Fremde Federn

Klima-Trump, unendliches Wachstum, Luftozean

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Wie unser Parteiensystem in der Krise geriet, weshalb auch unter Trump das Klima (eventuell) nicht verloren ist und warum die EU in Sachen Emissionssenkung durchaus auf einem guten Weg ist.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst Forum (früher piqd) eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. Formum.eu versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Unser Parteiensystem in der Krise

piqer:
Thomas Wahl

Unser Parteiensystem ist – wie viele anderen in Europa – in der Krise. Gut überstehen werden diese Krise nur die Grünen, die AfD, eventuell auch das BSW. Das behauptet der Politologe Jan Gerber, den die taz in einem Interview befragt:

Beide Parteien werden die Krise der Gegenwart, die auch eine Krise des Parteiensystems ist, wohl gut überstehen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat auch gute Chancen darauf, allerdings befindet es sich noch in der Konsolidierungsphase. Da ist noch vieles offen. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie die alltagsweltlichen Erfahrungen der meisten Menschen deutlich besser bedienen als die SPD, die Linke oder die CDU. Trotz der immensen programmatischen Unterschiede, die es gerade zwischen AfD und Grünen gibt, setzen alle drei Parteien auf Emotionalisierung, Polarisierung, Reflex und Beschleunigung. Das entspricht ganz dem populistischen Zeitgeist. Populismus ist weniger Programm als Politikstil.

Ich neige dazu, ihm hier zu folgen. Sicher hat er auch recht, dass unsere Parteien und unser Bild von ihnen vom Kalten Krieg und der fordistischen Industriegesellschaft geprägt wurden. In Deutschland waren CDU und SPD die strukturellen und politischen Entsprechungen des Fordismus. Sie waren

durch große Betriebe gekennzeichnet, halbwegs homogene Milieus, vereinheitlichte Produktion und Konsumtion. …. Ähnlich kollektiv wie in die Fabriken strömten die Leute in die Parteien. Ihr schwerfälliger Apparat, die langwierigen Entscheidungsprozesse und klaren Hierarchien entsprachen den Erfahrungen des damaligen Arbeits- und Alltagslebens.

Mit dem Übergang in den 70ern in eine Dienstleistungsgesellschaft veränderte sich die Situation. An die Stelle der Routinen und Fähigkeiten für die Industriegesellschaft traten neue:

Flexibilität, permanente Erreichbarkeit, Einzigartigkeit, stetige Neuerfindung. Mit dieser Veränderung von Produktion und Alltagsleben erodierten auch die sozioökonomischen Grundlagen des alten Parteiensystems. Die klassischen Parteien kamen den alltäglichen Erfahrungen immer seltener entgegen.

Mit dieser Veränderung der Wirtschaft, aber auch im  Alltagsleben konnten die Akteure und Strukturen des alten Parteiensystems (und wohl auch der Gewerkschaften?) nicht mithalten.

Die klassischen Parteien kamen den alltäglichen Erfahrungen immer seltener entgegen.

In einem würde ich dem Soziologen nicht folgen: dass man nach dem kalten Krieg im Westen begann, die Sozialsysteme zu schleifen, weil diese nach dem Sieg nicht mehr benötigt wurden, um sich gut darzustellen. Und Deutschland habe sich mit der Einheit verhoben. (Aber eben nicht weil es weniger für Soziales ausgegeben hat). Es stimmt:

Was die Leute heutzutage emotional an die Nation bindet, ist das Sozialsystem: Rente, Sozialversicherung, Bildung.

Aber stimmt deswegen auch:

Dieses System wurde schon durch Hartz IV zerschossen, mit der Flüchtlingskrise kamen neue Herausforderungen dazu.

Hier würde ich eher dem Ökonomen Werner Plumpe  in der FAZ folgen. Die aktuelle Handlungs­unfähigkeit der Staaten hat ihre Ursache eher in der (halb)keynesianischen Politik, seit den Siebzigerjahren zur Bekämpfung von Krisen und Problemen, Schulden aufzunehmen, diese aber in den Aufschwungphasen nach den Krisen kaum zurückzuzahlen. Sich also kontinuierlich auf hohem Verschuldungsniveau zu bewegen. Womit

das Schuldenmachen die Probleme, zu deren Bekämpfung es gedacht war, gar nicht ­beseitigte, sondern nur verschob beziehungsweise camouflierte.

Und Plumpe hat recht, wirklich brisant wird es für die Zahlungsfähigkeit der Staaten durch die seit Jahren sinkenden Produktivitätszuwächse beziehungsweise die stagnierende und schrumpfende Produktivität seit 2018. Seit der Mitte der Neunzigerjahre ist in der gesamten westlichen Welt die Produktivitätsdynamik gebrochen.

Von im deutschen Fall langfristig stabilen zwei Prozent Produktivitätswachstum gingen die Zuwächse seit dieser Zeit zunächst langsam auf etwa 0,4 Prozent zurück. Seit 2018 sinkt die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung. Parallel dazu schwächeln die Investitionen.

Für den Staat zeigt sich: Während seine Leistungsfähigkeit sinkt, wächst der öffentliche Sektor. Es steigen die Ausgaben, von denen der größte Teil (mehr als vierzig Prozent) Sozialausgaben sind. Aber auch bei den Angestellten gab es historisch bisher nie einen so großen Staat.

Die Verschuldung drückt das in aller Kälte aus, und sollten sich Wachstum und Produktivitätsentwicklung nicht rasch verbessern, wird ein Szenario vorstellbar, wie es die späte DDR kennzeichnete, die sich einen Staat leistete, den zu finanzieren ihre Wirtschaft gar nicht in der Lage war. Der Einsturz der Carolabrücke lässt sich durchaus auch als Menetekel sehen.

Und ich frage mich, ob unsere politischen und intellektuellen Eliten das alles verstanden haben. In Novo hat Frank Furedi für Amerika nach dem Trump-Sieg einen sehr scharfen Vorwurf gegen das eher linke Establishment formuliert:

Die Hysterie, die von Teilen der etablierten Medien an den Tag gelegt wird, wird vom Rest des Establishments geteilt. Nach der Reaktion der Eliten auf die Wahl von Trump im Jahr 2016 zu urteilen, wird sich diese Wut bald in eine antipopulistische Raserei verwandeln. Bereits 2016 hieß es in einem Essay im Atlantic: „Unser drängendstes politisches Problem ist heute, dass das Land das Establishment im Stich gelassen hat, nicht umgekehrt.“ Ein Kolumnist von Foreign Policy reagierte auf den Brexit im selben Jahr mit den Worten, es sei „Zeit, dass sich die Eliten gegen die unwissenden Massen erheben“. Angesichts des Ausmaßes von Trumps Comeback wird sich das Gefühl der Eliten, vom Volk verraten worden zu sein, nur noch weiter verstärken.

Und er hat wohl recht damit, eine neue Ära des Populismus, nicht der Rationalität, ist angebrochen.

Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft der gesamten westlichen Welt zeitigen. Europa, genau hinsehen!

Ich glaube, wir müssen über all unsere lieb gewordenen Denkraster, Begriffe, Urteile, Wunschvorstellungen und Schuldzuweisungen nochmal schnell und drastisch durchdenken. Sonst verlässt uns das Volk. Ein anderes haben wir nicht.

Nicht Alles ist verloren – Trump und das Klima

piqer:
Dominik Lenné

Es gibt eine breite Bewegung, die der nach der Trump-Wahl aufkommenden Untergangsstimmung in Bezug auf den Schutz des Erdsystems etwas entgegensetzen will, und einige Artikel in der New York Times beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten davon.

Hier wird darauf eingegangen, wie es etwa einigen Naturschutzorganisationen in Trumps letzter Legislaturperiode gelungen ist, viele Versuche, Umweltgesetze abzuschaffen oder zu verwässern, durch geschickte Klagen abzuschmettern. Die noch agierende Biden-Administration versucht, so viel IRA-Geld wie möglich für klima-sinnvolle Projekte auszugeben. Das bedeutet oft Jobs für Gebiete repulikanischer Abgeordneter, die kein Interesse daran haben, sich bei ihren Wählern etwa durch Verhinderung von Fabriken unbeliebt zu machen.

In einem anderen Artikel geht es um die Meinung von Ajay Banga,  derzeiger Chef der Weltbank, der deren Schwerpunkt auf Projekte zur Klima-Anpassung und Emissionsverminderung legte. Er kenne Trump gut und hoffe, ihn mit guten Argumenten zur Fortsetzung der US-Unterstützung für die Finanzierung dieser Projekt gewinnen zu können.

Das Thema des gepickten Artikel ist noch interessanter, nämlich Elon Musk, irrlichternder Millardär und Trump-Unterstützer. Er erkenne die globale Erwärmung als Gefahr – ganz im Gegensatz zu Trump –, auch wenn er die Dringlichkeit wohl nicht so hoch einschätze wie viele Klimawissenschaftler. Es gebe Anzeichen, dass er schon Trumps Einstellung in Bezug auf Elektroautos abgemildert habe und man spekuliert, dass er DT auch andere Punkte des Klimaschutzes schmackhaft machen könne. Allerdings sind auch harte fossile Industrielle in Trumps Entourage aktiv – zu welcher Seite sich die Waage neigt, ist noch nicht heraus.

(Anmerkung: Die Artikel sind aus meinem NYT-Abo heraus verschenkt – daher ohne Paywall.)

Unendliches Wachstum in einer begrenzten Welt – eine Langzeitblick

piqer:
Thomas Wahl

Noah Smith diskutiert hier wieder ein sehr spannendes und kontroverses Thema: Wirtschaftswachstum. Als Technikoptimist hält er langfristig dieses Wachstum für die Grundlage einer guten Zukunft im Wohlstand.

Auf lange Sicht ist Wirtschaftswachstum alles. Das weltweite BIP ist seit 1820 um etwa 2,68 % gewachsen. Wäre es stattdessen nur um 1,68 % gewachsen – nur ein Prozentpunkt weniger -, wäre die Menschheit nur 37 % so reich wie jetzt, mit einem Pro-Kopf-BIP von etwa 6145 Dollar statt 16.677 Dollar. Wie Tyler Cowen in seinem Buch Stubborn Attachments schreibt, bedeutet dies, dass man, wenn man eine Politik finden kann, die das langfristige Wachstum erhöht, dies tun sollte. Der enorme Unterschied im Lebensstandard, den unsere Nachkommen erleben werden, wiegt die kleinen Opfer, die wir heute bringen, auf.

Natürlich müsste dieses Wachstum die Erhaltung der natürlichen Umwelt gewährleisten. Ist dies möglich? Grundsätzlich ja, meint Smith und damit ist er nicht allein. Er belegt dies auch mit Statistiken, nach denen sich das Wirtschaftswachstum in vielen wohlhabenden Nationen von der Nutzung knapper Ressourcen, insbesondere bei den Kohlendioxyd-Emissionen, abgekoppelt hat. Sei es durch mehr Forschungsausgaben und Innovation, Deregulierung, Industriepolitik, Rahmenbedingungen oder Zielvorgaben.

Er widerlegt ebenfalls das Argument, dass man in einer endlichen Umwelt kein unendliches Wachstum haben könne. Man vergleiche hier zwei qualitativ unterschiedliche Wachstumsbegriffe.

Wirtschaftswachstum, so wie Ökonomen den Begriff verwenden – und so wie er in den offiziellen BIP-Statistiken definiert ist -, bedeutet eigentlich nicht Wachstum des Ressourcenverbrauchs. Wirtschaftswachstum bedeutet Wachstum des Wertes dessen, was wir produzieren. Der Ressourcenverbrauch ist objektiv, der wirtschaftliche Wert ist subjektiv. ….. Und es gibt keine theoretische Grenze dafür, wie viel Wert wir durch die Neuanordnung der Ressourcen unseres endlichen Planeten produzieren können.

Zumindest ist Wirtschaftswachstum eben nicht gleich dem Wachstum im Verbrauch materieller Ressourcen – man vergleicht da „Äpfel mit Birnen“.

Das ist die optimistischere Seite des Artikels, Ressourcenbeschränkungen spielen vielleicht keine Rolle. Es folgt die beunruhigendere Zukunftsprojektion. Smith schildert die Analyseergebnisse der Forschungen von Charles I. Jones, etwa in dem Paper: Das Ende des Wirtschaftswachstums? Unbeabsichtigte Folgen eines Bevölkerungsrückgangs. Die lauten wie folgt:

In vielen (ökonomischen Th.W.) Modellen wird das Wirtschaftswachstum dadurch angetrieben, dass die Menschen neue Ideen verwirklichen. Diese Modelle gehen in der Regel von einer konstanten oder wachsenden Bevölkerung aus. In Ländern mit hohem Einkommen liegt die Fruchtbarkeit jedoch bereits heute unter der Ersatzrate: Frauen bekommen im Durchschnitt weniger als zwei Kinder. Es ist durchaus möglich, dass die Weltbevölkerung auf lange Sicht eher schrumpft als sich stabilisiert. In Standardmodellen hat dies tief greifende Auswirkungen: Statt eines fortgesetzten exponentiellen Wachstums stagniert dann der Lebensstandard bei einer sinkenden Bevölkerungszahl.

Es könnte, so Smith, also langfristig gar nicht, wie immer wieder befürchtet, um die limitierten natürlichen Ressourcen gehen, sondern um die Knappheit von Ideen. Die vergangenen industriellen Revolutionen und damit unser Wohlstand basierten darauf, dass ein zunehmender Anteil an Geld und menschlicher Intelligenz in den Forschungssektor flossen und dann Innovationen ermöglichten. Smith zitiert Analysen, wonach die Zahl der in der Forschung tätigen Personen in den USA seit den 1930er Jahren um das 23-fache gestiegen ist, während die Wachstumsrate der Gesamtfaktorproduktivität gleich geblieben oder gesunken ist. Es scheint also immer aufwendiger zu werden, bahnbrechende Erfindungen zu generieren. Wenn nun zukünftig die Bevölkerungen in der Welt schrumpfen, heißt das wahrscheinlich auch, es wird weniger Forscher und damit weniger Innovationen geben.

Aufgrund all dieser Faktoren und des sich verlangsamenden Bevölkerungswachstums prognostiziert Jones einen Rückgang des Wachstums. Und tatsächlich scheint das Wachstum in den USA im 21. Jahrhundert ein wenig langsamer zu sein als im 20.: …… Der Gegenwind beginnt möglicherweise bereits zu wirken. Wenn das stimmt, wird das Wachstum nicht erst in 1000 Jahren auf ein niedriges Niveau sinken, sondern schon sehr bald, vielleicht noch in diesem Jahrhundert.

Technikoptimisten wären keine Optimisten, wenn sie nicht wenigstens ein Licht am Horizont sehen würden. Für Jones und Smith ist es die künstliche Intelligenz:

Wenn es uns gelingt, eine KI zu schaffen, die selbstständig forscht, könnten wir als Zivilisation die Fluchtgeschwindigkeit erreichen und von flachen oder sinkenden Wachstumsraten zu steigenden Wachstumsraten übergehen – im Grunde eine technologische Singularität, zumindest bis die KI aufhört, besser zu werden oder ihr die Dinge ausgehen, die sie entdecken kann.

Einigen Gesellschafts- oder Technikpessimisten werden sich angesichts solcher Szenarien die Haare sträuben. Aber wir müssen uns klarmachen, Wachstum und Wohlstand sind weder Gott gegeben noch sonst wie garantiert. Und schrumpfendes Wachstum ist nicht der Weg ins Paradies. Auch wenn das wohl manche anders sehen und sich über weniger Innovation und Wachstum freuen würden?

EU-Emissionssenkung bis jetzt auf gutem Weg – mit Einschränkungen

piqer:
Dominik Lenné

Die Klimaerwärmung generiert eine dichter werdende Kette von lokalen und regionalen Katastrophen und Problemen, wie gerade in Valencia, die das wirtschaftliche und politische System der Welt mehr und mehr belasten.

Die EU ist die einzige große übernationale Organisation, die den Widerspruch zwischen nationaler Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz innerhalb ihres Bereiches durch bindende Regelungen für alle Mitgliedsstaaten löst. Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich in der Abnahme der EU-Treibhausgasemissionen um 8% zwischen 2022 und 2023 – eine Abnahme, die stärker ist als die durch Covid-19 verursachte.

Der herausgepickte, nicht sehr lange Artikel, der auf dem EU Climate Action Progress Report beruht, setzt das ins Verhältnis zum im „Fit for 55„-Programm festgelegten Emissionspfad: bis jetzt haben wir es geschafft, alle Etappenziele einzuhalten.

Die pure Emissionssenkung ist zwar für das Klima das Wesentliche, es werden aber fünf weitere Aspekte aufgezählt, die sich teils mit unterstützenden Aspekten der Emissionssenkung, teils mit der internationalen Wirkung befassen:

  • Die Emissionen im ETS-Bereich, d.h. dem vom EU Emission Trading System abgedeckten Bereich großindustrieller Anlagen und Kraftwerke, sind wie geplant sinkend.
  • Im Stromsektor haben die Erneuerbaren einen großen Teil der Emissionen eliminiert.
  • Die Emissionen im ESR-Bereich, d.h. dem von der EU Effort Sharing Regulation abgedeckten Bereich Transport, Gebäude, Landwirtschaft, Kleinindustrie und Abfallwirtschaft sanken, aber deutlich zu schwach – und die Prognose ist schlecht (siehe Details weiter unten).
  • Die Kohlenstoffbindung durch Pflanzen ist geringer als geplant. Das deklarierte Ziel der EU sind 310 Mio. t CO₂e¹  pro Jahr. Auf dieser jüngst aktualisierten Informationsseite der EEA²  sehen wir eine ungünstige Tendenz: Die aktuelle Netto-Bindungsrate von CO₂ liegt nur bei 236 Mio t CO₂e¹ – und nimmt ab – wieder wenn man die bekanntgegebenen Maßnahmen der Regierungen zugrunde legt.
  • Die Finanzierung von klimabezogenen Maßnahmen für sich-entwickelnde Länder durch die EU ist die umfangreichste der Welt. Das betrifft sowohl Emissionsvermeidung- als auch Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen.
  • Die EU ist generell eine treibende Kraft in der internationalen Klimapolitik.

Es ist durchaus interessant, sich auch das 45-seitige Originaldokument durchzuschauen. Auf Seite 26 sehen wir etwa die Verteilung der für 2030 prognostizierten ESR-Emissionen auf die Mitgliedstaaten. Nur fünf Staaten werden ihre Zuteilungen stärker überschreiten als Deutschland (PL, FR, S, IT, ES). Die ESR-Emissionen werden wohl in der Summe höher sein, als Emissionrechte vorhanden sind. Das heißt, dass wir nicht alle der fehlenden Emissionsrechte von anderen Staaten kaufen können werden – und dass ihr Preis hoch sein wird.

Weiteres Thema sind die Anpassungsmaßnahmen in der EU selbst, d.h. die Erhöhung der Resilienz unseres Systems gegen klimabedingte Schädigungen. Die EU hat zum ersten Mal eine systematische Risikoeinschätzung veröffentlicht. Ein Dokument, das man sich auch mal ansehen sollte. Auf die Schnelle genügen die „Key Takeaways“ im Executive Summary.

Was nicht abgehandelt wurde, ist die Frage, inwieweit die Emissionsabnahme durch wirtschaftliche Verlangsamung erfolgt ist – sicherlich Thema für eine umfangreiche Untersuchung. Es ist aber plausibel, dass der Siegeszug der Erneuerbaren einen spürbaren Effekt hat. Auch ein möglicher Strukturwandel von Produktion zu emissionsärmeren Dienstleistungen kann durch die Klimapolitik angestoßen worden sein.

Fazit ist, dass in der EU zusätzliche 1,5% des Bruttosozialproduktes in Erneuerbare, Elektrifizierung, Wärmedämmung, Feuchtgebietbewässerung & Co. investiert werden müssen, um die gesetzten Ziele zu erreichen.

Anmerkungen

¹ CO₂e heißt CO₂-äquivalent. Die mit jeweiligen Faktoren berechnete Gesamtemission aller Treibhausgase.

² Die EU Environmental Agency, das EU-Institut zur Sammung, Auswertung und verfügbarmachung von Umweltdaten, ist etwa mit dem Umweltbundesamt vergleichbar.

Der Wind, die Forschung und ihre Menschen

piqer:
Dominik Lenné

Dieser Dokumentarfilm, dessen durchgehendes Thema der alles verbindende Wind ist, führt uns an Arbeitsplätze der Klima-Meteorologie und stellt uns einige ihrer Menschen vor. Es ist ein schöner Film, auch wenn das zugrundeliegende Thema beunruhigend ist.

In langen, ruhigen Einstellungen sehen wir Landschaften auf Spitzbergen, in Sri Lanka, Namibia und anderen Orten und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehrerer Nationen, die dort arbeiten und die lokale Situation erläutern. Wir sehen Wetterballons aufsteigen und ein Luftschiff, wir fliegen in Forschungsflugzeugen, die den Wind messen und fahren mit dem Forschungsschiff „Polarstern“, das sich auf dem Weg in die Antarktis befindet und auf dem ein einsamer, sympathischer chinesischer Wissenschaftler den Weg der Luftverschmutzung von den industriellen Zentren über die ganze Welt dokumentiert.

Im zweiten Teil des Films begleiten wir den engagierten Meteorologen und Journalisten Özden Terli, den wir bei der Anspannung vor Aufnahmen und Interviews beobachten, bei Diskussionsbeiträgen auf Tagungen.

Der Film hinterlässt kein Panikgefühl, keinen beißenden Ärger mit den Verhältnissen, sondern beteiligt uns an den geduldigen Mühen, die Fakten zusammenzustellen, zu verstehen und zu überzeugen.