Kommentar

Rettet die Banken, aber nicht die Banker!

Europas Steuerzahler müssen wahrscheinlich bald wieder marode Banken retten, vor allem in Italien spitzt sich die Lage zu. Aber es gibt einen Weg um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit für ihre Rettungsaktion auch bezahlt wird – dafür müssten aber die EU-Bailout-Regeln verändert oder ausgesetzt werden.

Sitz der Monte dei Paschi di Siena: Die älteste Bank der Welt hat die Pest, die Cholera und zwei Weltkriege überlebt – aber wird sie auch den Euro überleben? Zitat: @StephanEwald Foto: Sean X. Liu via Flickr (CC BY-SA 2.0)

Bereits seit Anfang des Jahres stehen Europas Banken massiv unter Druck. Verschiedene Indizes zeigen, dass die Aktien europäischer Geldhäuser seit Jahresbeginn rund ein Drittel ihres Wertes eingebüßt haben. Diese Entwicklung hat sich nach dem Brexit-Referendum noch einmal verschärft.

Besonders zugespitzt hat sich die Lage in Italien. Laut Zahlen der italienischen Zentralbank ist etwa ein Fünftel der Kredite in den Bilanzen von Italiens Banken ausfallgefährdet. Diese „non-performing loans“ lassen das Eigenkapital der Banken schrumpfen.

Ende des Monats wird die Europäische Bankenaufsicht EBA die Ergebnisse ihres neuesten Stresstests veröffentlichen. Es wird erwartet, dass sich einige Banken dann frisches Kapital beschaffen müssen, was sie am Markt aber nicht mehr bekommen könnten. Besonders kritisch scheint die Lage bei den italienischen Geldhäusern Banco Populare und Monte dei Paschi di Siena (die älteste Bank der Welt) zu sein.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi plant Medienberichten zufolge, mit Staatsgeldern die angeschlagenen Geldhäuser zu rekapitalisieren. Das steht aber im Widerspruch zu den europäischen Bail-in-Regeln: Diese sehen vor, dass erst private Gläubiger der Bank zur Kasse gebeten werden müssen, bevor der Staat einspringen darf.

Aber genau einen solchen Aderlass bei den privaten Gläubigern will Renzi vermeiden. Denn in Italien gibt es die Besonderheit, dass zahlreiche Kleinsparer in italienische Bankanleihen investiert haben: Italiens Privathaushalte besitzen rund 200 Milliarden Euro an Bankanleihen, das sind 30% des ausstehenden Gesamtvolumens.

Die europäischen Politiker müssen sich also wohl bald zwischen verschiedenen nicht sonderlich attraktiven Optionen entscheiden: Sie lassen Banken Pleite gehen und riskieren damit einen neuen „Lehman-Moment“. Oder sie wenden die Bail-in bzw. Bail-out-Regeln an – was gerade in Italien zu massiven Verlusten für Kleinsparer führen und eine erhebliche politische Krise auslösen dürfte. Dazu ein Kommentar von Thomas Ferguson und Robert Johnson vom Institute of New Economic Thinking:

 

Zuerst die schlechten Nachrichten: Vor nicht mal einem Jahrzehnt hat die gigantische Finanzkrise die Weltwirtschaft zu Fall gebracht. Jetzt zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Lorenzo Bini Smaghi, den Chef der französischen Großbank Société Générale, mit den Worten, dass die europäischen Regierungen die Idee akzeptieren müssten, dass das Geld der Steuerzahler die letzte Rettung sein dürfte, um eine erneute europäische Bankenkrise zu verhindern.

Jetzt die guten Nachrichten: Wir sind zwar nur interessierte Beobachter dieses Gerangels zwischen verschiedenen EU-Ländern um die Kosten der Bankenrettungen, um die Staatsausgaben etc. – aber wir denken, dass sich aus der langen Geschichte des Umgangs der Regierungen mit Bankpleiten eine eindeutige Lehre ziehen lässt. Und diese Lehre unterscheidet sich sehr stark von dem, was Bini Smaghi offenbar denkt.

Die Europäer werden es wohl nicht riskieren, die Welt in ein neues Lehman-Debakel zu stürzen

Er sagte, dass der italienische Premierminister Matteo Renzi unpopuläre Schritte machen müsste, um die Situation zu retten. Wir gehen davon aus, dass die europäischen Verantwortlichen es nicht riskieren werden, die Welt in ein erneutes Lehman Brothers-Debakel zu stürzen. Somit werden die Banken tatsächlich von irgendjemandem gerettet werden müssen – möglicherweise wird es eine „europäische“ Lösung geben, die Bini Smaghi offenbar bevorzugt, oder andere länderspezifische Ansätze.

Aber wenn Renzi oder die EU diese Bailouts richtig angehen, dürfte ihr öffentliches Ansehen sogar steigen. Kurz gesagt: Wenn Italien oder die Europäische Union demnächst Banken retten müssen, gibt es keinen Grund, warum sie es umsonst tun sollten. Wie wir in einem nach dem 2008er Debakel erschienen Essay geschrieben haben, besteht die beste Vorgehensweise darin, die Banken zu retten – aber nicht die Banker. Das bedeutet, dass das System vor der Kernschmelze bewahrt wird und mehrere Jahre erheblicher wirtschaftlicher Einbußen verhindert werden. Allerdings sollten die Verantwortlichen herausgedrängt und sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit für die Rettung des Finanzsystems bezahlt wird.

Der einfachste Weg, dies umzusetzen, besteht darin, dass der Staat Beteiligungen an den geretteten Banken übernimmt und die Anteile der Aktionäre der Bank proportional abschreibt. Dies kann auf verschiedene Weise getan werden – in Form einer direkten Beteiligung als Bedingung für den Bail-out, durch Optionsscheine, die später geltend gemacht werden oder ähnliches.

Es ist absolut entscheidend, dass der Staat die Banken übernimmt, die faulen Kredite schnellst möglich in eine „Bad Bank“ überführt und diesen Schrott lange genug behält, damit der Markt nicht kollabiert. Wenn die Banken wieder profitabel werden, können die Optionsscheine ausbezahlt und die Aktien wieder verkauft werden (falls denn jemand ein Problem damit haben sollte, dass eine Bank unter staatlicher Kontrolle steht).

Auf diese Weise würde die Öffentlichkeit ihr Geld zurückbekommen – wie wir in dem oben genannten Essay zeigen, machen die Staaten dabei gelegentlich sogar einen Profit. Die Banker bezahlen zu lassen ist ziemlich sicher geeignet, um in der Wählergunst aufzusteigen – und es wäre eine massive Veränderung der derzeit in und außerhalb der EU praktizierten Verfahren. Wenn die EU-Bail-out-Regeln dieser Lösung im Weg stehen sollten, müssen sie schnell verändert oder – wie Bini Smaghi vorschlägt – ausgesetzt werden.

Bini Smaghi verlangt außerdem, dass der Bankensektor in Italien und anderen Ländern konsolidiert, also durch Fusionen und Übernahmen verkleinert wird. Jeder, der mit dem gewaltigen Zahl der Konsolidierungen im US-Bankensektor nach den Bail-outs von 2008/09 vertraut ist, dürfte sich jedoch fragen, wie viele zusätzliche Anstrengungen dafür nötig werden dürften: Denn es werden höchstwahrscheinlich gerade die Too-Big-too-Fail-Banken sein, die diesen Prozess der unnatürlichen Selektion dominieren. Aber das ist noch mal ein anderes Problem.

 

Zu den Autoren:

Thomas Ferguson ist Forschungsdirektor des Institute of New Economic Thinking (INET) und Professor an der University of Massachusetts, Boston sowie Senior Fellow am Roosevelt Institute. Robert Johnson ist Präsident des INET. Er ist außerdem Senior Fellow und Director des Global Finance Project des New Yorker Franklin & Eleanor Roosevelt Institute. Dieser Beitrag ist zuerst in englischer Sprache auf der INET-Homepage erschienen.

Hinweis:

Der im Text erwähnte Essay wurde erstmals im April 2010 auf einer INET-Konferenz am Kings College (Cambridge) vorgestellt. Die darin enthaltende Analyse über den Umgang großer Länder mit Bankkrisen deckt nur die Frühphasen der Bail-outs ab. Auf lange Sicht haben sich einige Länder in etwas andere Richtungen entwickelt, die möglicherweise eine andere Analyse erfordern.