Demografie

Müssen wir die Welt schon wieder neu vermessen?

Mit ihrem Buch „The Great Demographic Reversal“ sorgen Charles Goodhart und Manoj Pradhan derzeit für Furore. Dabei sind ihre Thesen weder „original“ noch „überraschend“. Und ausgerechnet beim Titelthema schwächeln sie. Eine Rezension von Helmut Reisen.

Die Folgen von Chinas Aufstieg seit den 1980er Jahren lassen sich grob wie folgt zusammenfassen: Es brach ein Zeitalter mit niedriger Inflation und Realzinsen an und die Volkswirtschaften der Schwellenländer wurden stimuliert. Diese Kombination sorgte für hohe Preisnotierungen bei Aktien, Immobilien und Rohstoffen. Die personelle Einkommensungleichheit ging global betrachtet zurück, stieg aber innerhalb der meisten Länder.

In ihrem im Oktober erschienenen und seitdem vielbeachteten Buch The Great Demographic Reversal verkünden Charles Goodhart und Manoj Pradhan nun das Ende dieser Epoche. Denn demografische Verschiebungen werden jahrzehntelange Trends umkehren, so Goodhart und Pradhan: Wir stünden also vor einem neuen Zeitalter mit Wachstum von Löhnen und Inflationsraten, sinkenden Zinsen sowie einer größeren Ungleichheit zwischen Ländern bei gleichzeitig rückläufiger Ungleichheit innerhalb vieler Länder.

Begründet wird dieser Wendepunkt vor allem mit dem Ende des Angebotsschocks auf die globalen Arbeitsmärkte, ein Produkt der Demografie cum Globalisierung. Chinas Bevölkerung im Erwerbsalter schrumpfe, sein Altenquotient steige. Die Globalisierung sei auf dem Rückzug (nicht zuletzt infolge der China-Eindämmungspolitik der USA). Wie Martin Wolf treffend anmerkt, ist die Prophezeiung einer bevorstehenden Inflation weniger bedeutend als der analytische Rahmen des Buches – jedenfalls jenseits der Finanzmärkte.

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