In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Die Sanktionen gegen Russland sind eine Form von Krieg
piqer:
Theresa Bäuerlein
In dieser Folge der Ezra Klein Show geht es um Sanktionen – darum, dass Sanktionen eine Waffe sind, die wir auch als solche verstehen sollten. Sie entstanden als Alternative zu konventioneller Kriegsführung und wirken weniger grausam und unmittelbar kriegerisch als Bomben. Dennoch können sie ein brutales Mittel sein, das vor allem die Zivilbevölkerung eines Landes trifft.
Der russische Politikwissenschaftler Ilja Matwejew beschrieb kürzlich die Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf sein Land als „30 Jahre wirtschaftliche Entwicklung, die in den Müll geworfen wurden“. Er übertreibt nicht. Wirtschaftswissenschaftler erwarten, dass die russische Wirtschaft in diesem Jahr um mindestens 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen wird. Die Inflation schießt in die Höhe. Eine Abwanderung russischer Fachkräfte ist im Gange. Geschichten über Engpässe und lange Warteschlangen für grundlegende Konsumgüter sind an der Tagesordnung.
Die Wirksamkeit von Sanktionen ist dabei offenbar nicht besonders gut. Sie funktionieren etwa in 20-30 Prozent der Fälle. Eine stärkere Wirkung entfalten sie vor allem dann, wenn das Ziel der Sanktionen eher klein ist. Schlechter wirken sie, wenn es darum geht, die Regierung eines Staates von etwas abzubringen, das sie bereits angefangen hat. Wie einen Krieg.
Angesichts dieser Tatsachen stellt der Beitrag die Frage, wie wir Sanktionen in Zukunft einsetzen sollten.
„Die USA würden jahrelangen Krieg hinnehmen“
piqer:
Eric Bonse
Wann nimmt der fürchterliche Krieg in der Ukraine endlich ein Ende? Die Bilder des Grauens, die uns aus Butscha in der Nähe von Kiew erreichen, machen diese Frage dringlicher denn je. Doch Antworten hört man keine. Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland sind ins Stocken geraten. Die EU fordert eine Untersuchung der Kriegsverbrechen – doch für eine Friedenslösung macht sie sich nicht stark. Stattdessen soll es neue Sanktionen geben.
Dabei helfen Sanktionen und Waffen nicht weiter, warnt der US-Starökonom und Osteuropa-Experte Jeffrey Sachs. Sie erhöhen zwar den Druck auf Russland, doch zugleich verlängern sie den Krieg – und bringen uns einer Friedenslösung keinen Schritt näher. Dabei kann gerade Europa an einem langen Krieg und immer härteren Sanktionen kein Interesse haben. Schließlich schlagen die Strafmaßnahmen schon jetzt auf die europäische Wirtschaft zurück, die Zahl der Flüchtlinge wächst.
Ganz anders sieht das in den USA aus. Für die Amerikaner ist der Krieg in der Ukraine weit weg, US-Präsident Biden stellt die Welt auf einen langen Konflikt ein. „Die USA würden jahrelangen Krieg tolerieren. Sie würden viele Tote in Kauf nehmen“, warnt Sachs. Dabei würden aber nicht nur die Europäer verlieren. Den höchsten und bittersten Preis müsste die Ukraine selbst zahlen. „Die USA feuern ihre Freunde an und lassen sie dann auf dem Schlachtfeld zurück.“ Geht der Krieg also ewig weiter?
Der Überfall auf die Ukraine – Krieg als Teil der Erwerbskunst?
piqer:
Thomas Wahl
Warum führen Menschen so viele Kriege? Diese Frage stellt sich leider immer wieder und ist gerade sehr aktuell. Dabei sind Krieg und Wirtschaft auf verschiedene Weise verbunden, wie der Autor nachweist:
Geld, Ressourcen und ökonomische Macht sind entscheidende Faktoren des Krieges, und zwar in allen Phasen militärischer Auseinandersetzungen: als Ursache für Angriffe auf andere Staaten, als Faktor für Sieg und Niederlage und im Nachhinein, wenn es darum geht, welche Folgen ein Krieg verursacht.
Oft wird der Drang nach den Reichtümern der Nachbarn als wesentlicher Grund seit Urzeiten genannt – fruchtbare Landstriche, wertvolle Rohstoffe und zu versklavende Menschen waren immer eine ökonomische Versuchung, Gewalt anzuwenden.
Die Wikinger machten im Frühmittelalter Raub und Überfall zu ihrem Geschäftsmodell. Und auch später, beispielsweise in der Phase des Merkantilismus, in dem der Export von Edelmetallen oft untersagt war, war die Plünderung eine der wenigen Möglichkeiten, um an bestimmte Materialien zu gelangen.
Und so wurde in den Wirtschaftswissenschaften immer wieder über die möglichen positiven ökonomischen Effekte der Kriege diskutiert – sozusagen über den „Krieg als Teil der Erwerbskunst“. Putin nennt die angeblichen Nazis in Kiew, einen erfundenen Völkermord im Donbass, die militärische Bedrohung durch die Ukraine und NATO als Kriegsgründe. Aber auch die historische und kulturelle Zugehörigkeit zum großrussischen Reich, die gemeinsame Abstammung der Bevölkerungen werden angeführt. Ob das die wahren Gründe sind, das weiß wohl nur Putin allein.
Aber eine Reihe von Ökonomen, wie etwa David Clowes und Jökull Hafthor Johannesson, sehen ökonomische Ursachen hinter den seit Jahren andauernden russischen Aggressionen gegen die Ukraine. Demnach geht es um die russischen Interessen als Exporteur von Erdgas und Öl. In einem schon 2020 erschienenen Beitrag argumentieren die beiden Forscher:
Our findings reveal that Russia is critically dependent on revenue from gas exports to Ukraine and the European Union, but also that Ukraine’s energy deposits and pipeline system have the potential to be a direct competitive threat to Russia’s energy exports. This paper argues that this was the underlying reason and main causal pathway leading to Russia’s annexation of Crimea and the subsequent war in eastern Ukraine.
Damit ist der Artikel beim zweiten relevanten Punkt in den Beziehungen zwischen Wirtschaft und einem größeren Krieg – der Ausrichtung der Volkswirtschaft auf die Erfordernisse des Krieges. Man nennt das gewöhnlich „Kriegswirtschaft“. Gerade unsere deutsche Geschichte kennt aus den beiden Weltkriegen Beispiele, wie eine Volkswirtschaft „planvoll“ für den Krieg umgestaltet wird. Ein zentral planendes Kriegsministerium etwa
ist ein typisches Merkmal. Männer werden von ihren Arbeitsplätzen ab- und in die Armee eingezogen. Dadurch sinkt die Arbeitskraft in der Wirtschaft und oft auch die Produktivität der Industrie. Unternehmen, die dazu in der Lage sind, werden zwangsmäßig oder vor der Drohkulisse einer drohenden Kriegsniederlage darauf ausgerichtet, Waffen, Uniformen und anderes Kriegsgerät zu produzieren. Der Verbrauch von Rohstoffen wird reglementiert und Branchen entzogen, die nichts mit dem Krieg zu tun haben, der Preismechanismus wird ausgesetzt. Es entsteht eine Missallokation, die für Kriegszwecke Sinn ergeben kann, aber die Wirtschaft ansonsten schwächt. Die Nahrungsmittelproduktion wird zudem möglichst hochgefahren …
Putin hatte versucht, seine Volkswirtschaft auf den Krieg und mögliche Sanktionen vorzubereiten. Und er hoffte auf einen schnellen Sieg, der eine langfristige Kriegswirtschaft unnötig machen würde. Er scheint sich verrechnet zu haben. Die langfristigen Folgen zeigt der Artikel ebenfalls, u. a. am Beispiel Deutschlands aus einer Studie von Albrecht Ritschl: The pity of peace: Germany’s economy at war, 1914–1918 and beyond (Cambridge University Press: 23 July 2009).
The economic history of Germany’s Great War appears intellectually unexciting. It is the story of a failed blitz campaign and a subsequent war of attrition. It is the chronicle of disappointed expectations, painful adjustment, and of quixotic efforts to ignore reality. It is the account of an insufficient resource base, and probably of misallocation and disingenuous economic planning. And, last, it is the story of a half-constitutional yet undemocratic system in denial of defeat, unable to compromise, unable to make peace, finally drawing the whole of society into the abyss of its own political and military collapse.
Das klingt ziemlich prophetisch in Bezug auf den Ukrainekrieg Russlands. Hoffen wir, dass die langfristigen Folgen für das russische Volk, für seine Nachbarn nicht so dramatisch sein werden, wie damals durch den Weg Europas in den Zweiten Weltkrieg. Vielleicht lernen ja die Konfliktparteien aus der Geschichte. Zumindest nach dem Krieg.
Vermögen der russischen Oligarchen wie die aus dem Westen erfassen!
piqer:
Michael Hirsch
In diesem Beitrag des französischen Ökonomen Thomas Piketty, ursprünglich für den britischen „Guardian“ verfasst, geht es um die politische und politökonomische Frage der gigantischen Vermögen russischer Oligarchen im Westen. Die These des Artikels lautet, dass es so lange keine wirksamen Formen des Einfrierens und Konfiszierens der Geld-, Immobilien-, Kunst- und anderen Vermögensbestände von Putin nahestehenden Oligarchen geben wird, wie sich die westlichen Regierungen nicht insgesamt zu Maßnahmen durchringen können, die den weltweiten Wildwuchs von Steueroasen, Steuerschlupflöchern und Geldwäsche eindämmen. Das Problem ist ganz einfach, dass insbesondere die US-amerikanische, britische, französische und deutsche Regierung hier extrem zögerlich bis ablehnend reagiert.
Die Ukraine-Krise hat eine alte Debatte wiederbelebt: Wie lässt sich ein Staat wie Russland effektiv sanktionieren? Gerade heraus gesagt: Es ist Zeit für neue Sanktionsformen, die den Schwerpunkt auf die Oligarchen setzen, die dank des fraglichen Regimes reich geworden sind. Erforderlich ist dafür aber die Einführung eines internationalen Finanzregisters, das den Reichen im Westen nicht gefallen wird. Deren Interessen sind sehr viel stärker mit denen der russischen und chinesischen Oligarchen verbunden, als manchmal behauptet wird.
Die These Pikettys lautet, dass die gegenwärtig gegen ein paar Oligarchen verhängten Maßnahmen (zum Beispiel die Beschlagnahmung von ein paar Villen und Superjachten) eher symbolischer Natur sind und Teil eines Medienspektakels – ähnlich wie spektakuläre Razzien in Berlin gegen die Clankriminalität zwar unter großem Mediengetöse und unter Aufbietung von Polizei- und Zoll-Hundertschaften Wirbel erzeugen, aber meist nur Peanuts entdecken. Das bleibt ein strukturell lahmes Medienspektakel, eine Art Strafverfolgungspornographie der Vollzugsbehörden, produziert, um vom Publikum begierig angeschaut zu werden. Weil eben die Ursache des Problems, die strukturellen Möglichkeiten zum Verstecken, Verbergen und Verschieben, und zum Weißwaschen von Geld, von den Finanzministerien nicht prinzipiell durch neue und schärfere Gesetze verhindert werden.
Das Einfrieren von Vermögenswerten im Besitz von Putin und Mitgliedern seiner Familie ist bereits Teil des Arsenals an Sanktionen, das seit Jahren ausprobiert wird. Das Problem ist, dass die verhängten Maßnahmen zum Großteil symbolisch bleiben. Sie betreffen nur ein paar Dutzend Leute und können durch Strohmänner umgangen werden – ganz besonders, weil nichts getan wurde, um den Immobilienbesitz und die Finanzportfolios, die jeder einzelne besitzt, systematisch zu erfassen und mit Querverweisen zu versehen.
Wie man weiß, gibt es selbst in der gemäßigten deutschen Regierung inzwischen ja Figuren wie Sven Giegold, die immer schon (früher noch als EU-Parlamentarier) für schärfere Gesetze in diese Richtung gekämpft haben. Aber bisher ist Giegold eben leider nur Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, während im Finanzministerium Christian Lindner regiert, der aller linken Umtriebe unverdächtig ist.
Um den Kampf gegen zwielichtige Vermögen voranzutreiben, würde es
reichen, wenn die westlichen Länder endlich ein internationales Finanzregister (auch bekannt als „globales Finanzregister“ oder GFR) einführen, in dem festgehalten wird, wer in den verschiedenen Ländern was besitzt. Wie bereits der „Bericht zur weltweiten Ungleichheit 2018“ aufzeigte, ist ein solches Projekt technisch möglich. Dafür müssen die öffentlichen Behörden die Kontrolle über die privaten zentralen Verwahrungsstellen (Clearstream, Euroclear, Depository Trust Corporation usw.) übernehmen, die derzeit Wertpapiere und deren Eigentümer registrieren. Dieses öffentliche Register wäre auch ein entscheidender Schritt im Kampf gegen illegale Finanzströme, Drogengeld und internationale Korruption.
Die steuerliche und finanzrechtliche Begünstigung großer Vermögen war ein Kernstück der westlichen Regierungsprojekte der letzten Jahrzehnte. Man müsste heute mit diesem Projekt prinzipiell brechen, anstatt jetzt nur einseitig auf das „böse“ Oligarchen- oder Mafiageld zu starren.
Warum also gibt es noch keine Fortschritte in diese Richtung? Aus einem ganz einfachen Grund: Die Reichen im Westen fürchten, dass ihnen eine solche Transparenz am Ende schadet. Das ist einer der Hauptwidersprüche unserer Zeit. Die Konfrontation zwischen „Demokratien“ und „Autokratien“ wird übertrieben, weil vergessen wird, dass die westlichen Länder mit Russland und China eine ungezügelte hyperkapitalistische Ideologie ebenso teilen wie ein rechtliches, steuerliches und politisches System, das zunehmend große Vermögen begünstigt.
Negative Emissionen: Konzepte und Risiken, Chancen und Hürden
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Ralph Diermann
Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik gehört zu den international bekanntesten Experten für negative Emissionen. Er hat als Leitautor am gerade veröffentlichten dritten Teil des aktuellen IPCC-Berichts mitgeschrieben, dessen Fokus auf der Entnahme von CO2 aus Atmosphäre und Emissionsströmen liegt. In einem Interview für den Klima-Podcast „Gradmesser“ des Tagesspiegels stellt Geden verschiedene Konzepte für negative Emissionen vor, diskutiert deren Risiken, beschreibt die Hürden und erläutert, was geschehen muss, um hier endlich voranzukommen. Der Tagesspiegel hat schriftliche Auszüge des Gesprächs online gestellt.
Geden verweist im Gespräch darauf, dass sich ein gewisses Maß an CO2-Emissionen schon aus technischen Gründen nicht vermeiden lässt. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, bedarf es daher negativer Emissionen – aber auch, um später der Atmosphäre Treibhausgase zu entnehmen, die wir heute emittieren. Natürlich bestehe das Risiko, dass man die Emissionsminderung schleifen lasse, wenn man das CO2 ohnehin später wieder herausholen kann. Das kann man aber durch politisches Handeln vermeiden, so Geden. Etwa indem festgelegt wird, einen hohen Prozentsatz der Treibhausgasemissionen durch klassische Reduktionsmaßnahmen zu mindern.
Der Wissenschaftler plädiert dafür, endlich loszulegen mit negativen Emissionen – denn es kostet Zeit, um zu erkennen, welche Maßnahmen gut funktionieren, welche Rahmenbedingungen nötig sind und wo die Fallstricke liegen. Ein heikler Punkt ist hier die Haltung der Bevölkerung, etwa was Endlager oder Transportnetzwerke für CO2 sind. Es braucht wie bei Stromtrassen und Windrädern die Bereitschaft der Bürger und auch lokaler politischer Akteure, diese Infrastruktur zu akzeptieren, so Geden.
Saurer Geldregen – Milliardeninvestitionen für Kohle, Öl und Gas
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Carla Reemtsma
Die gestiegene gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit für die Klimakrise ist nicht nur an Energie-, Mode- und Lebensmittelkonzernen nicht spurlos vorbeigegangen: Auch Finanzinstitute und Banken fangen längst an, Image und Fondsbeteiligungen grün aufzupolieren.
Doch hinter den schönen Versprechen und dem gewachsenen Druck auf die Branche, am Pariser Klimaabkommen ausgerichtete Entscheidungen zu treffen, hat sich in den vergangenen Jahren bilanziell nur wenig an den Beteiligungen und Finanzierungen der großen Banken geändert. Rund 742 Milliarden US-Dollar investierten die großen internationalen Banken 2021 in die fossilen Industrie, was nur einen kleinen Rückgang zum Vorjahr darstellt und mehr ist als in den Vor-Corona-Jahren 2016 und 2017.
Obwohl ein Großteil der Banken zumindest selbstgesteckte Klimaziele verfolgt, sind die Investitionen kaum mit diesen vereinbar. Trotz der Aussage der Internationalen Energieagentur, dass zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze keine weiteren Kohle-, Öl- und Gasfelder erschlossen werden dürfen, stellten die Banken rund ein Viertel der Gelder für die 100 Firmen bereit, die die größten neuen fossilen Projekte planen.
Die Zahlen stammen aus dem neuesten „Banking On Climate Chaos“ Report. Erwartungsgemäß waren kaum Aussagen von den Bänker:innen zu den fossilen Beteiligungen ihrer Firmen zu erhalten. Für Reuters fasst Simon Jessop die wichtigsten Erkenntnisse des Reports zusammen.
Was bringen eigentlich die Sachstandsberichte des IPCC?
piqer:
Nick Reimer
Heute also ist es so weit: Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – oft als „Weltklimarat“ bezeichnet – bringt den dritten und letzten Teil seines neuen Sachstandsberichts zum Klimawandel heraus. Dieser befasst sich mit politischen und technologischen Maßnahmen, mit denen der Klimawandel begrenzt werden könnte. Welche Möglichkeiten gibt es?
Doch bevor es so weit ist – es ist bereits der sechste Sachstandsbericht – ging der geschätzte Kollege Volker Mrasek der Frage nach: Was bringen diese Berichte überhaupt?
Der erste Sachstandsbericht kam 1990 heraus, vor 32 Jahren, und zwar noch bevor es erstmals ein internationales Klimaabkommen gab. Erst zwei Jahre später wurde die Klimarahmenkonvention verabschiedet – auch als Folge des IPCC-Sachstands. Auch dem zweiten Bericht, veröffentlicht 1995, schreibt Mrasek eine Bedeutung zu, zwei Jahre später wurde das Kyoto-Protokoll verabschiedet, das 1997 erstmals verbindlich Reduktionsminderungen der Industriestaaten festschreibt.
Doch seitdem blieben die Berichte drei, vier und fünf nahezu folgenlos. Zwar wurde der Sachstand immer konkreter, die Mahnung, dass uns die Zeit, die Erderwärmung im Griff zu behalten, immer eindringlicher. Trotzdem stiegen die Emissionen immer weiter an. Hieß es beim IPCC in den 2000er Jahren noch, spätestens im Jahr 2020 muss der Peak der Emissionen weltweit überschritten sein, so erlebte die Menschheit 2021 einen neuen Emissionsrekord. Volker Mrasek urteilt:
„Das liegt am Widerstand und den wirtschaftlichen Interessen von Ländern wie Saudi-Arabien, Australien, Russland, Kanada und den USA. Ihnen war immer mehr an der weiteren Vermarktung ihrer reichen Kohle-, Öl- und Gas-Vorkommen gelegen, als an einem zügigen Umstieg auf erneuerbare Energieträger.“
Einzig an dieser Stelle muss ich dem guten Beitrag des Kollegen widersprechen: Es liegt auch an Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz, die weiterhin fossile Energieträger einkaufen, statt Tempo beim Umstieg zu machen.
Machen Wissenschaftler:innen nie Lobbyarbeit?
piqer:
Hristio Boytchev
In diesem Jahr führt Deutschland erstmals ein gesetzliches Lobbyregister ein, in dem erfasst worden soll, wer auf Gesetzgebung Einfluss nimmt. Das soll Politik transparenter machen. Nun fordert eine Initiative, dass Wissenschaftler:innen davon ausgenommen werden sollen.
Ich finde die Entwicklung bemerkenswert, besonders da in der Covid-Pandemie fehlende Transparenz in der wissenschaftlichen Politikberatung deutlich kritisiert worden ist. Man kann aus der Initiative viel über das Selbstverständnis von Teilen des Wissenschaftssystems ablesen. Manfred Ronzheimer erklärt hier ihren Standpunkt und lässt zudem die Gegenseite zu Wort kommen:
„Aber auch die Interessenvertretung für eine gute Sache ist am Ende noch Interessenvertretung und darf nicht im Geheimen stattfinden“, so der Vertreter von Transparency Deutschland.