Reform der Eurozone

Neue Anker und neue Steuerruder für die europäische Fiskalpolitik

Die Staatsschulden der Eurostaaten sind in der Corona-Krise rasant angestiegen. Doch das ist kein größerer Grund zur Sorge. Denn die Euro-Architektur lässt sich so reformieren, dass genug Spielraum für die Bewältigung großer Zukunftsaufgaben bleibt. Ein Vorschlag von Jan Priewe.

Wegen der stark gestiegenen Nettoneuverschuldung im Zuge der Corona-Pandemie ist der Schuldenstand im Durchschnitt der Eurozone binnen eines Jahres um etwa 15 Prozentpunkte auf 102% des BIP gestiegen (Schätzung für 2020). Nur fünf der 19 Euro-Staaten liegen jetzt unter der berühmt-berüchtigten 60%-Schwelle: die drei baltischen Staaten, Malta und Luxemburg. Sieben Staaten, darunter die drei Schwergewichte Frankreich, Italien und Spanien, liegen deutlich über 100%. In Deutschland stieg die Schuldenstandsquote von knapp 60 auf 71% an. Das Haushaltsdefizit betrug 2020 im Euro-Durchschnitt 8,8%, in einigen Ländern  über 12%. Deutschland verzeichnete erstmal nach acht Jahren mit -6% wieder ein Defizit.

Um die Neuverschuldung und damit eine Bekämpfung der Corona-Krise zu ermöglichen, wurden die europäischen Regeln für die Verschuldung der Staatshaushalte der Mitgliedsstaaten über eine Ausnahmeklausel im EU-Fiskalpakt bis zunächst 2021 ausgesetzt. Doch wie geht es nun weiter?

Eine zügige Rückkehr zum alten Regelwerk würde vermutlich die stärkste Phase der Austerität erfordern, die wie je hatten – und zu einer politischen Zerreißprobe in und zwischen den Mitgliedsländern führen. Vermutlich würde es aber gar nicht zu niedrigeren Schuldenständen führen, sondern zur nächsten Krise. Kranksparen macht bekanntlich nicht gesund.

Doch die gute Nachricht ist: Dazu muss es nicht kommen. So wäre die strikte Rückkehr zum alten Fiskalregelwerk nicht nur politisch fatal, sie ist auch ökonomisch kontraproduktiv. Denn die weitverbreiteten Ängste vor den hohen Schulden sind weitgehend unbegründet – und es ist eine Reform des europäischen Regelwerks möglich, die eine Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben nach Corona erlaubt und gleichzeitig einen neuen, besseren Ordnungsrahmen für die fiskalpolitische Architektur der Währungsunion bietet.

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