu erreichen, brauchen gerade in diesen volatilen Zeiten die Sicherheit, dass sich bereits beschlossene Regeln nicht wieder kurzfristig ändern. Die EU hat die technologische Führung in vielen umweltfreundlichen Sektoren bereits an China verloren. Sie kann es sich nicht leisten, weitere Unsicherheit zu schaffen, indem sie auf Druck der USA an ihren Umweltvorschriften rüttelt.

Zugeständnisse gegenüber den USA dürften zudem nur neue Forderungen nach sich ziehen, denn die Liste der US-Beschwerden ist potenziell endlos und basiert teilweise auf haltlosen Behauptungen wie z.B. dem Vorwurf, die Mehrwertsteuer in den EU-Mitgliedsstaaten würde US-Unternehmen benachteiligen. Zudem trifft der amerikanische Angriff auf EU-Regeln viele sensible Bereiche wie Lebensmittelstandards und den Datenschutz. Der Versuch, diese in Handelsverhandlungen abzuschwächen, hat bereits in der Vergangenheit Millionen Menschen gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP auf die Straße gebracht. Ein Nachgeben der EU würde ihre eigene Legitimität in den Augen vieler Europäer*innen untergraben.

4.

Der attraktivere Partner sein: Wesentlich härter als die EU werden viele Länder des Globalen Südens getroffen, falls die „reziproken” US-Zölle, die Trump für 90 Tage pausiert hat, in Kraft treten. Denn diese Länder hängen oft stärker vom US-Absatzmarkt ab und können ökonomische Verwerfungen deutlich schlechter auffangen. Insbesondere in Südostasien würden Länder wie Kambodscha, Vietnam oder Thailand massiv unter den Zöllen leiden. Die EU wird nicht in der Lage sein, die zurückgehende Nachfrage der USA zu ersetzen. Zudem haben viele der ärmsten Länder, die besonders stark von hohen US-Zöllen betroffen wären, wie etwa Lesotho und Kambodscha, bereits zollfreien Zugang zum europäischen Markt.

Trotzdem könnte die EU die derzeitige Situation nutzen und ein Gegenmodell zu den brachial auf Eigeninteressen agierenden USA entwickeln – eines das die EntwickIungsinteressen der Partnerländer ernst nimmt. Damit könnte sie neue Allianzen bilden, die Europa in einer Welt stärken, in der der wichtigste Verbündete, die USA, sich immer antagonistischer verhält. Dafür bräuchte es jedoch eine Abkehr von den auf Marktzugang für europäische Unternehmen ausgerichteten Freihandelsabkommen hin zu Verträgen, die Länder des Globalen Südens durch Technologietransfer und die Förderung des Aufbaus von Wertschöpfungsketten unterstützen. Die kürzlich verkündeten Partnerschaften für sauberen Handel und Investitionen (CTIPs) hätten ein wichtiger Startpunkt für einen neuen Ansatz sein können. Leider scheinen sie jedoch wieder einmal die Interessen europäischer Unternehmen über die der Partnerländer zu stellen.

5.

Grüne Nachfrage ankurbeln: Der zentrale Grund, warum sich die EU in einer handelspolitisch schwachen Situation gegenüber den USA befindet, liegt in ihrem hohen Handelsüberschuss im Güterbereich. Dieser ist auch das Ergebnis des von Deutschland vorangetriebenen exportorientierten europäischen Wirtschaftsmodells, gepaart mit einer zu schwachen Binnennachfrage und niedrigen Löhnen. Eine resiliente, zukunftsfähige europäische Wirtschaft, die weniger von Exportüberschüssen abhängig ist, benötigt eine stärkere Binnennachfrage und höhere Investitionen.

Öffentliche Investitionen in eine umweltfreundliche Infrastruktur und die Stärkung der Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten sind von zentraler Bedeutung, um die Binnennachfrage anzukurbeln und eine klimaneutrale Wirtschaft aufzubauen. Dies würde die Abhängigkeit der EU von importierten fossilen Brennstoffen verringern und den Einfluss mindern, den Exporteure fossiler Brennstoffe wie die USA, Russland oder die Golfstaaten auf die EU ausüben können. Die Beschleunigung der Energiewende ist die Alternative zur Erhöhung der Importe fossiler Brennstoffe aus den USA, die von führenden europäischen Politker*innen vorgeschlagen wurde, um Trump zu beschwichtigen.

Die bisherigen Pläne der EU, über gehebelte Privatinvestitionen die grüne Transformation zu erreichen, überzeugen jedoch nicht. Gleichzeitig können viele EU-Mitgliedsländer – anders als Deutschland – keine weiteren Kredite aufnehmen, da dadurch die Zinsen ihrer Staatsanleihen zu stark steigen würden. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU, die zu deutlich geringeren Zinsen möglich ist, wäre also nötig, um ein weiteres Auseinanderdriften der EU-Mitgliedsstaaten zu verhindern und eine resiliente, grüne Wirtschaft aufzubauen, die weniger von schrumpfenden und umkämpften Exportmärkten abhängig ist.

Fazit

Der transatlantische Handelskonflikt stellt die EU vor eine Richtungsentscheidung: Setzt sie weiter auf ein stark exportgetriebenes Modell und bleibt somit in starker Abhängigkeit der ökonomischen Weltmächte USA und China? Oder nutzt sie die Krise für einen sozial-ökologischen Umbau ihrer Wirtschaft und Partnerschaften, in denen die ökonomischen Interessen der Länder des Globalen Südens wirklich ernst genommen werden? Statt auf billige Zugeständnisse an die USA braucht es jetzt Mut zu Investitionen und einer partnerschaftlichen Handelspolitik, die globale Solidarität ernst meint.

 

Zum Autor:

Fabian Flues ist Referent für internationale Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift e.V.