Ungleichheitsforschung

Megaspende mit Beigeschmack

Die London School of Economics hat die größte Spende ihrer Geschichte erhalten. Mit dem Geld soll ein Fellow-Programm zum Thema Ungleichheit geschaffen werden. Die umgerechnet über 80 Millionen Euro kommen von der US-amerikanischen Atlantic Philanthropies-Stiftung – was grundlegende Demokratie-Fragen aufwirft.

Die LSE soll ein globales Netzwerk von Menschen aufzubauen, die ein Verständnis für die „multidimensionale Herausforderung“ der Ungleichheit haben. Foto: Jim Larrison via Flickr (CC BY 2.0)

Vor einem Jahr wurde an der London School of Economics (LSE) ein Ungleichheitsinstitut gegründet. Eine Stiftung hatte 1 Millionen Pfund zur Verfügung gestellt, um Doktorandenstipendien und einen eigenen Ungleichheits-Master-Studiengang unter dem Dach des neuen International Inequalities Institute der LSE zu schaffen. Der weltbekannte Ungleichheitsforscher Thomas Piketty konnte als Gastprofessor gewonnen werden.

Jetzt vermeldet der Co-Direktor des LSE-Ungleichheits-Instituts, Mike Savage, eine spektakuläre Neuigkeit: Es wird ein sogenanntes Atlantic-Fellows-Programm geschaffen, mit dem über die nächsten 20 Jahre 600 Fellowships finanziert werden sollen.

Diese Fellowships sollen international an Menschen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Politik, Medien und Kultur vergeben werden, die zum Thema Ungleichheit arbeiten. Die Fellows nehmen an Programmen der LSE teil – Vollzeit oder berufsbegleitend – und sie erhalten ein Mentoring von Wissenschaftler*innen der LSE und aus zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen.

Ziel sei es, ein globales Netzwerk von Aktiven in Führungspositionen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen aufzubauen, die ein Verständnis für die „multidimensionale Herausforderung“ der Ungleichheit auszeichne.

Die größte Spende in der Geschichte der LSE

Die Kosten des Programms liegen bei sage und schreibe 64,4 Millionen Pfund (ca. 81 Millionen Euro). Finanziert wird es durch eine Spende der US-amerikanischen Stiftung Atlantic Philanthropies – eine derart hohe Spende hat die LSE noch nie zuvor in ihrer Geschichte erhalten.

Die 1982 von dem irisch-amerikanischen Unternehmer Chuck Feeney gegründete Atlantic Philanthropies-Stiftung gilt als gesellschaftlich liberal ausgerichtet und wird etwa von der New York Times in politischer Nähe zu anderen großen „liberalen“ US-Stiftungen wie der Open Society Foundation von George Soros und der Ford Foundation verortet.

Die Stiftung hat mit 7,5 Mrd. US-Dollar bereits einen Großteil ihrer Mittel verausgabt. Nun sollen bis 2020 die verbleibenden Mittel ausgegeben werden. Nach eigenen Angaben verfolgt die Stiftung dabei folgende Ziele:

In total, The Atlantic Philanthropies will invest more than $600 million over the next two decades in building a global network of thousands of Atlantic Fellows, and the institutions that support and nurture them. This substantial investment is not only the foundation’s biggest bet ever, but a final promise to dedicate our remaining resources to supporting people with the courage, conviction and capacity to produce systemic change that promotes fairness, opportunity, dignity and inclusion, benefiting particularly those who face unfair disadvantages and vulnerabilities.

 

Aus demokratischer Sicht ein fundamentales Problem

Die Großspende an die LSE macht auch deutlich, dass einzelne Vermögende eine zentrale Rolle als globale Agenda-Setter spielen können. Zwar kann Geld allein nicht immer ein Thema großmachen – und auch ohne das ganz große Geld wurde die Ungleichheitsproblematik bereits durch die Occupy-Bewegung und spätestens mit dem fulminanten Erfolg von Thomas Pikettys Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ in den USA und auch weltweit zu einem Megathema.

Dennoch kann erst durch eine derart umfangreiche Finanzierung die nötige, breit angelegte Forschung und wertvoller Raum für Austausch zwischen Mulitiplikator*innen geschaffen werden, die das Thema dauerhaft auf der Tagesordnung halten dürften.

Aus einer demokratischen Sicht, wonach das Prinzip gleicher politischer Teilhabe von fundamentaler Bedeutung ist, sind solche Ungleichgewichte in den Chancen, ein Thema stark zu machen oder nicht, allerdings ein Skandal.

Der Co-Direktor des LSE-Ungleichheits-Instituts, Mike Savage, erkennt dieses Problem auch an. Er schreibt:

It is worth pausing to consider the significance of this donation, especially noting the concerns raised about the power of philanthropic giving in academic life (as brilliantly exposed by Linsey McGoey recently, especially with respect to the Gates Foundation). There are plenty of dilemmas too, most notably in becoming embedded into the philanthropic embrace, itself part and parcel of the rise of super wealthy fortunes which should surely worry those concerned with inequalities. This is taking sociology out of its comfort zone and onto a very different terrain.

Sollte man Privilegien nutzen, um Privilegien abzubauen?

Es ist erfreulich, dass die Direktoren des LSE-Ungleichheits-Instituts, die nun zentral an der Verwendung der Gelder beteiligt sind, offenbar ein kritisches Bewusstsein für dieses Problem haben. Und immerhin ließe sich argumentieren, dass die Mittel dafür verwendet werden könnten, die Privilegien mit denen sie einhergehen, perspektivisch abzuschaffen. Und strategisch gesehen: In einer Welt ungleicher Ressourcen dienen sie dazu, die Stimme derjenigen, die solche Privilegien aufrecht erhalten wollen, relativ zu schwächen.

Dennoch kann es langfristig nur das Ziel sein, dass demokratisch darüber entschieden wird (und mittels finanzieller Spielräume auch entschieden werden kann), ob Universitäten ausreichend ausgestattet sind, um gesellschaftliche Großthemen angemessen zu bearbeiten – und dass sie dabei unabhängig agieren können und nicht nach dem Gusto einzelner Reicher.

 

Zum Autor:

Julian Bank ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sozialökonomie der Uni Duisburg-Essen und Herausgeber des Blogs Verteilungsfrage.org, wo dieser Beitrag zuerst erschienen ist.